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Hysterie wegen invasiver ArtenDie asiatische Hornisse ist halb so wild

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

Auch in Norddeutschland breitet sich das Insekt aus, wie ein Meldeportal zeigt. Die Bekämpfungspflicht wird voraussichtlich 2025 aufgehoben.

Schädlichkeit nicht nachgewiesen: asiatische Hornissen beim Nestbau Foto: Boris Roessler/dpa

D as Insekt, das sich mit letzter Kraft über den Asphalt in Tarmstedt bei Bremen schleppt, habe ich noch nie gesehen. Es ähnelt ganz entfernt einer Hornisse, ist aber etwas kleiner, und nicht braun-gelb, sondern schwarz, mit einem auffälligen orangenen Streifen am Hinterleib. „Vielleicht eine asiatische Hornisse“, sagt mein Begleiter, „eine invasive Art“.

Nie gehört, ich habe irgendwann zwischen Nilgans, Nutria und Tigermücke aufgehört, die vielen Artikel über invasive Arten zu lesen. Als invasiv werden Arten bezeichnet, die als schädlich für die Biodiversität, die menschliche Gesundheit oder die (Land-)Wirtschaft gelten. 88 Pflanzen- und Tierarten hat die Europäische Union so eingestuft, davon kommen mindestens 46 in Deutschland vor. Das sind 4,5 Prozent aller seit 1492 hierzulande neu eingewanderten Arten.

Die Berichterstattung hat häufig einen merkwürdigen Zungenschlag. Da bedroht „das Fremde“ „die Einheimischen“, und letztere sind natürlich die Guten, auch wenn sie vielleicht selbst nicht seit dem Urknall in einer Region leben und ihrerseits in anderen Teilen der Welt großen Schaden anrichten können. Mal abgesehen davon, dass der sich überall ausbreitende Mensch die größte Gefahr für die Biodiversität ist.

Invasive Arten würden „als Sündenbock benutzt, als Ablenkung von allem, was der Artenvielfalt wirklich schadet: ­Glyphosat und Flächenversiegelung, intensive Forst- und Landwirtschaft, Torf­abbau“, schreibt die Journalistin Sigrid Tinz in ihrem Artenschutz-Blog auf Instagram. Zudem etabliere sich „rechte Wortwahl im Alltagssprachgebrauch: Ausmerzen, Ausrotten, Überfremdung, Verdrängung, fremde Arten, die unsere Heimat ‚überwuchern‘“.

Kein Nachweis für Schädlichkeit

Und dann sind die invasiven Arten nicht immer die alles vernichtenden Monster, als die sie oft von Jour­na­lis­t:in­nen oder Lobbygruppen wie Land­wir­t:in­nen und Jä­ge­r:in­nen beschrieben werden. Die aus Nordafrika stammende Nilgans zum Beispiel soll besonders aggressiv gegenüber anderen Wasservögeln sein, lässt sich aber in friedlicher Ko-Existenz mit Stockenten und Teichhühnern in Parkanlagen beobachten. „Neueste Studien sprechen eher dafür, dass sich Nilgänse ohne nachweisbare negative Effekte auf andere Arten in neuen Gebieten ansiedeln“, schreibt etwa der ­Naturschutzbund Deutschland auf seiner Homepage.

Auch bei der asiatischen Hornisse, die sich seit 2004 in Europa ausbreitet, fehle es an fundierten wissenschaftlichen Nachweisen für ihre Schädlichkeit, erklärt Kai Schütte von der Hamburger Umweltbehörde. So stünden Honigbienen zwar auf deren Speisezettel, aber nicht vorrangig, zudem könnten Im­ke­r:in­nen Schutzvorkehrungen ergreifen.

Kai Schütte arbeitet im Referat für Arten-, Biotopschutz und Eingriffsregelung als Experte für invasive Arten und bearbeitet dort unter anderem eingehende Meldungen aus Norddeutschland über Sichtungen der asiatischen Hornisse. Auf www.Ahlert-Nord.de können Bür­ge­r:in­nen Fotos einschicken, wenn sie ein oder mehrere Exemplare entdeckt haben. Es gebe sehr viele Falschmeldungen, sagt Kai Schütte.

Bei dem Tier aus Tarmstedt handele es sich tatsächlich um eine asiatische Hornisse, sehr wahrscheinlich ein Männchen, das erkenne er als langjähriger Insektenforscher an den Fühlern. Weil die Drohnen nicht zu den Nestern zurückfliegen, sei eine Suche nach einem Nest mit dieser einzelnen Sichtung nicht erfolgversprechend.

Die asiatische Hornisse

Das Hauptverbreitungsgebiet von Vespa velutina nigrithorax liegt derzeit in Südwestdeutschland entlang von Rhein, Mosel und Main.

In Niedersachsen sind laut Naturschutzbehörde in diesem Jahr 90 bestätigte Meldungen eingegangen, die meisten aus dem Süden und Westen.

Auch in Hamburg und Bremen wurde sie schon nachgewiesen.

Zudem würde eine Nestentfernung so spät im Jahr nichts bringen, schreibt die von ihm informierte zuständige Naturschutzbehörde in Niedersachsen, die neuen Königinnen seien längst ausgeflogen.

