Importverbot auf ukrainisches Getreide: Auf Einfuhrstopp folgt Grenzstau
Polen, Ungarn und die Slowakei haben ein Importverbot auf ukrainische Landwirtschaftserzeugnisse verhängt. Die Verhandlungen über eine Lösung laufen.
In der Ukraine stößt das auf Kritik. Von einer „skandalösen Entscheidung“ sprach etwa das ukrainische Internetportal apostrophe.ua in einer ausführlichen Analyse. Gerade jetzt, im Krieg mit Russland, treffe es natürlich die Ukraine, wenn es zunehmend Schwierigkeiten habe, seine Agrarprodukte zu exportieren. Um ein Haar, so das Nachrichtenportal, wäre sogar der Polen-Besuch von Präsident Wolodimir Selenski Anfang des Monats wegen der Agrarfrage geplatzt.
Zu den nun in Polen verbotenen Agrarprodukten gehören neben Getreide auch Milch, Eier, Geflügel, Honig, Buchweizen, Hanf, Rote Bete, Zucker, Gemüse, Obst und Wein. Letztlich seien es vor allem die kleinen und mittelgroßen Agrarfirmen und Bauern, die ihre Produkte in Polen abzusetzen versuchten. Denn die könnten sich die Preise, die man bei einem Export über die Schwarzmeerhäfen oder auch die Donauhäfen bezahlen müsste, überhaupt nicht leisten, zitiert das Portal den Finanzanalysten Olexi Kuschtsch.
Und so hätten diese auf dem polnischen Markt ihre Produkte zu Preisen verkauft, die nur gering über dem ukrainischen Einkaufs- und Produktionspreis liegen. Ukrainisches Getreide beispielsweise werde 20 Prozent günstiger angeboten als polnisches. Der Grund für den niedrigen Preis ist nicht nur die Bereitschaft der ukrainischen Bauern, ihre Produkte zu einer niedrigen Gewinnmarge zu verkaufen. In der Ukraine gelten auch die strengen und somit teuren EU-Vorschriften einer artgerechten Tierhaltung und ökologischen Landwirtschaft nicht. „Die ukrainische Landwirtschaft arbeitet mit Produktionsverfahren, die in der EU nicht mehr zulässig sind“, erklärte der ungarische Landwirtschaftsminister István Nagy die Entscheidung aus Budapest.
Rechtliche Schritte durch Kiew sind eher nicht zu erwarten
Aber auch ein Export von ukrainischem Getreide nach Afrika oder Asien über polnische Häfen sei sehr teuer, so Ilja Neschodowski, Direktor des Instituts für sozial-wirtschaftliche Transformation. Allein schon deswegen, weil der Weg von Polen nach Afrika oder Asien weitaus länger sei als die Strecke von Odessa und anderen Schwarzmeerhäfen in andere Kontinente.
Rechtliche Schritte gegen das Exportverbot, so glaubt Ilja Neschodowski indes, werde die Ukraine nicht unternehmen. Zu groß wäre dessen Schaden für die bilateralen Beziehungen zu ihrem wichtigen Nachbarn. Umso wichtiger seien die nun gestarteten Verhandlungen zwischen Kiew, den betroffenen EU-Ländern sowie der Europäischen Kommission.
Laut ukrainischem Landwirtschaftsminister Mykola Solski laufen dazu seit Montag Gespräche in Warschau. In einem ersten Schritt sollte es um eine Öffnung des Transits der Güter über Polen gehen. Dies sei „ziemlich wichtig und sollte bedingungslos getan werden. Und danach werden wir über andere Dinge sprechen.“ Polens Landwirtschaftsminister Robert Telus sagte, es habe ein Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen und weiteren Vertretern der Regierung in Kiew gegeben, die am Dienstag fortgesetzt werden sollten.
Derweil kritisierte Bundesagrarminister Cem Özdemir am Dienstag den Importstopp. „Die Solidarität mit der Ukraine bleibt das oberste Gebot“, sagte der Grünen-Politiker. Umso mehr bedauere er, dass Polen nun seine Grenzen für ukrainische Agrarexporte geschlossen habe.
Letztendlich, so apostrophe.ua, dürfte man den aktuellen Konflikt um Exporte nach den Transit durch Polen nicht überbewerten. Nach wie vor seien die Schwarzmeerhäfen für den Export von ukrainischen Agrarprodukten entscheidend – für die wartenden Trucker an der Grenze ist das ein schwacher Trost.
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