Homosexualität und Fußball: Klatschpappen gegen die Fifa

Prolesbische Aussagen bei der WM sind unerwünscht. Die Fifa mauert, der DFB prescht vor: Der Umgang der Verbände mit dem Homo-Thema könnte verschiedener kaum sein.

Das Banner, das in Mönchengladbach nicht ins Stadion durfte Bild: LAG Lesben

BERLIN taz | Die Ordner in Mönchengladbach wussten Bescheid. Oder auch nicht. Jedenfalls: Die Klatschpappen durften nicht mit ins Stadion. Die eigentlich unscheinbaren Pappkartons mit der Aufschrift „Fußball ist alles – auch lesbisch“ waren, bitteschön, am Eingang zu lassen. Weil politische Äußerung untersagt seien. Sagten die Ordner. Und die Fifa, das wussten die übereifrigen Ordner angeblich ganz genau, die wolle das nicht beim Spiel Deutschland gegen Frankreich.

Die Fifa aber sagt zu diesem Vorfall: „Ein Fehler.“ Den man bedauere. Der nun allerdings schon zum zweiten Mal vorgekommen ist. „Wir gehen der Fifa wohl gehörig auf die Nerven“, sagt Gabriele Bischoff, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein-Westfalen (LAG). Schon beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Nigeria in Frankfurt hatten die Eingangskontrolleure mit Hinweis auf den Weltfußballverband ein Transparent der LAG einbehalten. Beim Auftaktspiel in Berlin war es noch unbeanstandet ins Stadion gelangt.

Nach dem Vorfall in Frankfurt beschwerte sich die LAG – und die Fifa entschuldigte sich Tags darauf. Dann aber vergaß der Verband, der als WM-Veranstalter das Hausrecht in den Stadien innehat, anscheinend, die vom deutschen Organisationskomitee angeheuerten, aber der Fifa unterstehenden Ordner zu instruieren. „Die haben gezielt nach den Pappen geguckt“, so Bischoff nach der Erfahrung in Mönchengladbach, „und sie mit der Bemerkung:,Die Fifa wünscht keine politische Äußerung' in den Müll geworfen.“

Der neuerliche Vorfall passt ins Bild. Alle Themen, die diese Fußball-WM bislang aufgeworfen hat und die die schöne neue Frauenfußballwelt stören könnten, werden von der Fifa nach Möglichkeit ignoriert. Und zwar im Gegensatz zum Deutschen Fußball-Bund: Dieser widmet sich mit Hingabe dem Frauenfußball und damit auch der unvermeidlichen Lesbenfrage. „Wir wollen solche Botschaften sogar“, sagt Jens Grittner, Pressechef des WM-Organisationskomitees, „das Engagement gegen Homophobie ist uns völlig selbstverständlich.“

Die Fifa sitzt es lieber aus

Die Funktionäre der Fifa dagegen trafen sich erst dann mit Nigerias Trainerin Eucharia Uche, die der New York Times gegenüber entwürdigende Äußerungen über homosexuelle Fußballerinnen in ihrem Team zu Protokoll gegeben hatte, als es gar nicht mehr anders ging. Anschließend wies die Trainerin „die Unterstellungen“, sie habe gesagt, was sie gesagt hatte, ausdrücklich zurück – und die Fifa darauf hin, dass sie „gegen jegliche Art von Diskriminierung im Fußball und in der Gesellschaft als Ganzes vorgeht“.

Unter der Hand war allerdings zu hören, dass der Weltverband wieder mal zum Jagen getragen werden musste. Die Fifa, notorisch bereit, Themen wie Korruption und Wettskandale auszusitzen, war offensichtlich nicht darauf vorbereitet, wie offen Genderthemen in Deutschland erörtert werden.

Auch als gehässige Vorwürfe laut wurden, Spielerinnen aus Äquatorialguinea seien eigentlich Männer, schwieg die Fifa. Und war wahrscheinlich heilfroh, als die in Verdacht geratenen Kickerinnen erst gar nicht zur WM anreisten. Die eine sei verletzt, die andere aus disziplinarischen Gründen nicht berufen worden, hieß es aus Äquatorialguinea. Das Aufatmen im Weltverband war bis nach Berlin zu hören, wo im Olympiastadion ein möglichst sonniger Turnierauftakt gefeiert werden sollte.

