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Immunitätsgesetz in Brasilien vom TischNein zum „Banditen-Gesetz“

Die zuständige Kommission in Brasiliens Senat lehnte es einstimmig ab, in der Verfassung weitreichende Immunität für Parteivorsitzende zu verankern.

Tausende waren am vergangenen Wochenende gegen die Immunitätsgesetze auf der Straße Foto: Pilar Olivares/rtr

Salvador do Bahia taz | Am Mittwoch hat der brasilianische Senat den als „Banditen-Gesetz“ bekannten Gesetzesentwurf PEC 03/2021 einstimmig abgelehnt. Sämtliche 26 Senatoren der Kommission für Justiz und Verfassung stimmten gegen die geplante Ergänzung der brasilianischen Verfassung, die Kongressmitgliedern und Parteivorsitzenden weitreichende Immunität vor Strafverfolgung garantiert hätte.

Strafverfahren hätten nur dann gegen sie eröffnet werden können, wenn zuvor Senat oder Abgeordnetenhaus dem Verfahren in geheimer Abstimmung zugestimmt hätten. Zurzeit kann der Oberste Gerichtshof ohne Abstimmung Strafverfahren gegen Kongressmitglieder anstrengen. In der vergangenen Woche war der Entwurf mit großer Mehrheit im von der politischen Rechten kontrollierten Abgeordnetenhaus angenommen worden.

Dagegen waren am vergangenen Sonntag in mehr als 30 brasilianischen Großstädten Zigtausende Menschen auf die Straßen gegangen: „Der Kongress ist gegen das Volk“ und „Nein zum Banditen-Gesetz“ hieß es auf Spruchbändern.

„Immunität können nur vom Volk gewählte Vertreter genießen: Abgeordnete, Gouverneure, Senatoren“, kritisierte der Vorsitzende der Senatskommission Otto Alencar den Gesetzesentwurf, „die Ergänzung möchte diese Immunität auf Parteivorsitzende ausweiten. Wir haben 29 registrierte Parteien in Brasilien, also Immunität für 29 Parteivorsitzende? Das lehnen wir ab“.

Rechte will Amtsenthebungsverfahren gegen Richter Moraes

Auch den Vorstoß von Senator Sérgio Moro, das Gesetz in schlankerer Form anzunehmen, wies Alencar entschieden zurück. Der Berichterstatter der Kommission, Alessandro Vieira, warnte davor, das Gesetz öffne die Türen dafür, die Legislative in einen sicheren Ort für Kriminelle jeder Art zu verwandeln. Die Logik dahinter: Vertreter des organisierten Verbrechens könnten sich in den Kongress wählen lassen, um Straffreiheit zu erlangen.

Die einstimmige Ablehnung der Gesetzesänderung bedeutet vor allem eine Niederlage für den Block der bürgerlichen Parteien, das sogenannte Centrão, aus deren Reihen der Vorschlag stammte. Vorgelegt hatte ihn 2021 der heutige Tourismusminister Celso Sabino, nachdem Bundesrichter Moraes einen damaligen Abgeordneten wegen Bedrohung der Demokratie zu einer Haftstrafe verurteilt hatte.

Im vergangenen August wurde das Gesetz erneut vorangetrieben, nachdem Moraes den Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro unter Hausarrest gestellt hatte. Damals hatten Bolsonaro-Anhänger Plenarsitzungen blockiert und gefordert, dass der Kongress über von ihnen favorisierte Themen entscheiden solle.

In der Senatssitzung am Montag zeigten sich die Bolsonaro-Anhänger eher zahm. Senator Jair Seif, der zuvor angekündigt hatte, für die Änderung zu stimmen, erklärte: „Wir müssen für die Stimmen auf der Straße sensibel sein“. Der Vorschlag habe gute Seiten, sei aber leider „vergiftet“ worden. Bolsonaro-Sohn Senator Flavio Bolsonaro stimmte ebenfalls gegen die PEC, forderte aber, gegen Richter Alexandre de Moraes müsse ein Amtsenthebungsverfahren angestrengt werden.

Die Rechte bezeichnet es als „Diktatur der Roben“, dass das Oberste Bundesgericht einerseits für Verfassungsfragen und Strafprozesse gegen Politiker zuständig und gleichzeitig letzte Instanz für Berufungsprozesse ist. Dass ein Antrag auf Impeachment von Moraes Erfolg hat, ist unwahrscheinlich, denn dafür ist der Senat zuständig.

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