IGH-Gutachten zur Hilfe für Gaza: Der Maßstab, den wir brauchen
Israel ist als Besatzungsmacht für die Bevölkerung in Gaza verantwortlich – urteilt der Gerichtshof. Aber das Land hat seine Pflicht nicht erfüllt.
D er Internationale Gerichtshof (IGH) hat festgestellt, dass Israel als Besatzungsmacht in Gaza für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung voll verantwortlich ist und seine Pflichten nicht erfüllt hat. Israel darf das Aushungern der Bevölkerung nicht als Kriegsmethode nutzen, so der IGH. Der UN-Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass Israel mit dem UN-Palästinenser-Hilfswerk (UNRWA) zusammenarbeiten muss und dass es keine Beweise gibt, dass das Hilfswerk ein Instrument der Hamas ist.
Dieses Gutachten im Auftrag der UN-Generalversammlung hat die jüngsten Entwicklungen noch nicht berücksichtigt, insbesondere die Wiederzulassung massiver Hilfslieferungen nach der Freilassung der Geiseln durch die Hamas-Terroristen. Das Gutachten bleibt aber leider schon deshalb relevant, weil niemand weiß, ob die Waffenruhe bald wieder bricht. Jetzt gibt es aber immerhin einen international anerkannten Maßstab, an dem sich dann alle orientieren können, die das Völkerrecht noch respektieren.
Ein IGH-Gutachten ist allerdings ein Zwitter. Es stellt zwar die internationale Rechtslage fest, ist aber nicht verbindlich. Wenn Israel das Gutachten ignoriert und auch in der nächsten Zuspitzung des Konflikts die Gaza-Bevölkerung hungern lässt, verletzt es zwar Völkerrecht, aber nicht seine Verpflichtungen gegenüber dem IGH.

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Es ist aber nicht die fehlende Verbindlichkeit des Gutachtens, die seine Wirksamkeit einschränkt. Grund hierfür ist vor allem die Ignoranz Israels, die routinemäßig alle internationalen Stimmen, die nicht auf seiner Linie liegen, als antiisraelisch und antisemitisch denunziert, um sich jeder Kritik und jeder Verantwortlichkeit zu entziehen. Israel hat auch verbindliche IGH-Richtersprüche zu Gaza ignoriert.
Politisch wirksam könnte das Gutachten nur sein, wenn sich US-Präsident Donald Trump den Maßstab zu eigen machen würde. Doch damit ist nicht zu rechnen. Trump will sich nicht nach Gerichten richten. Er will, dass sich Gerichte nach ihm richten. Den IGH scheint er dabei sogar für irrelevant zu halten. Er hat die IGH-Richter noch nicht einmal mit Sanktionen belegt.
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