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Holstein Kiel in der 2. Fußball-BundesligaAuf der Überholspur

Trotz zahlreicher prominenter Abgänge im Kader und eher bescheidener Finanzmittel schafft es Holstein Kiel, sich als Aufstiegskandidat zu positionieren.

Läuft in Kiel: Spielerjubel nach dem Treffer zum 2:0 gegen Regensburg Foto: dpa

Kiel taz | Groß war die Skepsis im Umfeld des Fußball-Zweitligisten Holstein Kiel im vergangenen Sommer. Mit Markus Anfang und Tom Cichon waren die Trainer weg und mit Rafael Czichos, Dominick Drexler und Marvin Ducksch gingen die Leistungsträger und mit Ralf Becker schließlich der Sportchef. Kann das gut gehen im so schwierigen Jahr zwei im Bundesliga-Unterhaus?

Nach 20 Zweitliga-Spieltagen dieser Saison ist die Antwort klar: Ja, es kann. Mit Tim Walter, vom FC Bayern II, schwingt ein Cheftrainer den Taktstock, der vor seinem Wechsel an die Förde über keinerlei Erfahrung in Liga eins oder zwei verfügte. Sportdirektor Fabian Wohlgemuth vom VfL Wolfsburg verpflichtete als neue Eckpfeiler Hauke Wahl aus Ingolstadt, Jonas Meffert vom SC Freiburg und Königs-Transfer Jae-Sung Lee, WM-Teilnehmer aus Südkorea. Ein fast schon brutaler Personalumbruch. Einer ohne negative Konsequenzen.

Im Gegenteil: Seit dem letztlich verdienten 2:0 (1:0)-Heimsieg gegen Jahn Regensburg am Sonntag sind die Störche endgültig mittendrin im Aufstiegsrennen. Dürfen nach 22 Zählern aus den vergangenen elf Partien mit nur einer Niederlage weiter zumindest von Relegationsrang drei träumen. Und schon am Mittwoch (18.30 Uhr) steht der nächste Höhepunkt an: das DFB-Pokal-Achtelfinale gegen den FC Augsburg – verbunden mit der Aussicht auf eine Siegprämie in Höhe von weiteren 1,328 Millionen Euro aus dem DFB-Vermarktungspool.

Mit vergleichsweise bescheidenen Finanzmitteln haben Wohlgemuth und Walter ihren Masterplan durchgezogen. Auf dem Rasen zelebrieren die Kieler regelmäßig Auftritte, die von innovativem Mut zur Offensive, Ballbesitz und einer extrem riskanten Spieleröffnung über Torwart Kenneth Kronholm gekennzeichnet sind und in der Regel beste Fußball-Unterhaltung bieten. Mit einem Durchschnittsalter von 23,5 Jahren ist das der zweitjüngste Kader der Konkurrenz.

Kann so viel Fluktuation gut gehen? Ja, sie kann

Bei der Zusammenstellung des Aufgebots gilt die Prämisse: talentierte Spieler auf hohem taktischen Niveau weiterentwickeln. So ließen die Störche im Winter unter anderem ihren langjährigen Fußball-„Gott“ Patrick Herrmann zum Leidwesen der KSV-Fans nach Darmstadt ziehen. Und nahmen dafür mit Patrick Kammerbauer, Laszlo Benes, Franck Evina sowie Yann Aurel Bisseck ein Quartett auf Leihbasis unter Vertrag. Maßnahmen, die den Ruf einer Kieler „Rasselbande“ weiter untermauerte.

Wohlgemuth sieht in Leihgeschäften vorzugsweise über anderthalb beziehungsweise zwei Jahre eine aus Kieler Wirtschaftssicht praktikable Lösung, um im überhitzten und von aberwitzigen Ablösesummen geprägten Transfergeschäft mithalten zu können.

Als Musterbeispiel für die grundsätzliche Strategieausrichtung der Nordlichter steht Mittelstürmer Janni Serra. Der 20-jährige U21-Nationalspieler, dem vor zwei Jahren bei Borussia Dortmund eine große Zukunft prognostiziert wurde, flog im vergangenen Jahr mit einem Marktwert von 200.000 Euro ins Nest der Störche. Nach anfänglichen Problemen ist Serra mittlerweile der Top-Scorer der Kieler. Binnen eines halben Jahres hat sich sein Marktwert verzehnfacht.

Nachhaltiger Aufschwung

Als Symbol für den nachhaltigen Aufschwung in Kiel stand am Sonntag zudem die 2.500 Zuschauer fassende Übergangstribüne. Dort, wo nach dem Abriss der ehemaligen Ostkurve bislang ein riesiges Loch im Holsteinstadion klaffte. Der mit rund neun Millionen Euro von Land und Stadt bezuschusste Bau einer neuen Traverse hatte sich mangels Bauherren-Bewerber bei der vorgeschriebenen europaweiten Ausschreibung zerschlagen. Nun blättern die Kieler aus eigener Tasche rund vier Millionen Euro auf den Tisch, um in Modul-Bauweise eine für vier Jahre taugliche Tribüne für 7.000 Fans zu installieren.

Der erste Abschnitt wird am Mittwoch gegen den FC Augsburg mit einer Sondergenehmigung eingeweiht, die Endversion des Stahlrohr-Gerüstes soll spätestens im Mai fertig gestellt sein. Dann, wenn es möglicherweise doch noch zum großen Showdown kommt: in der entscheidenden Phase im Bundesliga-Aufstiegskampf.

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