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Ideenwettbewerb Tempelhofer FeldMisstrauen ist angebracht

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Die leere Weite in der Mitte Berlins weckt, so unbebaut, wieder mal Begehrlichkeiten. Gerade ist ein Ideenwettbewerb zum Tempelhofer Feld gestartet.

Immer wieder droht was auf dem Tempelhofer Feld Foto: Monika Skolimowska/picture alliance/dpa

D er Berliner Senat will die Bebauung des Tempelhofer Feldes trotz aller Widerstände voranbringen. Gut 10 Jahre nach dem Erfolg des Volksentscheids, der jegliche Bebauung per Gesetz untersagte, startete am Mittwoch ein neuer Ideenwettbewerb. Renommierte Landschafts- und Architekturbüros sollen Entwürfe entwickeln, die den Ber­li­ne­r:in­nen zumindest eine teilweise Bebauung des Rollfelds des ehemaligen Flughafens schmackhaft machen sollen.

Der Senat argumentiert, die sich verschärfende Wohnungsnot hätte die Rahmenbedingungen verändert, heute sei bestimmt eine Mehrheit der Haupt­städ­te­r:in­nen für eine Bebauung. Eine fragliche Argumentation, denn am grundlegenden Problem hat sich nichts verändert: Die Motivation des Senats sind kapitalistische Verwertungsinteressen, und nicht das Allgemeinwohl.

Dabei wurde auch in den beiden Dialogwerkstätten, die der Senat im Vorfeld des Ideenwettbewerbs mit zufällig ausgewählten Bürgern veranstaltete, klar: Das Feld soll so bleiben, wie es ist.

Die Debatte über die Bebauung des Tempelhofer Felds mag dabei gerade für Nicht­ber­li­ne­r:in­nen etwas absurd anmuten. Denn was könnte eine Großstadt wie Berlin mit einer zentral gelegenen 300-Hektar-Freifläche alles anstellen: dringend benötigter sozialer Wohnraum, eine öffentliche Bibliothek, ein Park, Wald oder gar See. An Gestaltungsideen für das Tempelhofer Feld mangelt es seit der Einstellung des Flugbetriebs 2008 nicht.

Klare Mehrheit gegen eine Bebauung

Doch die Ber­li­ne­r:in­nen entschieden sich, lieber (fast) nichts zu tun. Im Jahr 2014 stimmte eine klare Mehrheit im Volksentscheid gegen jegliche Bebauung. Objektiv betrachtet überzeugen nur wenige Argumente für einen hundertprozentigen Erhalt der leeren Fläche. So wird die stadtklimatische Bedeutung des Feldes überschätzt. Der Klimatologe Dieter Scherer berechnete, dass der Kühlungseffekt nur die angrenzenden Wohnungsgebiete erreiche, nach wenigen hunderten Meter aber kaum noch einen Effekt habe. Stadtklimatisch sinnvoller wäre es, kleinere, über die Stadt verteilte Grünflächen neu zu schaffen – oder auf Nachverdichtung zu verzichten.

Be­für­wor­te­r:in­nen betonen an dieser Stelle gerne den subjektiven Wert des ehemaligen Flughafengeländes, den freien Blick, den frischen Wind, die malerischen Sonnenuntergänge. Doch mal ehrlich, sind ein paar betonierte Rollbahnen und 300 Hektar Wiese, die kaum Schatten bieten, wirklich das Nonplusultra der Naherholung?

Angesichts knapper Kassen in Berlin gehört allerdings nicht viel Fantasie dazu, dass aus den versprochenen Sozialwohnungen überteuerte Luxuswohnungen werden. Wer kann versichern, dass aus einem Park nicht mal ein privater Golfplatz wird?

Die Stadtentwicklungspolitik des Nachwendeberlins folgte bislang immer dem Muster, öffentliche Flächen an private Investoren zu verscherbeln. So ist das ehemals pulsierende kulturelle Leben am Spreeufer längst gesichtslosen Bürobauten gewichen. Warum sollte es beim Tempelhofer Feld anders sein?

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Schwer vorstellbar ist es auch, dass auf die Bebauung von Pankower Innenhöfen verzichtet wird, weil auf dem Tempelhofer Feld Wohnungen entstehen. Es wird beides passieren, weil jede bebaubare Fläche in dieser Stadt eine Profitmöglichkeit ist.

Was auch immer als Siegerentwurf aus dem Ideenwettbewerb hervorgehen wird, mag zwar auf dem Papier gut klingen. Doch jede Bebauung hätte zur Folge, die Fläche in für die Immobilienbranche verwertbare Grundstücke aufzuteilen. Wenn das Tempelhofer Feld ein Ort für die Allgemeinheit bleiben soll, führt so leider kein Weg am Erhalt des Status quo vorbei.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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5 Kommentare

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  • Dass sich eine chronisch überschuldete Stadt eine innerstädtische Steppe in der Größe eines Flugfeldes leistet, ist nicht nur für Auswärtige schwer nachzuvollziehen.

    Vielleicht sollten sich Bürgerinitiativen nicht auf kategorische Ablehnung beschränken, sondern Veränderung aktiv mitgestalten, und dabei dafür sorgen, dass wirklich ein breites Spektrum an Bürgern einbezogen wird, nicht nur jene, die einem ideologisch in den Kram passen. Das hat den Vorteil, dass man vielfältigere Ideen erhält.

    Wenn man nicht möchte, dass Baugrund verscherbelt wird, gibt es u.a. die Möglichkeit der Erbpacht oder Genossenschaften. Zu sagen, besser gar nichts ändern, damit nicht Investoren den Reibach machen, entspricht ein wenig der Haltung, eine Wohnung besser gar nicht zu vermieten, damit man nicht an einen Mietnomaden gerät.

    Der Grund, dass der Bürgerentscheid damals für den Erhalt des Status Quo ausfiel, dürfte auch nicht darin liegen, dass die Bewohner dieser vollkommen verdreckten und vermüllten Stadt für romantische Sonnenuntergänge regelmäßig quer durch die Stadt fahren, sondern weil viele Menschen tendenziell gegen Veränderung sind, und damit arbeitete die Bürgerinitiative auch.

  • In Anbetracht der Tatsache, dass die Bevölkerung Berlins seit 1990 um lediglich 10% zugenommen hat und gleichzeitig extrem viele Brachen zugebaut wurden, zeigt, dass das Wohnungsproblem NICHT durch Bauen gelöst wird.

  • "Die Motivation des Senats sind kapitalistische Verwertungsinteressen"



    Na dann. Wenn es gegen den Klassenfeind geht, müssen halt auch die eigenen Leute mal leiden. Wer braucht schon Wohnraum, wenn man stattdessen gegen "kapitalistische Verwertungsinteressen" sein kann?



    Wobei auch beides geht. Wer hat denn über das Brachliegen des Tempelhofer Feldes abgestimmt?



    Menschen, die in der Gegend bereits Wohnraum haben, oder Menschen, die gerne nach Berlin ziehen würden und gerne Wohnraum hätten?



    Klar, wer da bereits wohnt findet es natürlich schön, so eine Freifläche vor der Tür zu haben. Da schlägt das persönliche Eigeninteresse das Algemeinwohl.



    Da das aber das eigene, edle Selbstbild beschädigen würde, flüchtet man sich in Rechtfertigungen. Man macht das ja nur gegen den Kapitalismus. Schon klar...

    • @Desdur Nahe:

      "Wer hat denn über das Brachliegen des Tempelhofer Feldes abgestimmt? Menschen, die in der Gegend bereits Wohnraum haben, oder Menschen, die gerne nach Berlin ziehen würden und gerne Wohnraum hätten?"



      Ähm, alle Berliner waren stimmberechtigt, nicht nur die wenigen mit Balkonblick. Die Bebauung des Feldes mit dem Allgemeinwohl gleichzusetzen ist komplett Banane. Im Gegenteil zeigen etliche Projekte wie schwierig es ist bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt zu schaffen. Und die Erkenntnis, dass (durch den Senat geförderte) Profitinteressen dabei eine Rolle spielen ist auf fast jeder der Baustellen im Kiez zu sehen. Hochpreisige Wohnungen oder Büros. Aber sicher verzichtet die Immobilienwirtschaft auf dem Feld ganz freiwillig auf die Knete! Fürs Allgemeinwohl nämlich!



      Wien ist und bleibt das beste Beispiel dafür, wie es besser laufen könnte (und müsste).

  • Ach ja, die Berliner: mehr Wohnungsbau in den Stadtgrenzen, günstiger Wohnungsbau. Aber das Tempelhofer Feld muss unbebaut bleiben.



    Das Wunschdenken gekoppelt mit der Gewissheit, dass Berlinern mehr zusteht als Anderen wird nie verschwinden…