Immobilieninvestoren in Großstädten: Warum steht meine Wohnung leer?
Vor anderthalb Jahren musste unser Autor aus seiner Wohnung in einem beliebten Berliner Stadtteil. Seitdem steht sie leer. Wie kann das sein?
Sie suchen eine Wohnung in Berlin oder kennen jemanden, der das tut? Dann wüsste ich was. Fünf Zimmer, Küche, Bad, 142,59 Quadratmeter im zweiten Obergeschoss. Eine hübsche Altbauwohnung, Parkettboden, Stuck, Balkon. Ich kenne die Wohnung ziemlich gut, ich habe darin einige Jahre gewohnt.
Doch das Problem ist: Die Wohnung ist gar nicht zu mieten, obwohl sie seit anderthalb Jahren leer steht. Damals mussten wir mit der WG ausziehen.
Und es ist nicht die einzige Wohnung, die in diesem Haus in Nordneukölln leer steht, es sind mindestens sechs. Eine davon schon mehr als zweieinhalb Jahre. Wie kann das sein, wo doch derzeit in Berlin so viel über fehlenden Wohnraum geklagt wird? Ist das nicht sogar illegal, weil Leerstand Zweckentfremdung ist, wie das Gesetz sagt?
Kottbusser Damm, Ecke Sanderstraße, in Wohnungsanzeigen wird die Gegend gern „Kreuzkölln“ genannt, weil das nicht nach dem Problembezirk klingt, der noch in manchen Köpfen herumspukt. Den Namen mögen nicht alle, weil sich das reichere Kreuzberg sprachlich in das ärmere Neukölln hineinfrisst. Gentrifizierung.
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Aber am Anfang ist Gentrifizierung ja toll. Altbauwohnungen, die groß sind, und trotzdem bezahlbar; Cafés, in denen man auch mal einen Tag rumhängen kann, weil es WLAN gibt zum Arbeiten; der Imbiss mit Burritos, die schmecken wie in Mexiko, nur vegetarisch. Und trotzdem können auch die noch hier leben, die hier schon immer lebten, mit ihren Schneidereien, Bäckereien und Sportbars.
Das Haus wird aufgewertet
Hier zu wohnen war ziemlich großartig. Der Edeka war gleich nebenan, wenn man eine Kneipe brauchte, hatte im Zweifel gerade eine neue aufgemacht. Bei den WG-Partys vibrierte der Boden, und es beschwerte sich niemand. Dass wir dann ausziehen mussten, war schade, aber immerhin noch formal korrekt.
Die beiden Hauptmieter zogen aus, und eigentlich sollten wir einen neuen Mietvertrag bekommen. Aber der neue Eigentümer ließ ausrichten: Nein und tschüss. Schnell war klar: Umziehen ist in Berlin ziemlich schwierig geworden. Es gibt wenige Wohnungen auf dem Markt, und wenn es sie gibt, sind sie angeblich immer „umfassend modernisiert“ und damit teuer, weil eine umfassende Modernisierung die Mietpreisbremse außer Kraft setzt.
In München, Frankfurt oder Düsseldorf mögen die Mieten noch höher sein, aber nirgendwo steigen sie so rasant wie in Berlin, wo die Menschen zudem im Schnitt weniger verdienen. Die Wohnungsfrage stellt sich wohl nirgendwo so dringend wie hier.
Frühjahr 2017. Beim Übergabetermin treffe ich die Frau von der Hausverwaltung, nennen wir sie Frau Müller, zum ersten Mal persönlich. Kurze Haare, forsch, aber freundlich, an ihrem Block klemmt ein goldener Kugelschreiber.
Warum wir jetzt doch keinen neuen Vertrag bekommen? Der neue Eigentümer wolle die Wohnung leer haben, sagt sie, was dann passiere, wisse sie nicht. Und warum steht die Wohnung unter uns schon seit einem Jahr leer, obwohl sie frisch renoviert wurde? „Wir hatten mehrere Interessenten da, aber der Eigentümer hat da andere Vorstellungen“, sagt sie. „Das waren oft WGs. WGs sind eher schwierig, da gibt es viele Umzüge.“ Es geht also um die Aufwertung des Hauses? Sie lächelt.
„Die Fenster werden auf jeden Fall gemacht“, sagt sie, „da haben wir schon Angebote eingeholt.“ Es dauere dann so zwei Monate, bis bei der Renovierung die Gewerke durch seien. Sanitär, Wände, Boden. Den Boden mache man immer am Schluss.
