piwik no script img

IT-Branche in der UkraineDas karpatische Silicon Valley

Viele ukrainische IT-Fachkräfte sind wegen des Krieges gezwungen, in den Westen des Landes zu fliehen. Insbesondere Charkiw hat viele IT-ler:innen verloren.

Der Krieg hat viele Arbeitsplätze in der IT-Branche vernichtet Foto: getty images

taz | Einer der Wirtschaftszweige, der auch im Krieg nur wenige Einbußen erlebt, ist die ukrainische IT-Branche. Die 300.000 IT-ler:innen verdienen im Schnitt 3.000 Euro im Monat und damit fast das Zehnfache des ukrainischen Durchschnittslohns. Die Branche, die als einzige in der Pandemie sogar um über 30 Prozent zugelegt hat, ist für die ukrainische Wirtschaft von unschätzbarem Wert. Allein 2021 flossen über sechs Milliarden Euro von ihr in den Haushalt des Landes.

Die meisten Aufträge für die ukrainische Softwarebranche kommen aus dem Ausland. Hiervon landen laut dem Fachmagazin highload.today 70 Prozent der Einnahmen als harte Währung im Land, die als besonders stabil gilt. Den IT-ler:innen kommt auch zugute, dass sie von überall aus arbeiten können. 60 Prozent, so das ukrainische Portal ubr.ua, haben seit Beginn des Kriegs ihre Wohnorte verlassen und sind in sicherere Orte umgezogen. Und da in der Ukraine Männer zwischen 18 und 60 Jahren derzeit das Land nicht verlassen dürfen, sind die meisten von ihnen im Land geblieben und in ruhigere Gebiete in der Westukraine gezogen.

Einer, der darin eine Chance sah, ist Viktor Mikita, Vorsitzender des Bezirksrates von Transkarpatien. Er bot IT-Fachleuten und Softwarefirmen eine neue Bleibe in den Karpaten an und versprach Unterstützung bei der Suche nach Wohnungen und Büroräumen. Und wichtiger noch: Er stellte ihnen eine vorübergehende Befreiung vom Kriegsdienst in Aussicht, wenn sie sich in Transkarpatien niederließen.

25.000 Softwarefachkräfte aus der Ost- und Zentralukraine haben sich inzwischen in Transkarpatien niedergelassen. Nur im Gebiet Lwiw leben mehr IT-ler:innen, derzeit zwischen 70.000 und 100.000, schätzt Stepan Veselovsky, Leiter des Lwiwer „IT-Clusters“, einer Vereinigung von Programmierern und Softwarefirmen. Das ist ein Drittel der gesamten ukrainischen IT-Szene.

Charkiw verliert IT-ler:innen

Insbesondere Charkiw, das ukrainische Silicon Valley, hat viele IT-ler:innen verloren. 500 IT-Firmen und 45.000 Softwarefachleute hatten vor dem russischen Angriff dort gelebt und gearbeitet. Auch landesweit gibt es Stimmen, die gegen eine Einberufung von IT-ler:innen zum Militär sind, der bekannteste Gegner derartiger Mobilisierungen ist Mychajlo Fedorow, derzeit Minister für digitale Transformation.

Doch auch die IT-Branche macht wegen des Krieges Verluste. Wla­dyslaw Sawtschenko, Präsident der „Europäischen Vereinigung für Softwaretechnik“, beklagte sich kürzlich über wegbrechende Aufträge aus dem Ausland. Viele Kunden scheuen sich, Aufträge in ein Land zu vergeben, in dem Krieg herrsche, so Sawtschenko. Große ausländische Auftraggeber würden auf Angebote nicht reagieren, wenn sie einen ukrainischen Namen im Angebot lesen. Und eine deutsche Firma habe geantwortet, man wolle erst nach Ende des Krieges wieder Aufträge vergeben, so der Präsident.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ist das jetzt ein "Solidarität mit IT-lern" Bericht, oder was?