Impfstoff-Geberkonferenz: Milliardenspritzen gegen das Virus
In Brüssel gehen von überall Finanzzusagen zur Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 ein. Gibt es doch noch internationale Solidarität?
„Wir müssen die Welt zusammenbringen, um das Virus zu besiegen“, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Auftakt einer weltweiten Geberkonferenz am Montag in Brüssel. Die ungewöhnliche Online-Konferenz soll mindestens 7,5 Milliarden Euro eintreiben – 4 Milliarden für die Entwicklung und Einführung erschwinglicher Impfstoffe, weitere 2 Milliarden für Behandlungsmöglichkeiten und 1,5 Milliarden Euro für Tests.
Die EU-Kommission hat 1 Milliarde Euro zugesagt, Deutschland will 525 Millionen Euro zuschießen. Auch Frankreich, Großbritannien, die Türkei und China machen mit, sogar Saudi-Arabien als Vorsitzland der G20-Gruppe. Die Konferenz, die von der Weltgesundheitsorganisation WHO unterstützt wird, sei ein „Signal der Hoffnung in schwierigen Stunden für viele Länder“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin.
Die Entwicklung eines Impfstoffs gilt als Schlüssel für eine Überwindung der Pandemie. Erst wenn möglichst viele Menschen gegen Covid-19 geimpft sind, können die Schutzmaßnahmen und Reisebeschränkungen aufgehoben werden.
„Impfstoff von der Welt für die Welt“
Schon jetzt wird nach Angaben der EU-Kommission an mehr als 70 möglichen Impfstoffen geforscht. Mindestens drei Produkte werden inzwischen klinisch getestet. Doch die „Global Response“ will weitergehen – und sicherstellen, dass der Impfstoff am Ende nicht nur einzelnen Ländern oder Konzernen zugutekommt, sondern allen. Es gehe um einen „Impfstoff von der Welt für die Welt“, heißt es in Brüssel. „Wir verpflichten uns dazu, ihn für alle verfügbar, zugänglich und erschwinglich zu machen“, heißt es in dem Appell, den auch Merkel unterzeichnet hat.
Allerdings gleicht der Weg zu einem Impfstoff bisher mehr einem rücksichtslosen Wettlauf um die globale Vorherrschaft als einem solidarischen Marathon, wie ihn sich von der Leyen wünscht. Vor allem die USA stellen sich der „Global Response“ der Europäer in den Weg. US-Präsident Donald Trump hat ein eigenes nationales Programm gestartet. Er wolle einen Impfstoff möglichst schon vor Jahresende bereitstellen, sagte er.
Europa und der Rest der Welt könnten dabei den Kürzeren ziehen, so die Sorge in Brüssel. Er sehe „die Gefahr, dass Donald Trump das Prinzip ‚America first‘ durchsetzt“, warnt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese.
Kritik von den Vereinten Nationen
Unklar ist bei dem Weg zum Impfstoff auch, ob die EU-Kommission der richtige Wegweiser ist. Die Präsidentin der Hilfswerke Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe, Cornelia Füllkrug-Weitzel, meldete im SWR erste Zweifel an. Es flössen öffentliche Gelder ohne klare Mechanismen zur Rechenschaftslegung. „Das ist stark ungewöhnlich“, sagte sie.
Leise Kritik kommt auch von den Vereinten Nationen. Nötig sei das größte öffentliche Gesundheitsprogramm der Geschichte, erklärte UN-Generalsekretär António Guterres. Die 7,5 Milliarden Euro aus Brüssel seien ein guter Start. „Aber um jeden überall zu erreichen, werden wir wahrscheinlich fünfmal so viel brauchen“, betonte Guterres. Insgesamt gehe es um rund 40 Milliarden.
Dass noch viel mehr Hilfe gebraucht wird, ist auch Kommissionschefin von der Leyen bewusst. Die Konferenz sei nur der Auftakt zu weiteren, weltweiten Bemühungen, sagte sie. Die Brüsseler Kommission wolle das Geld nicht selbst ausgeben, sondern nur verbuchen und danach an die richtigen Stellen weiterleiten. Es sollen alle Zusagen mitgezählt werden, die seit dem 30. Januar gegenüber der WHO gemacht wurden.
Die CDU-Politikerin hatte im April eingeräumt, dass die EU zu Beginn der Coronakrise selbst Fehler gemacht habe. So habe man dem besonders betroffenen Italien zunächst zu wenig geholfen. Seither habe sich Brüssel aber zum „Epizentrum der Solidarität“ entwickelt. Mit der Geberkonferenz wollte von der Leyen diesen Anspruch bekräftigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite