Impfen und Informationspflicht: Für ein konstruktives Arztgespräch
Diskussion über das Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn zur Impfpflicht: Gefordert wird weitere Patientenaufklärung.
Spahns Plan ist rechtlich fragwürdig. Denn ein Impfzwang würde das fundamentale Prinzip aushöhlen, wonach ein ärztlicher Eingriff nur dann zulässig ist, wenn der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter zuvor vollständig darüber informiert wurde und freiwillig zugestimmt hat. „Die impfende Ärzteschaft“, erklärt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), „ist somit zu einem Aufklärungsgespräch vor einer Impfung verpflichtet.“
Dass diese Rechtspflicht in der Praxis nicht immer ernst genommen wird, deutet auch eine dicke Studie der BZgA zum Infektionsschutz an (pdf-Datei). Sie beschreibt „Einstellungen, Wissen und Verhalten von Erwachsenen und Eltern gegenüber Impfungen“ – ausgewertet auf Basis einer telefonischen „Repräsentativbefragung“ unter 5.012 BürgerInnen, ausgeführt 2016.
„In der Wahrnehmung der Eltern erfolgte allerdings ein Aufklärungsgespräch durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt nur bei 74 Prozent der Befragten vor der letzten Impfung ihres Kindes“, bilanziert die BZgA und fügt hinzu: „Seltener als Eltern mit Kleinkindern erinnern sich Eltern von Kindern im Schulalter, eine solche Beratung erhalten zu haben.“
Weiteren Aufklärungsbedarf benennt das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) in einer Stellungnahme (pdf-Datei), die sich für eine „differenzierte Bewertung von Impfungen“ ausspricht und „Zwangsmaßnahmen“ ablehnt. Es gebe Impfungen, deren Nutzen „unbestritten“ sei, zum Beispiel die Polio- und Pockenimpfungen. Aber auch solche „mit unklarem Nutzen“, etwa gegen invasive Meningokokkeninfektionen. Und außerdem manche gegen „zwar lästige, aber nicht lebensbedrohliche Erkrankungen“ wie Windpocken, erläutern die ProfessorInnen Ingrid Mühlhauser und Andreas Sönnichsen vom DNEbM im KVH-Journal (6/2019) der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (pdf-Datei). Notwendig seien „evidenzbasierte Entscheidungshilfen“, wobei „differenziert zu jeder einzelnen Impfung aufzuklären“ sei – inklusive „Offenlegung von Unsicherheiten und ungeklärten Fragen“, empfehlen Mühlhauser und Sönnichsen.
Missverständliche Informationen
Die verfügbaren Infos der BZgA zu Impfungen bewerten die beiden MedizinprofessorInnen, gemessen an den DNEbM-Kriterien, als „nicht ausreichend“. Auf der Website der BZgA seien zwar „Ansätze für gute Materialien zu finden“, andere hätten aber „eher den Charakter von Kampagnen mit den typischen Mängeln unvollständiger, überredender und missverständlicher Informationen“.
Kritisch sieht das DNEbM auch Empfehlungen zur Impfberatung, wie sie das Deutsche Ärzteblatt im März unter der Überschrift „Professionelle Gesprächsführung – wenn Reden Gold wert ist“ veröffentlicht hat. Der Aufsatz beschreibt zunächst „Gründe für Impfmüdigkeit“ und präsentiert anschließend eine Art Leitfaden für „ein konstruktives Arztgespräch“, das in mehreren Schritten „zu einer positiven Impfentscheidung führen“ könne. Schritt vier solle „Effektivität von Impfungen als Schutz vor der Erkrankung vermitteln“, schreiben die AutorInnen, darunter Cornelia Betsch, Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation.
Was Ärzte tun und sagen sollen, erläutern sie wie folgt: „Wenn Sie über das Risiko durch die Erkrankung aufgeklärt haben, ist es wichtig, eine effektive Gegenmaßnahme zu präsentieren – dies stärkt die Handlungsbereitschaft. Daher sollte nun betont werden, dass die Impfung die Erkrankung sehr effektiv und sehr sicher verhindert.“ Bezogen auf die Grippeimpfung, geben Mühlhauser und Sönnichsen zu bedenken, „wäre eine solche Aussage falsch“.
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