In den Monaten danach bin ich ab und an mit dem Fahrrad am Haus vorbeigefahren. Ein bisschen wehmütig und zunehmend wütend. Die Fenster der Wohnung wurden nicht gemacht. Auch sonst: nichts. Wurde unsere Wohnung zu einem Spekulationsobjekt?
Dass sie leer steht, ist auch den Nachbarn aufgefallen. Es sei nicht die einzige im Haus, erzählt mir einer, es würden immer mehr. Sie haben das dem Bezirksamt gemeldet, Zweckentfremdung. Passiert ist erst mal: nichts.
Empfohlener externer Inhalt
Zwei aus einer der WGs im Haus werfen Zettel in alle Briefkästen. „Wir befürchten Schlechtes“, steht darauf. “ Die Briefkastenfirma „Berlin Project-4 Property III S.à.r.l.“ dürfte eher nicht als freundlicher Hauswart auftreten. Wir müssen wohl damit rechnen, dass die neuen Eigentümer möglichst hohen Profit aus der Immobilie ziehen wollen.“
Über den Mailverteiler, den sie einrichten, schreibt jemand von seiner Angst, die Wohnung zu verlieren: „Wo soll man sich in diesem Kiez auch sonst noch was leisten können!??“ Eine andere berichtet von einer sechsköpfigen Familie, die auf die Frage, ob sie nicht in eine der größeren, leerstehenden Wohnungen umziehen könnte, nur gehört habe: Nein. „Wir müssen zusammenstehen“, schreibt einer der Bewohner.
Zusammenstehen, aber gegen wen? Über den neuen Eigentümer wissen sie nicht viel mehr, als dass er einen seltsamen Namen hat und eine Adresse in Luxemburg.
Ich muss mich eine Weile durch das Luxemburger Handelsregister klicken, bis die Firmenkonstruktion klar wird. Es sind mehrere Unternehmen registriert, die fast so heißen wie der neue Eigentümer, nur mit einer anderen Nummer, 1 bis 5, und jede hat eines oder mehrere Mietshäuser gekauft. Alle fünf Firmen gehören einer Holding, die wiederum – neben anderen Gesellschaften – einem Immobilienfonds gehört, der von einer Firma gemanagt wird, die ihren Sitz ebenso in Luxemburg hat und Büros in mehreren Städten. Eines befindet sich am Berliner Kurfürstendamm.
Dass Firmen gegründet werden, um Immobilien zu kaufen, ist ein beliebtes Vorgehen, um bei einem späteren Verkauf die Grundsteuer sparen zu können, finde ich heraus. In Luxemburg sitzen die Firmen gern, weil dort Fonds nicht so streng reguliert werden und es zudem viele Möglichkeiten gibt, weniger Steuern zu zahlen als in anderen Ländern der EU.
10 Prozent Rendite im Jahr
Der Immobilienfonds, dem unser Haus nun gehört, heißt „Optimum Evolution Fund SIF – Property III“, so steht es in den Unterlagen. Es handelt sich um einen geschlossenen Fonds: Die Kapitalgeber zeichnen einmalig Anteile, er wird dann einige Jahre bewirtschaftet, bevor die Häuser wieder verkauft werden. Er richtet sich an Großanleger, an Pensionsfonds, Versicherungskonzerne, Banken. 173 Millionen Euro Kapital hat Optimum von den Anlegern eingesammelt und etwa dieselbe Summe noch mal als Bankkredit aufgenommen. Und mit diesem Geld gingen sie dann einkaufen.
Es reichte für 30 Gebäude, die meisten in Berlin, ein bisschen Gewerbe, viele Wohnungen, 1.904 Einheiten insgesamt, gut 137.000 Quadratmeter. Optimum wolle „Vermögenswerte erwerben, bei denen wir die Kapitalrendite maximieren können“ – so heißt es auf der Webseite. Aha. Aber wie?
Dazu steht etwas in einem Geschäftsbericht: Die Miete der bestehenden Verträge soll erhöht werden und neue Mietverträge würden dazu beitragen, „den gegenwärtigen Netto-Mieteinnahmen einen Auftrieb zu verpassen und das Risiko möglicher Mietausstände zu reduzieren“.
Die Miete erhöhen, möglichst neue Mieter, den Wert der Gebäude steigern – und natürlich den Gewinn. Kapitalgeber des Fonds können eine Rendite von 10 Prozent im Jahr erwarten. Eine solche hat die Firma erreicht, als sie vor einiger Zeit den ersten Subfonds verkaufte. Optimum will auch für die eigenen Leute das Optimum herausholen: Die Fondsmanager dürfen sich auf eine Gewinnbeteiligung von 20 Prozent freuen.