Und als die iranische Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Maryam Majd vor ihrer Abreise zur WM, von der sie berichten wollte, in ihrer Heimat verhaftet wurde, erklärte in einer Pressemitteilung nur das deutsche Organisationsbüro seine Solidarität. Die deutsche WM-Chefin Steffi Jones forderte, „die Journalistin sofort frei- und ausreisen zu lassen“. Und die Fifa? Schwieg.

Bloß keine Politisierung

Zum Vergleich: Auf der Berliner CSD-Parade unmittelbar vor der WM war der DFB mit einem eigenen Wagen vertreten: „Fußball ist alles – auch schwul“ stand groß auf dem Truck zu lesen – neben der Parole, nicht einmal verschämt, das Logo des DFB. Präsident Theo Zwanziger hat sich ob seines Engagements für die offene Integration Homosexueller in seinem Verband den Spitznamen „Der rosa Theo“ eingehandelt. Und ist darauf, so beteuern DFB-Mitarbeiter, ziemlich stolz.

„Der DFB scheut sich nicht, Stellung zu beziehen, vor allem Theo Zwanziger“, meint auch Christa Stolle. Die Geschäftsführerin von Terre des Femmes berichtet von Problemen mit der Fifa, die dem Frauenrechtsverein verbieten wollte, für ihre Kampagne „Frau in Bewegung“ einen WM-Spielplan abzudrucken. „Die Fifa ist ein wahnsinnig konservativer Männerverein, der nur auf seine wirtschaftlichen Interessen achtet“, urteilt Stolle, „die brauchen dringend einen Generationswechsel.“

Die Fußball-WM 2011 mag hierzulande ganz selbstverständlich auch als Anlass für die Diskussion von Frauen- und Homothemen genutzt werden. Der Fifa aber ist diese Politisierung ihres Events gar nicht recht. Die WM, so die Fifa, eine der wohlhabendsten Sportorganisationen der Welt, in einer Mail an die taz, sei „ein sportliches Ereignis und stellt deshalb generell keine geeignete Plattform dar für die Verteilung von jedweder Art von Botschaften, unabhängig von ihrem Inhalt“.

Über solche windelweichen Absichtserklärungen ist der DFB lange hinaus. Seit Zwanziger dem größten Einzelsportverband der Welt vorsteht, hat der sich gewandelt: vom Hort ranziger Männerbündelei zu einer Organisation, die zeitgenössischen Lebensauffassungen aufgeschlossen gegenübersteht.

Vorbild Zwanziger

Das Krisenmanagement von Zwanziger in der mit Klischees zu Homosexuellem aufgeladenen Kempter-Amerell-Affäre war zwar unglücklich, seine Bemühungen um eine aufgeklärte Haltung seines Verbandes zu Schwulen und Lesben jedoch sind glaubhaft. Wiederholt hat Zwanziger seine Hilfe angeboten, sollte sich ein männlicher Fußballer aus dem Profibereich outen wollen: „Mädchen und Jungs sollen Fußball spielen, ganz gleich, wie sie sexuell orientiert sind“, sagte der DFB-Boss erst kürzlich wieder.

Und wird gelobt: „Nicht dass ich mir da nicht mehr wünschen würde“, findet Marlis Bredehorst, Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Emanzipations-Ministerium, „aber das ist schon stark, wie der DFB mittlerweile gegen Homophobie im Fußball vorgeht.“ Der globale Dachverband aber kommt bei Bredehorst nicht gut weg: „Die Fifa sollte sich ein Beispiel am DFB nehmen.“

Aber auch die Weltzentrale des Fußballs kommt natürlich nicht völlig an solchen Themen vorbei und bittet sie in der kommenden Woche sogar ausdrücklich auf den Platz. Zu den Halbfinalspielen am Mittwoch steht der alljährliche „Fifa-Tag gegen Diskriminierung“ an. Dann werden Grußbotschaften verlesen und Transparente vorgeführt.

Marlis Bredehorst aber will die Fifa schon vorher beim Wort nehmen. Sie will ins Stadion. Zum Viertelfinale des deutschen Teams gegen Japan am Samstag in Leverkusen. Mit einem T-Shirt, auf dem steht: „Fußball ist alles – auch lesbisch“. Mal sehen, wie weit sie kommt.

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