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Homosauna-Betreiber über Verbotsdebatte„Wir sind Vorbild für die Gesellschaft“

Ein Schwulenaktivist fordert Homosaunen zu schließen. Sie förderten Homophobie. Der Chef einer Schwulensauna sagt dagegen, sie trügen zur Integration bei.

Heiß. Bild: Frank and Helena/Getty
Paul Wrusch
Interview von Paul Wrusch

taz: Der britische Schwulen-Aktivist James Wharton hat gefordert, schwule Saunen zu schließen, da sie Homohassern Angriffsfläche bieten. Befördern Sie als Betreiber einer solchen also Homophobie?

Tim Vogler: Das ist absurd. Schwule Saunen stehen heute für Integration. Wir stellen ein Stück die Normalität des alltäglichen, sichtbaren, schwulen, queeren Lebens dar. Natürlich haben schwule Männer häufig eine hedonistische Lebensweise, die haben aber Heteromänner auch. Ich sehe also schwule Saunen nicht als Kontrast zum klassischen Heterolebensmodell.

Was meinen Sie mit Integration und Normalität?

Besucher einer schwulen Sauna sind meist aufgeschlossen gegenüber ihren eigenen Bedürfnissen. Die wenigsten sind heute in irgendeiner Weise noch versteckt oder verklemmt. Sie können selber entscheiden, was für sie gut ist und was nicht. Und im Gegenteil zu vielen Heteromännern äußern sie das auch. Mit dieser Offenheit leisten wir und unsere Besucher einen Beitrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber der Vielschichtigkeit. Durch uns wird sie sichtbar.

Die Debatte

Der britische Ex-Soldat und Schwulenaktivist James Wharton sprach sich unlängst in einer Kolumne im Winq-Magazin dafür aus, Schwulensaunen zu schließen. Wenn Schwule als „neue Normale“ akzeptiert werden wollen, müssen Einrichtungen, die Promiskuität und Sex fördern, geschlossen werden. Seine Kolumne löste in Großbritannien einen Debatte in der Gay-Community aus.

Für viele Heterosexuelle sind Saunen für Schwule Hort des sexuellen Exzesses. Drogen, ungeschützter Verkehr mit fremden Männern und so weiter. Auch Wharton argumentiert, dass Schwulensaunen Drogenkonsum und risikohaftes Sexualverhalten fördern. Entspricht das der Realität?

In der Behauptung schwingt eine moralische Bewertung mit, der ich nicht folgen kann. Wann ist denn unsere Gesellschaft zufrieden? Wenn wir alle in weißgekachelten, sterilen Räumen sitzen, künstlich, kontrolliert, gesichert. So ist das Leben nicht, so war es noch nie. Und: Was für den einen ein Ort der unablässigen sexuellen Ausschweifung ist, das ist für den anderen ein Ort der Kommunikation und der Begegnung. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Im Interview: Tim Vogler

Jahrgang 1969, baute in Essen und Köln die Phoenix-Saunen mit auf. 2004 eröffnete er in Köln eine Cruising-Bar mit Darkroom. Seit 2008 lebt er mit seinen beiden Männern in Berlin, wo er seit 2011 Geschäftsführer der „Boiler-Sauna“ am Mehringdamm ist.

Gerade die moderne Betriebe bieten heute ja eine große Bandbreite der Freizeitgestaltung: Gastronomie, Wellness und natürlich auch Sex. Kostenlos dazu gibt es übrigens für unsere Gäste das nötige Präventionsmaterial.

Es gibt auch klassische Darkrooms und Sexpartys. Orte, an denen es explizit um schwulen Sex geht. Schaden die dem Image der Schwulen?

Nein. Die Denkweise, dass Schwule, die hedonistisch leben, damit kein Vorbild für die Gesellschaft sein können, würde ich gerne umdrehen. Jeder, der so lebt, hat sich ja mit sich selbst auseinandergesetzt. Er hat sich entschlossen, so zu sein, wie es ihm guttut. Damit trägt er dazu bei, offen zu leben. Er ist also ein Gewinn für die Gesellschaft. Mir ist Individualismus wichtig. Solange wir mit unserer Lebensweise niemand anderem schaden, ist das doch super.

Auch Heteros gehen fremd, besuchen Swingerclubs, haben One-Night-Stand. Dennoch wird sexueller Exzess häufiger mit Schwulen verbunden. Warum?

Ich will da jetzt keinen Neid unterstellen. Wir leben in einer durchsexualisierten Welt. Aber Schwule werden noch immer viel zu oft allein durch die Sexbrille gesehen. Es ist ja nicht so, dass alle schwulen Männer sexuell ausschweifend leben. Da ist noch viel Vermittlungsaufwand nötig. Die Debatte, die James Wharton in Großbritannien angestoßen hat, trägt dazu nicht bei. Im Gegenteil, sie macht die Gräben noch tiefer.

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11 Kommentare

 / 
  • H
    Hans

    Hmm, ich finde es nicht sinnvoll, diesbezüglich grade einen Betreiber einer "Schwulensauna" zu befragen, aber seine Aussagen sind m.E. die Richtigen.