„10 Prozent Rendite im Jahr sind für einen geschlossenen Immobilienfonds eine sehr hohe Erwartung“, erklärt mir der Fondsexperte Stephan Lopfinger am Telefon. „Um eine solche Wertsteigerung zu schaffen, muss ich aggressiv rangehen“, sagt er. „Wenn Sie jemanden rausekeln, der 20 Jahre dort gewohnt hat, dann haben Sie eine deutliche Wertsteigerung.“ Und aus Investorensicht mache es durchaus Sinn, ein Gebäude ganz leer zu bekommen. Dann lässt es sich komplett neu entwickeln, fast wie ein Neubau. Ist das also der Plan?
Einer der Manager der Luxemburger S.à.r.l., der nun meine alte Wohnung gehört, ist gleichzeitig der Gründer und CEO der Optimum Asset Management S.A., die den Fonds managt. Ihr Gesamtportfolio hat einen Wert von rund 1,4 Milliarden Euro. Alberto Matta heißt er, gebürtiger Italiener, wohnhaft in London. Wenn man ihn googelt, blickt einem ein freundlich wirkender Mann entgegen, mal mit gräulichem Vollbart, mal ohne.
Ich schreibe ihm eine E-Mail, in der ich die leerstehenden Wohnungen erwähne und mich erkundige, was seine Firma mit dem Haus vorhat. Ich will wissen, wie sie solch eine hohe Rendite erwirtschaften wollen, und ich frage ihn: Kümmert es Sie, was den Menschen geschieht, die in den Gebäuden im Eigentum Ihres Fonds wohnen? Oder kümmern Sie nur die Zahlen und Profit?
Nach ein paar Tagen antwortet er: „Ich bin sehr traurig von Ihren negativen Erfahrungen zu hören.“ Er verspricht, sich den Fall anzuschauen und weist darauf hin, dass das Alltagsgeschäft von einer Hausverwaltung erledigt werde, die dies „in Übereinstimmung mit den lokalen Gesetzen und Vorschriften“ tue.
Ich verabrede mich mit Frau Beck, sie wohnte genau ein Stockwerk über uns, und sie wohnt da immer noch. „Ach, damit muss ich mich gerade viel zu viel beschäftigen“, sagt sie schon am Telefon. „Ich dachte, ich habe einen gemütlichen Ruhestand. Aber klar, kommen Sie gerne vorbei.“
Inzwischen ist es Anfang Oktober. Frau Becks Wohnung ist fast genauso geschnitten wie unsere, nur das Bad ist ein bisschen kleiner und alles voller, Sofa, Sessel, Regale. Frau Beck wohnt hier allein.
Mit 69 muss sie um die Wohnung kämpfen
Sie ist in diesem Haus aufgewachsen, auf der anderen Seite des Innenhofs hat sie die ersten 20 Jahre ihres Lebens verbracht. Später, 1983, inzwischen hatte sie sich entschieden Grundschullehrerin zu werden, zog sie wieder ins Haus, für eine Monatsmiete von 522 Mark. In der Wohnung waren damals nicht einmal Türen.
Zuletzt ist ihre Miete auf 683 Euro gestiegen. Wir haben für unsere Wohnung fast doppelt so viel bezahlt. Dann bekam sie vom neuen Eigentümer Post: Sie muss jetzt rund 100 Euro mehr bezahlen. Und dann ist da noch das Problem mit den Nebenkosten, die auch plötzlich deutlich erhöht wurden. Da kümmert sich der junge Nachbar drum, er hat für viele Mieter gemeinsam Einspruch eingelegt.
„Jetzt habe ich schon Angst, dass es so eine Firma ist“, sagt sie. Eine Firma, die Mieter raus haben will. Allein der Lärm aus der Wohnung unter ihr hat sie schon genervt. Seit einer Weile sind dort Handwerker zugange, erfahre ich jetzt. Beim Mieterverein habe man ihr geraten, schon mal was anderes zu suchen. „Aber ich wüsste gar nicht, wo ich hinziehen sollte“, sagt Frau Beck leise, und man sieht ihr an, wie sie im Kopf gerade ernsthaft ein paar Möglichkeiten durchgeht.
Im Kiez gibt es nichts Vergleichbares, selbst eine deutlich kleinere Wohnung wäre teurer. Charlottenburg: wäre auch zu teuer. Spandau: keine Lust drauf. Das weitere Umland: zu provinziell. Umziehen: unmöglich. Dass sie mit 69 Jahren noch mal um ihre Wohnung kämpfen muss, hätte Frau Beck nicht gedacht.
