In die Hamburger SPD auf Probe: Ex-Grüne wird Genossin
Die Fraktionslose Bürgerschaftsabgeordnete Nebahat Güçlü tritt probeweise in die SPD ein. Ob sie ordentliches Mitglied wird, entschiedet sich aber erst in einem Jahr.
Nebahat Güçlü wird zur Sozialdemokratin. Die ehemalige grüne, jetzt partei- und fraktionslose Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft, ist für ein Jahr Gastmitglied der SPD in Ottensen. „In meinem Schwerpunkt Sozialpolitik bin ich auf einer Linie mit der SPD, da gibt es keinerlei Probleme“, erklärte Güçlü am Mittwoch im Gespräch mit der taz. Auch bei ihrer parlamentarischen Arbeit im Sozialausschuss und im Ausschuss für Jugend und Familie der Bürgerschaft seien die Übereinstimmungen mit den SPD-Abgeordneten seit Jahren groß, berichtete Güçlü.
Die 52-jährige Sozialpädagogin, die bereits von 2004 bis 2010 ein Parlamentsmandat innehatte, war kurz nach der Bürgerschaftswahl 2015 nach heftigen Auseinandersetzungen bei den Grünen ausgetreten. Grund war eine Rede von ihr bei einer Veranstaltung der Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) in Hamburg, die den rechtsextremistischen türkischen „Grauen Wölfen“ nahestehen.
Güçlü erklärte, das nicht gewusst zu haben. Nach Rücktrittsforderungen aus der Partei und dem erfolglosen Versuch, sie auszuschließen, trat Güçlü am 1. April 2015 bei den Grünen aus und ist seitdem fraktionslose Abgeordnete.
In der Position könne man aber „nicht viel bewegen“, sagt Güçlü. Sie darf keine Debatten im Plenum anmelden und keine Anträge stellen. Kleine Anfragen an den Senat sind erlaubt, aber keine Großen Anfragen. In den Ausschüssen haben Fraktionslose kein Stimmrecht. „Da ist man in seinen Möglichkeiten beschnitten“, sagte Güçlü 2015 in einem taz-Interview.
Nebahat Güçlü, SPD-Gast
Güçlü war viele Jahre als Projektleiterin bei der Internationalen Frauenbegegnungsstätte Inci tätig, von 2000 bis 2010 war sie Geschäftsführerin der Interkulturellen Begegnungsstätte (IKB) und danach Referentin für Migration beim Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband in Hamburg.
Der Sozialverband kündigte ihr nach ihrem Auftritt bei der Föderation ohne Angabe von Gründen. Über einen später geschlossenen arbeitsrechtlichen Vergleich wurde Stillschweigen vereinbart. Bis vor einem Jahr war Güçlü zudem Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Hamburg.
In Ottensen, wo Güçlü seit rund 30 Jahren lebt, habe sie bislang ein „gutes Feedback“ von der SPD bekommen, berichtet sie. Nach einem Jahr werde zu entscheiden sein, ob sie ordentliches SPD-Mitglied werde. Bis dahin habe sie in der SPD auch kein Wahlrecht. Auch ein Wechsel in die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft stehe deshalb gar nicht zur Debatte.
Als Parteilose hätte Güçlü kaum eine reelle Chance, bei der nächsten Bürgerschaftswahl im Februar 2020 erneut in das Landesparlament einzuziehen. Mit einer möglichen Kandidatur auf einem SPD-Ticket habe ihr Parteiwechsel jedoch nichts zu tun, beteuert die Politikerin: „Darüber mache ich mir keine Gedanken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour