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In Richtung Scheindemokratie

Thailand Vor dem Referendum am 7. August verstärkt die Regierung den Druck auf die Medien. Die Verfassungsänderung soll der Militärjunta noch mehr Macht geben

Demonstration für verhaftete Studi-Aktivisten Foto: Narong Sangnak/dpa

von Nicola Glass

Thailands Presse- und Meinungsfreiheit sind ohnehin in einem desolaten Zustand – und im Vorfeld des für den 7. August angesetzten Verfassungsreferendums hat das Militär die Repressionen nochmals verschärft. So befahl Juntachef Prayuth Chan-ocha, alle Fernseh- und Radiosender „dichtzumachen“, deren Inhalte die „nationale Sicherheit“ gefährdeten. Kritik am Verfassungsentwurf und „Vote No“-Kampagnen können mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden.

Auch gegen kritische Medien geht es Schlag auf Schlag: So ließ die Armee den Fernsehsender „Peace TV“ für einen Monat schließen, der von Anhängern der 2014 gestürzten Regierung betrieben wird. Er verbreite irreführende Inhalte und wiegele die Menschen auf, hieß es. Dann wurde Taweesak Kerdpoka, ein Reporter des Onlineportals „Prachatai“ (Freie Menschen), festgenommen, als er für Recherchen mit Aktivisten der „Vote No“-Kampagne unterwegs war. Anschließend wurde das „Prachatai“-Büro von Polizisten in Zivil durchwühlt, während Militärs am Eingang Wache standen.

Beobachter monieren, der aktuelle Verfassungsentwurf ziele einzig darauf, die Herrschaft des Militärs langfristig zu zementieren und eine Scheindemokratie zu errichten, in der das Parlament höchstens dekorative Zwecke erfüllt. Ein von der Armee handverlesener Senat, in welchem zudem Sitze für führende Militärs reserviert sind, und andere Junta-nahe Institutionen sollen auch nach Wahlen die Kontrolle behalten. Ferner soll das Volk über die verworren formulierte Frage abstimmen, ob dem Senat in einer politischen Krise das Recht eingeräumt werden solle, einen Premier zu bestimmen – quasi ein Blankoscheck für einen nicht gewählten Regierungschef.

Schon seit Längerem geht es mit den Freiheiten im Land bergab: Nachdem die damalige Premierministerin Yingluck Shinawatra am 7. Mai 2014 durch ein politisch motiviertes Gerichtsurteil ihres Amtes enthoben und der Rest ihrer Regierung am 22. Mai 2014 durch das Militär gestürzt wurde, geht die Junta gegen alle vor, die diesen Staatsstreich kritisieren.

Jeder, der sich als Kritiker der thailändischen Machtverhältnisse outet, riskiert bedroht und verhaftet zu werden. Auch unbeteiligte Familienmitglieder geraten ins Visier: Als die „Bild“-Zeitung vor Kurzem wenig schmeichelhafte Fotos von Kronprinz Vajiralongkorn publizierte, „teilte“ der früher in Bangkok stationierte schottische Journalist Andrew MacGregor Marshall diese auf Facebook. Prompt wurden dessen thailändische Frau Noppawan Bunluesilp, die in Bangkok zu Besuch war, ihr dreijähriger Sohn Charlie sowie ihr Vater von der Polizei zum Verhör abgeführt, ihr Haus durchsucht. Monarchiekritiker Marshall, Autor des in Thailand verbotenen Buches „A Kingdom in Crisis“, kann das Land nicht mehr betreten.

Die Erosion der Menschenrechte erfolgt zu einer Zeit, in der sich die über 70-jährige Regentschaft König Bhumibols dem Ende neigt. Der 88-jährige ist schwer krank, und sein designierter Nachfolger, Kronprinz Maha Vajiralongkorn, ist selbst unter Royalisten verhasst. Es ist kein Zufall, dass das seit Jahren politisch missbrauchte Gesetz gegen Majestätsbeleidigung von der Junta nun drastischer angewandt wird als je zuvor: Denn die Armee, die sich als ultimativer Beschützer der Monarchie aufspielt, versucht in deren Namen nur den eigenen Machtanspruch zu rechtfertigen. „Weil das Regime illegitim ist, versteckt es sich hinter Thailands meistverehrter Institution“, schrieb The Economist in der Printausgabe vom 23. Juli. Sie wurde in Thailand nicht ausgeliefert.

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