piwik no script img

Immobilienfirma kritisiert BerichtLeipziger Unizeitung unter Druck

Eine Immobilienfirma geht gerichtlich gegen eine Leipziger Studierendenzeitung vor. Diese fürchtet wegen der möglichen Kosten nun um ihre Existenz.

Die Her­aus­ge­be­r*in­nen von luhze, der unabhängigen Leipziger Studierendenzeitung Foto: luhze.de

Die unabhängige Unizeitung in Leipzig, luhze, trifft sich am Freitag vor Gericht mit der Immobilienfirma United Capital. Diese will per einstweiliger Verfügung verbieten, dass die Studizeitung eine Reihe von Aussagen aus einem Artikel in der Dezemberausgabe wiederholt. Die Zeitung hatte in ihrer Print- und Onlineausgabe über eine Initiative von Mie­te­r*in­nen berichtet, die gegen die Immobilienfirma vorgeht. United Capital möchte in deren Wohnhaus Wohnraum zu hochpreisigen Studiwohnungen umbauen.

Die luhze hatte in dem Text mehrere Zitate von Mie­te­r*in­nen abgedruckt, in denen diese das Verhalten der United Capital ihnen gegenüber als übergriffig und sogar rechtswidrig bezeichnen. Die United Capital hält die Aussagen für falsch und geschäftsschädigend. Die Redaktion der luhze argumentiert, man habe die Aussagen der Interviewten bloß abgebildet, sie sich also nicht zu eigen gemacht.

Das Landgericht Leipzig hat in der Sache eine Anhörung für Freitag angesetzt. Falls die United Capital vor Gericht Erfolg hätte, dürften die betreffenden Aussagen in den Veröffentlichungen der luhze nicht mehr wiederholt werden, sonst droht eine Strafzahlung.

Die luhze ist eine Zeitung mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren, die während der Vorlesungszeit monatlich erscheint und an den Leipziger Hochschulen verteilt wird oder ausliegt. Die Zeitung arbeitet unabhängig von den Hochschulen, der Verein luhze e. V. finanziert sich durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und Anzeigen.

Pressefreiheit versus Persönlichkeitsrecht

Sie begreift sich außerdem als Ausbildungsbetrieb, wo angehende Jour­na­lis­t*in­nen sich ausprobieren können. Der luhze e. V. sieht die Pressefreiheit in Gefahr, „wenn von Dritten geäußerte Vorwürfe nur noch unter der Gefahr geäußert werden könnten, dass finanzstarke Unternehmen bei unliebsamer Berichterstattung potenziell existenzgefährdende Ansprüche stellen.“

Presserechtlich schützt das Zitieren Dritter nicht automatisch gegen Ansprüche von Firmen, sofern ein Gericht feststellt, dass enthaltene Behauptungen falsch und geschäftsschädigend sind. Das Gericht muss berechtigtes öffentliches Interesse beziehungsweise Pressefreiheit abwägen gegen das Persönlichkeitsrecht des Unternehmens.

Der Journalistenverband (DJV) Sachsen sieht im Verhalten der United Capital den Versuch der „Einschüchterung einer ehrenamtlich organisierten Hochschulzeitung mit kleinem finanziellen Spielraum“. DJV-Sachsen-Geschäftsführer Lars Radau sagt: „Dafür spricht das Vorgehen der United Capital. Dass die erste Unterlassungsforderung sehr kurz vor Weihnachten verschickt wurde etwa. Sowie der Streitwert, der bereits auf bis zu 50.000 Euro angesetzt wurde. Ein Betrag, der für die luhze nach eigenen Angaben existenzbedrohlich ist.“

Die United Capital weist diesen Vorwurf zurück. „Wir wollten die luhze nie verklagen“, sagt Geschäftsführer Sven Schwarzat der taz. „Wir haben uns gezwungen gesehen, weil über uns falsche Tatsachen behauptet werden und die luhze diese auf Anfrage nicht entfernen wollte.“ Bis zur Anhörung am Freitag stehe man einer außergerichtlichen Einigung offen gegenüber.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • @BOLZKOPF

    Unternehmen in den Knast!

    Sonst bin ich ziemlich gegen Knäste, aber in diesem Fall...

  • Warum jetzt schon aufregen. Erst mal schauen obe der Rechtstaat funktioniert.

  • Persönlichkeitsrecht des Unternehmens.

    Alles klar.

    • @tomás zerolo:

      Ja, die rechtliche Behandlung von Unternehmen als Personen gehört wahrscheinlich zu den größten Absurditäten dieses Rechtssystems und gleichzeitig zu den rechtlichen Voraussetzungen der Wirtschaft, in der wir leben...

      • @LesMankov:

        Aber das ist leider nur im Zivilrecht so.



        Im Strafrecht gilt eine Firma nicht als Person - und kann daher auch nicht Beschuldigte in einem Strafverfahren sein.