     

    Es ist völlig unsolidarisch, von einem Menschen, der sich als "Schwulenaktivist" bezeichnet, sich der Heteronormativen Weltsicht anzubiedern und dies von seinen Mitqueers zu fordern.

     

    Wharton hat nicht verstanden, worum es bei LSBTQI geht. Es gibt kein "Normal".

  • E
    EinGayMannderSauenbesucht

    Die geäußerte Forderung GaySaunen zu schließen ist schlicht unsinnig.

    GaySaunen bieten Männern Raum, sich umkompliziert zu treffen. Auch wenn dort ungeschützter und nicht monogamer Sex praktiziert werden sollte, spricht das doch nicht für ein Verbot von Gay Saunen. Was soll sich denn dann ändern? Ungeschützter HomoSex findet an vielen Stellen der Stadt (jeder deutschen Großstadt) statt.

    In der GaySauna kann MANN sich ein Bild machen und kann sich frei entscheiden, was MANN tut.

    Die Forderung nach Verbot von GaySaunen ist ein tiefer Rückfall in alte überkommene und auch sinnlose Moralvorstellungen.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Ein monogam lebender homosexueller Mann diskriminiert promisk lebende homosexuelle Männer. Von anderen Toleranz fordern und selbst intolerant sein und dann auch noch zu implizieren, die promisken Schwulen seien für die Intoleranz der Heterosexuellen gegenüber den Homosexuellen selbst schuld. Was wird dadurch wieder einmal verdeutlicht? Schwulsein schützt vor Intoleranz, Ignoranz und selbst zu diskriminieren nicht.

    • H
      Hans
      @2097 (Profil gelöscht):

      Danke. Schön geschrieben.

  • TS
    Thomas Sch.

    Ist doch irgendwie unlogisch. Wieso soll eine Homosauna die Intergration fördern ? Wenn da Homosauna dransteht, gehen doch andere vtl. erst gar nicht rein. Dann müßte ja auch eine Heterosauna integrierend wirken. Ganz im Gegeteil. Das wirkt separierend. Steht da Homosauna dran, denk´ ich als Nicht-Homo: Aha, nur Homosauna, also nichts für mich.

  • H
    Hans

    Es stimmt zwar, dass es unter Schwulen mehr sexuelle Ausschweifungen gibt als unter Heteros. Aber das hat absolut nichts mit Homosexualität zu tun.

    Gäbe es einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Ausschweifung, müßte es in der lesbischen Szene ähnliche Ausschweifungen geben, dem ist aber nicht so.

    Es liegt nicht daran, dass es Schwule sind, sondern dass es Männer sind.

    Die Ausschweifungen schwuler Männer sind nichts anderes als das, was auch Hetero-Männer tun würden - wenn sie könnten.

    Können sie aber nicht, da es eben nur eine sehr kleine Zahl Frauen gibt die da gern mitmachen.

  • D
    D.J.

    Ich habe nicht so richtig verstanden, ob tatsächlich ein "Verbot" gefordert wurde. Falls ja, wäre das erschreckend. Es ist in einem freien Land schließlich völlig wurscht, wer was über wen denkt. Irgendwelche persönliche (oder weit verbreitete) Abneigungen bzw. Moralvorstellungen können in einem halbwegs liberalen Land nie und nimmer Begründungen für Verbote sein.

  • Ich stimme Tim Vogler uneingeschränkt zu. Und nein, Herr Wharton, ich möchte eben nicht als "der neue Normale" akzeptiert werden, denn das wäre keine Akzeptanz, sondern Assimilierung. Ich will als schwuler Mann in meiner Andersartigkeit akzeptiert werden. Ich will, dass Lederkerle und Drag Queens und Transen akzeptiert werden. Ich nutze keine schwulen Saunen, aber ich möchte, dass es sie gibt, weil sie ein Teil unserer Vielfalt und Freiheit sind.

    • H
      Hans
      @Aufrechtgehn:

      Super, danke.

  • H
    Harald

    Homophobie hat nichts mit Schwulen zu tun, die sind lediglich Projektionsfläsche. Nur weil ein paar Schwachköpfe mit der Welt nicht mehr klarkommen und sich in Unsinn flüchten, Reden im Dredner Schauspiel halten dürfen und ihre Ängste stolz vor sich hertragen: Lasst euch nicht in die Enge treiben. Ein Hetero.

  • A
    Antidiskriminierung

    Die Monogamen diskriminieren die Promisken. Genau das hat uns noch gefehlt, eine Community, die sich gegenseitig diskriminiert. Ein Verbot von Promiskuität, worauf Herr James Wharton in seiner Begründung eigentlich abzielt, in dem schwule Saunen und Darkrooms etc. verboten werden, wäre nicht mit den Menschenrechten vereinbar, da diskriminierend.

    Ich bevorzuge selbst auch die Monogamie, da ich eine überschaubare verbindliche "spießige" zwischenmenschliche (Sexual-)Beziehung schätze und meine Libido für mehrere Partner nicht ausreichen würde. Ich kann damit leben in der Community als Klemmschwester, Langweiler oder Spießer bezeichnet zu werden, aber anderen meinen monogamen Lebensstil aufzudrängen, wäre nun wirklich dämlich und diskriminierend.