„Angst? Ja, natürlich habe ich Angst“, sagt ein anderer Nachbar, der seit mehr als 40 Jahren im Haus wohnt. „Die sind ja kreativ.“ Aber er kennt seine Rechte.
Gern denkt er daran zurück, als es noch einen Hausmeister gab, der im Haus wohnte und zum Beispiel die Heizung gleich reparierte, wenn sie kaputt ging. Die funktioniert im Moment nämlich nicht, der Druck reicht nicht fürs oberste Stockwerk, wo die Kälte durchs schlecht isolierte Dach reinzieht. Er überlegt, ob es vielleicht Absicht ist. Mieter rausekeln. Wahrscheinlich aber liegt es schlicht daran, „dass in all den Jahren nichts investiert wurde“.
Nicht alle Investoren sind böse
Und trotzdem hat der alte Eigentümer mit dem Verkauf des Hauses richtig viel Geld gemacht, wie ich im Amtsgericht Neukölln in den Grundbuchakten nachlese. 2006 kaufte die Harel Grundstücks GmbH & Co. KG, die zu einer israelischen Immobiliengesellschaft gehört, das Gebäude für 3,3 Millionen Euro. Beim Verkauf an den Luxemburger Fonds bekam sie gut 13 Millionen Euro dafür. Der Wert hat sich in zehn Jahren vervierfacht.
Jochen Biedermann findet so etwas absurd. In seinem Büro im dritten Stock des Rathauses Neukölln gießt er sich Früchtetee ein. Um das Thema Wohnen und Mieten hatte er sich schon vorher als Bezirksverordneter der Grünen gekümmert. Seit zwei Jahren ist Biedermann als Bezirksstadtrat dafür zuständig.
Berlin-Neukölln will jetzt alle Regeln ausnutzen, die es gibt. In den so genannten Milieuschutzgebieten versucht das Bezirksamt bei jedem Verkauf zu prüfen, ob der Bezirk sein Vorkaufsrecht wahrnimmt. Die Leute, die im Kiez wohnen, sollen wohnen bleiben. Ein Kampf gegen die Gentrifizierung.
Nicht alle Investoren seien böse, sagt Biedermann. Aber kann ein Investor gut sein, der 10 Prozent Rendite machen will? Der Stadtrat lacht kurz auf. „Nein, aus meiner Sicht nein“, sagt er. „Da liegt der Verdacht nahe, dass sie nichts Gutes im Schilde führen.“
Da hat Neuköllns Mieter jetzt also einen Robin Hood im Amt, und trotzdem ist es möglich, dass Wohnungen so lange leer stehen? Die Dauer, ab wann Leerstand als Zweckentfremdung gilt, hat die rot-rot-grüne Koalition gerade erst von sechs auf drei Monate verkürzt.
Im konkreten Fall wurde ein Verfahren eingeleitet, bestätigt Biedermann. Der Eigentümer habe daraufhin Anträge auf Leerstandsgenehmigung gestellt, die abgelehnt worden. Warum hat der Prozess so lange gedauert? Zu wenig Personal, sagt Biedermann, kein Außendienst: „Es ist mühsam.“ Im April 2018 hat der Eigentümer einen Antrag auf Sanierung gestellt, der wurde zunächst abgelehnt, weil zu unkonkret.
Keine Waffengleichheit
Es sei gar nicht das Entscheidende, dass am Ende ein Bußgeld verhängt wird, sagt Biedermann. Wichtiger sei, dass die Wohnung schnellstmöglich dem Markt wieder zur Verfügung stehe. „Der Verfolgungsdruck muss so hoch werden, damit Investoren merken, sie können nicht auf Zeit spielen.“
Und wer sitzt bisher am längeren Hebel, frage ich. „Ich finde es schon oft frustrierend, weil es keine Waffengleichheit gibt“, antwortet er. Und trotzdem: Die Investoren hätten langsam verstanden, dass der Bezirk inzwischen genau hinschaut. So war es offenbar am Ende auch in meiner alten Wohnung. „Die wurden ja vom Amt angetrieben, überhaupt was zu machen“, sagt ein Handwerker, den ich zufällig treffe.
Ich erkenne sie kaum wieder. Das Parkett ist rausgerissen, auf Wänden und Türen glänzt teilweise frische Farbe, neue Stromkabel wurden verlegt. Dort, wo unser Bad war, ist jetzt nur noch Schutt und ein Abwasserfallrohr mitten im Raum. Die Wände zur Küche und zum Flur wurden eingerissen, Holzbalken ausgetauscht.
