piwik no script img

Human Rights Watch BerichtKeine Pressefreiheit mit den Taliban

In Afghanistan werden Medien mit Überwachung am kurzen Zügel gehalten. Journalisten berichten von Festnahmen wegen Berichten über „Tabuthemen“.

Afghanische Journalisten bei einer Pressekonferenz mit dem Verteidigungsminister in Kabul am 19. Oktober Foto: Siddiqullah Alizai/ap

taz | Die Taliban haben Afghanistans Medienlandschaft in den mehr als vier Jahren ihrer erneuten Herrschaft regelrecht „ausgeweidet“. Das schreibt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem Bericht, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Zwar gebe es weiterhin eine Reihe unabhängiger Medien. Aber die Taliban haben sie strikter Überwachung und Zensur unterworfen.

Der Taliban-Geheimdienst überwache alle Inhalte und die sogenannte Sittenpolizei sorge dafür, dass die Mit­ar­bei­te­r*in­nen verschleiert sind und Männer und Frauen räumlich strikt voneinander getrennt arbeiten. Zwar arbeiten laut HRW nach wie vor „einige wenige weibliche Nachrichtensprecherinnen“, aber vor allem in Großstädten wie Kabul und Herat und nur bei großen Sendern. In einigen Provinzen arbeiteten überhaupt keine Journalistinnen mehr.

Jour­na­lis­t*in­nen dürfen nicht über eine Reihe von „Tabuthemen“ berichten. Wenn sie dies dennoch tun, werden sie bestraft – bis hin zu „willkürlicher Inhaftierung und Folter“. Gleiches gilt für leiseste Kritik an der Politik oder Vertretern der Taliban. Betreffenden Medien entziehen die Taliban in solchen Fällen zeitweise die Sendelizenz.

Zu den Tabuthemen gehören laut HRW Berichterstattung über bewaffnete Gruppen von Regimegegnern, Meinungsverschiedenheiten in der Taliban-Führung, Festnahmen und Gerichtsverfahren sowie alles, was der Meinung der Taliban nach „einen negativen Einfluss auf öffentliche die Meinung oder Moral hat“. Auch Fragen zum Bildungsverbot für Frauen sind untersagt.

Festnahme nach Guterres-Zitat

Zuletzt traf es vorigen Samstag das private Medienhaus Schamschad, das einen TV- und Radiosender betreibt. Ihm wurde vorgeworfen, die Taliban-Position zu den jüngsten afghanisch-pakistanischen Grenzgefechten nicht angemessen dargestellt zu haben. Allerdings war Schamschad einen Tag später wieder auf Sendung.

Ein Journalist berichtete, er sei festgenommen worden, nachdem er UN-Generalsekretär António Guterres zitierte, der bei einer Pressekonferenz in New York das Taliban-Arbeitsverbot für Afghaninnen bei der UNO als „nicht nur absolut unerträglich, sondern auch dumm“ bezeichnet hatte. Ein weiterer berichtete, wenn Interviewte den Ausdruck „sich beschweren“ verwenden, ersetze er es, um keinen Ärger zu bekommen. Die Taliban betrachteten das als „Propaganda gegen das Regime“.„Stelle positive Fragen, mache keine Fotos und nimm keine Videos von Frauen auf“, lauteten Taliban-Anweisungen für einen weiteren Reporter.

Besonders heikel ist für afghanische Re­por­te­r*in­nen die Zusammenarbeit mit zehn als verboten gelisteten Exilmedien, zu denen die Taliban den Online-Zugang gesperrt haben. Das wird als „Spionage“ ausgelegt. Im Mai wurde der Kabuler Journalist Hamid Farhadi zu zwei Jahren Haft verurteilt, der für eines dieser Medien gearbeitet haben soll.

HRW verweist auch darauf, dass afghanische Jour­na­lis­t*in­nen im Exil sich zunehmend der Gefahr einer Zwangsrückführung ausgesetzt sehen, nach der sie Vergeltung der Taliban befürchten müssen. Die Organisation nennt als Beispiele die USA, EU-Länder und die Türkei.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare