: Im Namendes Volkes
URTEIL Wie würde wohl ein ordentliches Gericht in dem Fall entscheiden?
Dürfen Menschen geopfert werden, um deutlich mehr Menschen zu retten? Der Bundestag hat 2004 versucht, den Fall zu klären. Die Bundeswehr erhielt damals die Befugnis, ein Flugzeug abzuschießen, wenn zu erwarten ist, dass das Luftfahrzeug gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll.
Die Politik reagierte damals auf die Anschläge vom 11. September 2001 und darauf, dass am 5. Januar 2003 ein psychisch kranker Pilot über der Frankfurter Innenstadt kreiste und drohte, sich in ein Hochhaus zu stürzen. Für solche Fälle wollte Innenminister Otto Schily (SPD) den Bundeswehrsoldaten Rechtssicherheit geben. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelung 2006 für verfassungswidrig. Der Staat dürfe die Tötung der Passagiere nicht erlauben. Dies verbiete die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat aber die strafrechtliche Entscheidung solcher Fälle ausdrücklich offengelassen.
Wie würde nun aber ein Gericht entscheiden, wenn ein Bundeswehrmajor den Abschuss eines Passagierjets befiehlt, um den Angriff auf ein Stadion zu verhindern?
Klar ist: Das Handeln des Offiziers wäre rechtswidrig. Er kann sich weder auf Notwehr (die Passagiere sind keine Angreifer) noch auf einen „rechtfertigenden Notstand“, weil eine Abwägung des Lebens nicht möglich ist, noch auf einen „entschuldigenden Notstand“ berufen, weil der Major nicht Gefahr von sich oder ihm nahestehenden Personen abwenden will. Viele Strafrechtler gehen deshalb davon aus, dass ein Gericht im Schirach-Fall wohl einen „übergesetzlichen Notstand“ annehmen würde, denn ein Unterlassen des Abschusses würde viel mehr Leben fordern. Die Rechtsfigur des übergesetzlichen Notstands ist umstritten. Bei einem solchen Notstand bliebe das Handeln rechtswidrig, der Major würde aber freigesprochen. RATH
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