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IS konkurriert mit al-QaidaDschihad's next Top-Terrorist

Unter den Dschihadisten tobt ein Konkurrenzkampf. IS und al-Qaida brauchen „prestigeträchtige“ Terrorziele, um sich zu profilieren.

Der „IS“ hat al-Qaida mittlerweile den Rang abgelaufen. Hier Osama bin Laden und Ayman al-Zawahri 2001. Bild: reuters

BERLIN taz | Auf einer Säule brennt die Statue eines römischen Soldaten. Im Hintergrund: das Kolosseum. Dann wird die schwarze Fahne der radikalen Islamisten gehisst. Der neueste Propaganda-Clip der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) kündigt die Eroberung Roms an und sieht wie eine Kreuzung aus Videospiel und Größenwahn aus. Die Bildsprache ist lächerlich und pathetisch. Doch mit dem Vormarsch der IS-Terrormilizen in Nordafrika und den jüngsten Anschlägen in Frankreich und Dänemark bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Die Bedrohung ist zu real geworden.

Unter den Islamisten ist ein erbitterter Konkurrenzkampf ausgebrochen, in dem Europa eine zentrale Rolle spielt. Wer führt den Dschihad in Zukunft an? Wer sind die wahren Erben des Al-Qaida-Gründers Osama Bin Laden? Der IS – ursprünglich eine Abspaltung des Netzwerks – macht al-Qaida die Vormachtstellung streitig. Er sieht sich als al-Qaida in cooler, besser und erfolgreicher. Die irgendwo im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet herumvagabundierende Qaida-Führung kämpft dagegen an, von einer noch brutaleren Abzweigung in den Schatten gestellt zu werden.

Beide brauchen „prestigeträchtige“ Terroranschläge, um sich zu behaupten, am besten solche mit einer Schockwelle wie am 11. September. Die Morde in der Redaktion von Charlie Hebdo haben einen solchen Schock ausgelöst. Der Punkt ging an al-Qaida, denn die beiden Attentäter wurden offenbar in Jemen ausgebildet. Der Al-Qaida-Zweig auf der Arabischen Halbinsel (Aqim) ist einer der aktivsten und gefährlichsten in der islamischen Welt.

Der IS reagiert auf Paris nicht nur mit der Propaganda-Video-Attacke auf Rom. Auch die Angriffe des IS in Ägypten und auf Ägypter sind hochsymbolisch. Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri ist Ägypter. Er hat sich jedoch für den internationalen Dschihad entschieden und die „Befreiung“ seines Heimatlandes hintangestellt. Und nun kommt der IS daher, dem es schon jetzt gelungen ist, die ägyptische Regierung in den Krieg hineinzuziehen. Der Punkt geht an den IS.

Bald auch in Deutschland?

Und es geht noch weiter: Festgesetzt haben sich die IS-Milizen jedoch nicht nur in Libyen. Auf der Sinai-Halbinsel hat eine Gruppe extremistischer Islamisten bereits im vergangenen Jahr dem IS die Treue geschworen. Der Sinai liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Israel.

In Europa kursiert die Befürchtung, dass sich Dschihadisten über die Flüchtlingsrouten nach Europa einschleusen könnten. Doch viele radikalisierte Islamisten leben bereits in Europa oder können aus Syrien oder Irak unbehelligt zurückkehren. Man kann davon ausgehen, dass die europäischen Geheimdienste nicht alle IS-Kämpfer kennen. Wer sich nicht gerade bei einer Enthauptung filmen lässt, könnte auch von einer Pauschalreise in die Türkei zurückkehren.

Dass die deutschen Nachrichtendienste auf die sprunghaft gestiegene Anschlagsgefahr schlecht vorbereitet seien, haben Terrorexperten seit dem Sommer 2014 immer wieder bemängelt. Große Anschläge in Deutschland hat es bisher nur aus zwei Gründen nicht gegeben: Entweder die Attentäter waren zu dämlich, den Sprengstoff zur Explosion zu bringen, wie die Kofferbomber 2006. Oder es lagen Informationen ausländischer Geheimdienste vor, so dass das Schlimmste verhindert werden konnte wie bei der Sauerlandgruppe 2007.

Für die Dschihadisten im Kampf um das Erbe Bin Ladens ist entscheidend, dass ihre Anschlagsziele den Westen erstarren lassen. Sie werden sich auch die Schwachstellen in Europa suchen. Erkennbar ist in Deutschland bisher nicht, dass versucht wird, Sicherheitslücken zu schließen und die Nachrichtendienste für die anstehenden Bedrohungen effektiv zu rüsten. Erkennbar ist nur, dass es nicht reicht, ein paar Pässe einzuziehen und zu hoffen, dass es der NSA auffällt, wenn sich etwas Verdächtiges zusammenbraut.

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3 Kommentare

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  • Frag mich gerade warum in diesem Zusammenhang nicht angedacht wird, dass diese Anschläge nichts anderes sind, als die ehemals schön fernen Kriege von denen einzelne Angriffe nicht dort sondern hier stattfinden. Ein Anschlag der hier auf z.B. Juden verübt wird, ist also nichts anderes als ein Anschlag in Israel. Der Rest ergibt sich daraus, es geht also um nichts anderes als den Krieg in Feindesland zu tragen, vielleicht einfach eine Folge von Stellvertreterkriegen. Es soll wohl die Akteure treffen und klassisch nach Auge um Auge und Zahn um Zahn, auch gerade die Zivilbevölkerung um den Horror klar zu machen der in anderen Ländern tobt. Vielleicht sollte man sich das Ganze wie Funkenflug vorstellen, von Bränden die eigentlich besser gelöscht gehören als befeuert, wobei mir auch nicht klar ist, wie diese ewigen Feuer am besten zu behandeln wären, außer dass es die einzelnen Parteien einfach mal gemeinsam lassen... Sonst wird man sich wohl eingestehen müssen, dass es so bleibt wie es ist und die "Menschheit" weiterhin begleiten wird.

    Sonst noch die Anmerkung: Ich fände es auch lustiger, wenn Geheimdienste wenn auch nicht ihre Arbeit so doch ihre Erkenntnisse komplett öffentlich machen würden und man sicher sein könnte, das diese nicht manipuliert sind. Aber das widerspricht wohl dem Sinn und Zweck von Arbeit im Schatten die nur einem erlauchten Kreis das Wissen über die wahren Zustände zubilligt. Aber denken wie es wohl läuft kann man sich ja wenigstens noch, auch wenn man dann nur ständig das selbe denkt und sagt...

  • Das ist hier ein freies Land und soll auch so bleiben. Wie bitte würden Sie die

    "Schwachstellen" schliessen ? Rasterfahndungen ? Strassensperren ? Absagen von Grossveranstaltungen ? Den bisher häufigsten Tätertyp, den im Land aufgewachsenen muslimischen Loser, werden Sie damit nicht verhindern können.

    • @PeterPahn:

      Hm... Der gute alte amerikanische Amoklauf, nur dass die Beschaffung von Waffen und "Ausbildung" nicht vor Ort geschehen kann und per Outsourcing in sog. Terrorcamps stattfindet? Vielleicht steckt doch noch etwas mehr Zusammenhang dahinter und es sind gar nicht alles "Loser". Wobei ich jetzt nicht damit aussagen möchte, dass ich Verständnis oder Rechtfertigung für die Ausübung von dieser Gewalt in irgend einer Form aufbringe... Hirnkrank ist es in meiner Welt so oder so...