„Die vermieten die Wohnung dann bestimmt für 1.800 Euro“, sagt der Handwerker. Das wären mehr als 12 Euro pro Quadratmeter, das Doppelte der ortsüblichen Vergleichsmiete. „Das können sich doch nur so zugezogene Yuppie-Paare leisten.“ Es sieht ganz danach aus, als läute meine alte Wohnung die Phase der Gentrifizierung ein, die nicht mehr so schön ist.
Aber es dauert alles noch ein bisschen, denn der Eigentümer und das Bezirksamt streiten darüber, in welcher Größe das Bad wiederaufgebaut werden darf. Im exakt selben Grundriss, wie es der Milieuschutz eigentlich vorsieht oder doch ein bisschen größer.
Auch in der Wohnung im ersten Stock sind gerade Handwerker beschäftigt. Seltsam. 2016 war sie doch kurzzeitig auf dem Markt, für 1.368 Euro pro Monat. Ich rufe Frau Müller von der Hausverwaltung an. „Ja, die Wohnung im ersten Stock wird jetzt auch modernisiert“, sagt sie. Aber sie war doch schon renoviert worden, vor zweieinhalb Jahren? – „Die konnten wir so nicht vermieten.“ Das ist schwer vorstellbar bei der Nachfrage. Außer: Der Mietpreis wurde noch mal deutlich erhöht. Oder die Menschen, die die Wohnung gern mieten wollten, passten dem Eigentümer nicht.
15 Euro pro Quadratmeter
Aber wen will dieser Immobilienfonds haben? Und wollen solche Menschen hier überhaupt einziehen? Es ist hier ja nicht alles wie Bullerbü. Der Autolärm, der Dreck auf dem Gehweg, die Junkie-Frau, die sich im Winter manchmal ins Treppenhaus schleppte, die jungen Männer, die sich hin und wieder vor dem Spätkauf unten in Haus zofften, einmal so heftig, dass sich der Streit zu einer Massenschlägerei entwickelte, die von der Polizei beendet werden musste. Das Loch in der Fensterscheibe, weil jemand eine Katzenfutterdose dagegen geworfen hatte.
Ich fand das alles nicht so tragisch und dachte mir immer, das hilft, damit es mit der Gentrifizierung nicht zu weit geht. Aber wer 12 Euro Miete pro Quadratmeter zahlt, will womöglich nicht, dass sein Fenster mit einer Katzenfutterdose eingeworfen wird.
Der Investor müsse eher eine Durchschnittsmiete von 15 Euro ansetzen, um die gewünschte Rendite zu erzielen, rechnet Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit vor. Andernfalls sei sie höchstens zu schaffen, wenn die Verkaufspreise für Mietimmobilien weiter nach oben schnellen. „Wenn in zehn Jahren Häuser für 4.500 Euro pro Quadratmeter verkauft werden, dann klappt das mit den 10 Prozent Rendite schon eher.“
Die Gebäude, die der Optimum-Fonds aufgekauft hat, sind bis Ende 2017 schon deutlich im Wert gestiegen: um 13,8 Prozent. Diese Bewertung hat der Fonds selbst veröffentlicht. Aber ist sie realistisch?
Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten sind Immobilien in Berlin noch günstig. Bisher werden Mietwohnungen hier selten für mehr als 3.500 Euro pro Quadratmeter verkauft, sagt Trautvetter. Sollen sie teurer werden, muss der neue Eigentümer die Miete noch mehr erhöhen, um seine Rendite zu bekommen. Die Frage ist, ob es dann genügend Leute gibt, die das zahlen können. Trautvetter sieht drei Möglichkeiten: Die Löhne in Berlin steigen rapide. Es ziehen ganz viele Leute mit Geld in die Stadt. Oder: Die Investoren verlieren.
Während meine ehemaligen Nachbarn die Sorge nicht loswerden, dass am Ende doch sie die Verlierer sind und aus dem Haus gedrängt werden, hat sich CEO Alberto Matta nicht mehr gemeldet. Er hat nicht verraten, was der Fonds konkret vorhat. Für zwei der leerstehenden Wohnungen wurde bisher noch gar kein Bauantrag gestellt. Er hat auch die Frage nicht beantwortet, ob er die Menschen im Blick habe, die in seinen Häusern wohnen, oder nur den Profit.
Seine Firma Optimum Asset Management legt gerade einen neuen Immobilienfonds auf, „Optimum Evolution Fund SIF – Property IV“. 300 Millionen Euro wollen die Manager einsammeln und sich dieses Mal nicht nur in Berlin, sondern auch in Köln, Düsseldorf und Hamburg nach Gebäuden umschauen. Sie seien optimistisch, so haben sie es der Immobilien Zeitung gesagt, dass sie genügend geeignete Objekte finden werden.
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