piwik no script img

Hongkong in der KriseInternationale Anbindung gesucht

Regierungschef John Lee benötigt hochqualifiziertes Personal. Es soll der wirschaftlich und politisch schwer angeschlagenen Stadt helfen.

Ein Paar joggt über eine Brücke in Hongkong Foto: /Liau Chung-ren/imago

Peking taz | Hongkongs Regierungschef John Lee hat am Mittwoch seine erste jährliche Grundsatzrede gehalten. Die gibt traditionell die politische Richtung in der einst britischen Kronkolonie vor. Die Bevölkerung schien dabei schon im Vorfeld resigniert zu haben: Laut einer Umfrage gaben 49 Prozent der Befragten an, „keine“ oder nur „geringe Erwartungen“ an Lees Rede haben. Dabei sind seine Zustimmungswerte zumindest etwas positiver als die seiner Amtsvorgängerin Carrie Lam.

Hongkongs Unternehmen und die Finanzmärkte hofften auf neue Impulse der Politik. Die einst pulsierende globale Finanzmetropole steckt seit der Pandemie in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Isolation wegen der bis September gültigen Einreisebeschränkungen und strikten Coronamaßnahmen haben Hongkong nachhaltig verändert: 2020 erlitt die Sonderverwaltungszone einen Wirtschaftseinbruch von 6,9 Prozent. Auch wenn sich das Bruttoinlandsprodukt 2021 etwas erholte, stehen die Zeichen seit 2022 wieder auf Stagnation.

Der 64-jährige Hardliner Lee möchte nun vor allem globale Talente wieder nach Hongkong locken. „In den letzten zwei Jahren ist die Anzahl an lokalen Arbeitskräften um rund 140.000 gesunken“, räumte der frühere Sicherheitschef am Mittwoch ein.

Die Gründe nannte er jedoch nur teilweise: Viele Hongkonger sind nämlich aufgrund Pekings massiver Repressionen ins Ausland gezogen, nachdem ein nationales Sicherheitsgesetz im Sommer 2020 quasi alle Bereiche der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition unter Strafe gestellt und die der Stadt zugesagte Autonomie und Selbstverwaltung ausgehebelt hat.

Festhalten am autoritären politischen Kurs

Am autoritären politischen Kurs will Lee weiter festhalten. „Soziale Stabilität ist die Voraussetzung für unsere Entwicklung, und wir müssen uns von jeder Einmischung befreien“, sagte er. Seine Worte zielen unter anderem darauf ab, Kontrolle und Zensur im Internet weiter zu verschärfen.

Von der „Null Covid“-Politik, wie sie Festlandchina vorgibt, hat sich Hongkong jedoch zuletzt aufgrund des wirtschaftlichen Drucks deutlich entfernt. Seit September gibt es keine Zwangsquarantäne für international Einreisende mehr, was die meisten Unternehmen als großen Erfolg feiern. Doch im ostasiatischen Vergleich hinkt Hongkongs Corona-Öffnung nach wie vor deutlich hinterher.

Dutzende Konzerne haben deshalb bereits Personal abgezogen oder ganze Bürostandorte nach Singapur oder Seoul verlagert. Auch ist die Lebensqualität in Hongkong für Expats wegen der Quarantänemaßnahmen derart gesunken, dass viele trotz satter Gehälter freiwillig das Handtuch geworfen haben und der Nachwuchs bislang ebenfalls ausbleibt.

Nun sollen Steuererleichterungen und Visaerleichterungen wieder Hochqualifizierte in die Stadt bringen. Auch möchte Lee einen umgerechnet knapp 4 Milliarden Euro schweren Investmentfonds auflegen, um ausländische Unternehmen anzulocken.

Stärkere Anbindung an die „Greater Bay Area“

Ein weiteres Schlagwort seiner Rede war die Anbindung an die „Greater Bay Area“: Es geht darum, Hongkong noch stärker an die südchinesische Wirtschaftsregion um Shenzhen und Guangzhou am Perlflussdelta anzuschließen.

Doch das Kerndilemma bleibt weiter bestehen: Die Grenze zum chinesischen Festland ist nach wie vor geschlossen, jeder Einreisende in die „Null Covid“-Bastion China muss dort 10 Tage Quarantäne über sich ergehen lassen.

Lee konnte denn am Mittwoch auch keinen Zeitplan für eine Öffnung nennen. So konnte er die Märkte auch nicht überzeugen: Der Hang-Seng-Index fiel am Mittwoch um 2,4 Prozent in etwa auf das Niveau vom Sommer 1997, als Hongkong an Festlandchina übergeben wurde.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!