Ohnehin wird die Bekämpfungspflicht in Deutschland vermutlich zum 1. Januar 2025 aufgehoben. „Die asiatische Hornisse ist längst etabliert und wir können ihre Ausbreitung nur noch verlangsamen“, sagt Schütte. Es werde sich zeigen, welche Managementmaßnahmen sinnvoll sind. So könnten im Fall einer akuten Gefahr Nester entfernt werden, etwa wenn sich eins auf einem Schulhof befindet. Derzeit laufen in mehreren Bundesländern Verfahren, um die Öffentlichkeit an den Plänen zum Umgang mit der neuen Art zu beteiligen.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; Systemische Beraterin.
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6 Kommentare

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  • Fortsetzung:

    "Ohnehin wird die Bekämpfungspflicht in Deutschland vermutlich zum 1. Januar 2025 aufgehoben. "



    WARUM???? Das spart öffentliche Kosten. Ab dann müssen die Kosten für eine Nestentfernung von der Privatperson übernommen werden, auf deren Grundstück das Nest ist.

    Ich bin als aktiver Umweltschützer und Bienenhalter (KEIN Imker!!!) gnadenlos von diesem Artikel enttäuscht. Ob ich mir die taz nochmal kaufe? Wohl kaum. Dieser Artikel fundiert auf unzureichender Recherche, Falschinformation und politischer Inkompetenz. Eigentlich hatte ich mich bisher als "links" eingruppiert - wenn ich diesem Artikel glauben würde, wäre ich ein Rechtsradikaler.

    Leute, Leute - so eine Blamage!!!!

  • Sorry - aber in diesem Artikel ist kaum etwas richtig. Wie kann man Gefährdungen der regionalen Flora und Fauna mit rassistischem Vokabular belegen???? Wenn ich mich also für Umweltschutz einsetze, bin ich rechtsradikal??? Aufgrund unserer Lebensweise und den (umwelt)politischen Entscheidungen nimmt de facto die Menge unserer Insekten drastisch ab. Nun haben wir ein invasives Insekt (Vespa velutina), das pro Volk mehrere Kilogramm Insekten vernichtet. Das Insekt wurde durch Menschenhand auf unseren Kontinent verschleppt. Das beeindruckende Tier kann nichts dafür - aber wollen wir zulassen, dass die einheimischen Insekten (sorry, wenn ich rechtsradikales Vokabular verwende - aber das ist nun mal biologisch determiniert) weiter durch unsere Machenschaften dezimiert werden??? Nun haben wir den Igel (als Insektenfresser) auf der roten Liste ... Warum wohl? Es ist auch ein Unterschied, ob eine Art einwandert oder vom Menschen eingeschleppt wird! Wenn ihr mal in Spanien recherchieren würdet...



    Dieser Artikel strotz vor Unwissenheit, Desinformation (á la Trump) und unzulässiger Vermischung der Begrifflichkeiten. Jeder Biologe ist demnach offensichtlich rechtsradikal!!! SCHWACHSINN

  • Auch der Sommerflieder ist eine sogenannte "invasive" Art oder Pflanze deren Ausbreitung durch Verbote ver/behindert werden soll. In der Schweiz z.B. ist der Verkauf inzwischen verboten. Der Sommerflieder auch Schmetterlingsbaum genannt bietet zahlreichen Insekten so sie überhaupt noch existieren im späten Frühjahr und Sommer Nahrung. Die Ausbreitung zu be/verhindern ist dumm und fördert das unsägliche menschengemachte Insektensterben nur noch weiter.

    • @Manfred Peter:

      Das loswerden wollen des Sommerflieders macht natürlich nur Sinn, wenn z.b. Privatpersonen stattdessen was Anpflanzen würden, was dann mehr Tiere/Insekten ernähren könnte. Aber generell scheint man, laut einem MDR Artikel www.mdr.de/wissen/...verbieten-100.html aus wissenschaftlicher Perspektive den Sommerflieder wohl nicht für sonderlich Erstrebenswert bzw. Sinnvoll zu halten.

      Als Fressen scheint der Sommerflieder, „2008 hatte ein Team des Leipziger Umweltforschungszentrums das untersucht und kam zu dem Ergebnis: "An den Pflanzen in der chinesischen Heimat waren 15 Prozent der Blätter von Insekten zerfressen. In Deutschland dagegen nur 0,5 Prozent"“ auch erst mal weniger zu taugen, und laut Professor Kühn können andere Pflanzen wie Schneeball, Schleedorn, Weißdorn und Haselnuss den gut auch ersetzen.

      Laut Artikel und Kommentar vom MDR ist zum Zeitpunkt des erscheinen des Artikels, am 5. September 2024, kein Verbot in Deutschland im Gespräch.

  • Ähnlich verhält es sich mit den schwarzen Eichhörnchen.



    Immer wieder wird kolportiert, dass sie aus Nordamerika eingewandert seien bzw. eingeschleppt wurden und jetzt die hiesigen braunen Eichhörnchen bedrohen würden. Wie der NABU schreibt, stimme dies gar nicht und sei ein Irrglaube, was natürlich dem dunkel gefärbten Eichhörnchen schadet, weil es immer öfter gejagt wird.



    so der Nabu.



    Doch tatsächlich sind alle Eichhörnchen in Deutschland heimisch – egal ob sie rot, braun oder schwarz gefärbt sind.

    • @Klaus Waldhans:

      Gerne mal die NABU Quelle verlinken, ich würde der Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Aussage nämlich erstmal misstrauen, denn beim NABU wurde auch dies veröffentlicht www.nabu.de/tiere-...e-arten/13698.html:

      „Amerikanische Grauhörnchen verdrängen die Eichhörnchen



      Unsere Eichhörnchen bekommen Konkurrenz. Aus Nordamerika stammende Grauhörnchen beginnen sich in Europa zu etablieren und auf Kosten des Eichhörnchens auszubreiten.“

      „Nicht nur Eichhörnchen, auch andere Mitglieder der Hörnchen-Familie sind bei vielen Menschen sehr beliebt und werden auf der ganzen Welt immer wieder außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes ausgesetzt.“