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IM IRAK VERHELFEN DIE USA DENEN ZUR MACHT, DIE SIE SONST BEKÄMPFENGrößtmögliches Desaster

Kein Tag im Irak vergeht, ohne dass irgendwo eine Bombe hochgeht, ein Selbstmordattentäter sich in die Luft sprengt oder gezielte Angriffe auf Militär- oder andere Transportkonvois stattfinden. Das Land befindet sich de facto im Krieg, auch wenn die allermeisten Opfer mittlerweile irakische Zivilisten sind. In dieser Situation eine Wahl durchführen zu wollen, ist schon an sich ein Unding. Allein der Gang zu einem Wahllokal dient nicht in erster Linie dazu, seine Stimme einer bestimmten politischen Gruppierung abzugeben, sondern ist eine Demonstration für oder gegen die Besatzungsmacht.

So wird es ja mittlerweile auch in Washington verstanden. Längst geht es nicht mehr darum, der irakischen Bevölkerung erstmals in ihrer Geschichte die Möglichkeit einer freien Wahl zu geben. Statt den Urnengang zu verschieben, bis die Voraussetzungen für eine demokratische Wahl gegeben sind, muss die Besatzungsmacht Stärke demonstrieren.

Deshalb geht es dann auch nur noch in zweiter Linie um den Wahlausgang. Zurzeit existiert im Irak keine relevante Partei, die sich politisch, also über die ethnischen Grenzen hinweg, definiert. Gewählt werden Führungen innerhalb der ethnischen Gruppen, wobei die Sunniten bereits angekündigt haben, sich nicht beteiligen zu wollen, und die Kurden schon seit langem durchblicken lassen, dass sie sich einer schiitischen Führung nicht unterordnen werden. Die Wahl wird also die ethnische Spaltung des Landes weiter vertiefen. Sie wird stattfinden, weil Bush „den Terroristen“ nicht nachgeben will und die größte ethnische Gruppe des Landes, die Schiiten, nach jahrzehntelanger Unterdrückung nun nicht länger darauf warten will, ihre numerische Mehrheit auch in politische und wirtschaftliche Macht umzusetzen.

Für die USA könnte das Desaster kaum größer sein: Sie haben im Irak keines ihrer Ziele erreicht, sondern den Tod von über hunderttausend Menschen direkt oder indirekt verursacht und zuletzt diejenigen an die Macht gebracht, gegen die sie im Iran seit 25 Jahren vergeblich ankämpfen.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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