Hygienemängel in Flüchtlingsunterkunft: Kinder kriegen die Krätze
Wegen unhygienischer Zustände schließt Bremen ein Wohnheim. Mit 200 minderjährigen Flüchtlingen war es deutlich überbelegt.
Die Unterkunft soll saniert werden und dann wieder öffnen. Unter anderem der Bremer Flüchtlingsrat hatte die Zustände in der Steinsetzer Straße schon vor Jahren kritisiert.
Das Heim ist mit 200 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen deutlich überbelegt - nach Angaben der Sozialbehörde ist es für maximal 170 Jugendliche ausgelegt. Bis zu 60 von ihnen sind im Souterrain des Heims untergebracht.
Sie müssen teilweise auf Matratzen auf dem Boden schlafen. Daneben sind dort noch 25 Erwachsene untergebracht. Alle Bewohner sollen in den kommenden Tagen umziehen. Wohin, ist noch nicht klar. Stahmann hielt es für möglich, dass sie in Zelten unterkommen - einer Notlösung, die die Behörde in den vergangenen Tagen vorbereitet hatte, die in Bremen bislang aber als Tabu galt (taz berichtete).
Bereits am Mittwoch waren im Hinterhof der Steinsetzer Straße vier Igluzelte errichtet worden, in denen neu ankommende minderjährige Flüchtlinge unterkommen sollten.
Die Linken-Abgeordnete Sofia Leonidakis hatte das Wohnheim am Mittwoch besucht und sagte danach: „Die Zustände sind katastrophal.“ Die Flüchtlingskinder lebten dort ohne Ruhe und Privatsphäre. Es gebe keinen Schreibtisch, an dem sie ihre Hausaufgaben machen könnten.
„Die sanitären Anlagen sind verschmutzt oder defekt und die gesundheitliche Versorgung ist von Jugendhilfestandards weit entfernt“, so Leonidakis. Einige Jugendliche lebten so seit neun Monaten. Ihr sei von Suizidversuchen berichtet worden.
Jens Schmidt, Sprecher des Bremer Gesundheitsressorts sagte zur taz, es seien Ärzte des Gesundheitsamtes gewesen, die nun Alarm geschlagen haben: „Insbesondere das Problem der Bettwanzen spiegelt den schlechten hygienischen Zustand wider.“
Schmidt erklärte, dass die Krankheiten durch die Art der Unterbringung bedingt sind: „Die Krankheiten können unter diesen Bedingungen auftauchen, wenn Menschen in Einrichtungen auf begrenztem Platz leben müssen.“
Senatorin Stahmann sagte: „Es ist nichts schief gelaufen.“ Es handele sich um „neue Probleme“ und sei „ohne Frage eine Notsituation“. Die Überbelegung erklärte sie mit einer Vervierfachung der Zugangszahlen bei minderjährigen Flüchtlingen.
Allein in 2015 seien 500 in Bremen angekommen. „Wir drücken ankommenden Jugendlichen nicht einfach eine Fahrkarte in die Hand, wie es Hamburg eine Zeit lang getan hat“, so Stahmann zur taz. Nun seien alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert, zu helfen.
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