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In-Game-Käufe und LootboxenVom Computerspiel zur Spielsucht?

Der niedersächsische Landtag knöpft sich „Lootboxen“ vor – auch wenn das Prinzip in der Sitzung erst erklärt werden muss: kaufen auf gut Glück.

Geld verzocken wie die Großen – das geht auch daheim Foto: Oliver Berg/dpa

Hannover taz | Der grüne Abgeordnete Pascal Leddin hatte seine Rede im Landtag kaum begonnen, da musste die Sitzungsleitung schon um Ruhe bitten. Das liegt nicht daran, dass die Kollegen dem jüngsten Landtagsabgeordneten grundsätzlich wenig Respekt entgegenbringen, sondern eher am Thema.

„Von Lootboxen zu problematischem Glücksspiel? Jugendschutz und Suchtprävention konsequent umsetzen und simuliertes Glücksspiel regulieren“ ist der Titel des Antrags. „Loot was?“, fragen da nicht wenige Abgeordnete.

Lootboxen, das bekommen sie in der Folge noch von vier weiteren Rednern erläutert, sind so etwas wie virtuelle Schatzkisten. Man kann sie in vielen Computerspielen erwerben, ohne genau zu wissen, was man kriegt: tolle neue Waffen, Ausrüstungsgegenstände oder Spieler, magische Fähigkeiten oder Kräfte, manchmal auch bloß ein neues Aussehen der eigenen Spielfigur („Skin“).

Gezahlt wird in Punkten oder Fantasie-Währung wie Robux, Minecoin, V-Bucks, Gold oder Edelsteine. Die kann man sich entweder erspielen oder – im häufiger – mit richtig echtem Geld kaufen.

Jedem fällt eine Geschichte ein

Und das ist vermutlich der zweite Grund für das große Getuschel im Landtag: Wenn man das Stutzen angesichts des seltsamen Gamer-Jargons einmal überwunden hat, fällt plötzlich jedem eine Geschichte ein, von den eigenen Kindern, Nichten, Neffen oder Enkeln, die ihr Taschengeldkonto geplündert, Geburtstags- oder Konfirmationsgelder auf den Kopf gehauen haben – oder bei den Eltern für horrende Kreditkarten- oder Handyrechnungen gesorgt haben, wenn die leichtsinnig genug waren, diese Zahlungsmethode zu hinterlegen.

Das liegt vor allem daran, dass mit diesen Fantasiewährungen ganz schnell die tatsächlichen Kosten aus dem Blick verschwinden und sich Dutzende von kleinen Kleckerbeträgen schnell zu hässlichen großen Summen addieren.

Die sogenannten In-game-Käufe machen mittlerweile etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes der Gaming-Branche aus. Und die ist längst ein Milliarden-schweres Business. Wobei dieser niedersächsische Antrag nun auch nicht allen In-game-Käufen den Garaus machen will – damit würde sich der Landtag wohl mächtig verheben.

Lootboxen haben aber ein zusätzliches Problem, das Leddin mit dem Begriff „Online-Casino“ umschreibt. Die gesamte Aufmachung, die Animationen, der Sound, das Wechselspiel aus fiebriger Hoffnung und bitterer Enttäuschung – da könnte man die Kinder und Jugendlichen genauso gut vor einen Spieleautomaten, eine Slot-Maschine setzen, sagt er.

Die Regulierung von Glücksspiel ist in Deutschland allerdings durchaus Ländersache. Der Haken ist bloß: Bisher werden die Lootboxen von der Definition des Glücksspielgesetzes nicht erfasst. Darauf weist der SPD-Abgeordnete Dennis True hin.

Das Glücksspielgesetz setzt nämlich im Wesentlichen drei Kriterien voraus: Man setzt Geld ein, man gewinnt Geld und die Entscheidung über Gewinn und Verlust hängt ganz oder überwiegend vom Zufall ab.

Andere Länder machen es vor

Das ist bei den meisten Computerspielen nicht oder zumindest nicht ganz der Fall. Zwar setzt man Geld ein, der Gewinn besteht aber erst einmal in Vorteilen im Spiel und nicht in Geld – obwohl es für fast alle großen Spiele mittlerweile Plattformen gibt, auf denen seltene Lootboxen-Inhalte für sehr viel Geld gehandelt werden. Über die Zuteilung entscheidet ein Algorithmus, der vom Spieleanbieter kontrolliert wird.

In Österreich haben Gerichte im vergangenen Sommer in der zweiten Instanz entschieden, dass es sich um Glücksspiel handelt – und weil der Spieleanbieter über keine entsprechende Konzession verfügt, soll er nun dem klagenden Spieler mehrere tausend Euro Einsatz zurückzahlen.

Getroffen hat das den Branchenriesen Sony Interactive und seinen US-Publisher Electronic Arts und das beliebte Fußballspiel Fifa, wo man Spieler-Packs kaufen kann – ohne zu wissen, ob man Spitzenspieler oder Luschen kriegt. Auch andere Länder wie Portugal und Belgien haben dafür gesorgt, dass Spiele mit solchen Glücksspielelementen zumindest nicht mehr an Minderjährige vertrieben werden dürfen.

Das hat in einigen Fällen dazu geführt, dass die Lootboxen aus dem Spiel verschwanden – weil man sich den lukrativen Markt der kleinen Taschengeld-Verzocker nicht ganz entgehen lassen will.

Unter Experten ist umstritten, was der effektivste Weg wäre, die Daumenschrauben für die Spieleanbieter anzuziehen: Ändert man den Glücksspielstaatsvertrag oder bessert man lieber im Jugendschutzgesetz nach? Soll das auf Landes-, Bundes- oder gar EU-Ebene geregelt werden? Bisher schieben sich die verschiedenen Ebenen gegenseitig die Verantwortung zu.

Im Entschließungsantrag, der von den Grünen und der SPD eingebracht, von der CDU und AfD aber begrüßt wurde, formuliert der niedersächsische Landtag nun erst einmal eine Reihe von Prüfaufträgen. Mit den lästigen Details wird sich der Fachausschuss für Verbraucherschutz befassen müssen.

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