Ideologiekritik als Farce: Staatsversagen zur Primetime
Der NDR dreht einen Tatort in einem linken Wohnprojekt in Hamburg und zahlt dafür Miete. „Von unseren Gebühren“, schreibt die Bild, und los geht's…

Is' klar, wer hier die Zeche zahlt: Sie! Mit Ihren Rundfunkgebühren Foto: Markus Scholz/dpa
Besonders schwer ist es nun nicht, den rechten Vulgär- und Pseudoliberalismus auf die Palme zu bringen. Weitere Aufmerksamkeit wert sind solche Erregungen darum auch nur ausgesprochen selten – aber manchmal sind sie dafür immerhin lustig. Gerade hat etwa die Bild so was wie die Musterlösung folgender Aufgabe vorgelegt: „Bringen Sie maximal viele Kleinbürger möglichst hart zum Ausrasten.“
Die Geschichte geht so: Ein Hamburger „Tatort“ wird von wegen Authentizität in einem linken Wohnprojekt gedreht und die Produktionsfirma zahlt dafür Miete. „3.000 Euro für linke Extremisten“ titelt daraufhin die Bild und legt noch nach: „Von unseren Gebühren“.
Es ist ein bisschen eklig, lohnt aber, dieser Ressentimentjonglage einen Moment zu folgen. Als Fürsprecher des verkürzten, aber „gesunden Menschenverstandes“ drängte Wolfgang K. (Name der Redaktion bekannt) aus Schleswig-Holstein in die Zeitung.
„Dass die ‚Tatort‘-Crew einen authentischen Drehort aussucht, halte ich nicht für einen Skandal“, räumt dieser stellvertretende Bundesvorsitzende einer liberalen Kleinpartei mit F ein: „Bemerkenswert ist aber, dass die angeblich antikapitalistische Linke Geld vom Klassenfeind für eine Gegenleistung annimmt.“ Das ist richtig, Wolle, touché!
Und wissen Sie was? Das GoMokry* gehört auch noch dem Mietshäusersyndikat, wo man schamlos Direktkredite als Eigenkapitalersatz einwirbt, Vereine gründet und sogar Wohnraum vermietet! An sich selbst!
Flankiert wird K.s ideologiekritischer Aufschlag von der eher literaturwissenschaftlich angefütterten Medienanalyse des Vorsitzenden der Hamburger Gewerkschaft der Polizei: „Es ist skurril“, sagt Horst Niens zur Bild, „dass die Erlöse aus einer polizeilichen Serie als Honorare für Anwälte genutzt werden, um sich gegen die Polizei zu vertreten. Das finde ich schon ziemlich heftig.“ Heftig, in der Tat, und fast schon dialektisch, dieser Parforceritt durch Rechtsstaat, Staats-TV und TV-Kritik.
Ideologiekritik als Farce: Staatsversagen zur Primetime
Der NDR dreht einen Tatort in einem linken Wohnprojekt in Hamburg und zahlt dafür Miete. „Von unseren Gebühren“, schreibt die Bild, und los geht's…
Is' klar, wer hier die Zeche zahlt: Sie! Mit Ihren Rundfunkgebühren Foto: Markus Scholz/dpa
Besonders schwer ist es nun nicht, den rechten Vulgär- und Pseudoliberalismus auf die Palme zu bringen. Weitere Aufmerksamkeit wert sind solche Erregungen darum auch nur ausgesprochen selten – aber manchmal sind sie dafür immerhin lustig. Gerade hat etwa die Bild so was wie die Musterlösung folgender Aufgabe vorgelegt: „Bringen Sie maximal viele Kleinbürger möglichst hart zum Ausrasten.“
Die Geschichte geht so: Ein Hamburger „Tatort“ wird von wegen Authentizität in einem linken Wohnprojekt gedreht und die Produktionsfirma zahlt dafür Miete. „3.000 Euro für linke Extremisten“ titelt daraufhin die Bild und legt noch nach: „Von unseren Gebühren“.
Es ist ein bisschen eklig, lohnt aber, dieser Ressentimentjonglage einen Moment zu folgen. Als Fürsprecher des verkürzten, aber „gesunden Menschenverstandes“ drängte Wolfgang K. (Name der Redaktion bekannt) aus Schleswig-Holstein in die Zeitung.
„Dass die ‚Tatort‘-Crew einen authentischen Drehort aussucht, halte ich nicht für einen Skandal“, räumt dieser stellvertretende Bundesvorsitzende einer liberalen Kleinpartei mit F ein: „Bemerkenswert ist aber, dass die angeblich antikapitalistische Linke Geld vom Klassenfeind für eine Gegenleistung annimmt.“ Das ist richtig, Wolle, touché!
Und wissen Sie was? Das GoMokry* gehört auch noch dem Mietshäusersyndikat, wo man schamlos Direktkredite als Eigenkapitalersatz einwirbt, Vereine gründet und sogar Wohnraum vermietet! An sich selbst!
Flankiert wird K.s ideologiekritischer Aufschlag von der eher literaturwissenschaftlich angefütterten Medienanalyse des Vorsitzenden der Hamburger Gewerkschaft der Polizei: „Es ist skurril“, sagt Horst Niens zur Bild, „dass die Erlöse aus einer polizeilichen Serie als Honorare für Anwälte genutzt werden, um sich gegen die Polizei zu vertreten. Das finde ich schon ziemlich heftig.“ Heftig, in der Tat, und fast schon dialektisch, dieser Parforceritt durch Rechtsstaat, Staats-TV und TV-Kritik.
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Kommentar von
Jan-Paul Koopmann
Redakteur und CvD
Jahrgang 1982, schreibt aus dem Bremer Hinterland über Kultur und Gesellschaft mit Schwerpunkten auf Theater, Pop & schlechter Laune.
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Jan-Paul Koopmann
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