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Holocaust-Leugnerin vor GerichtHaverbeck zu Haftstrafe verurteilt

Die 93-jährige Holocaust-Leugnerin ist erneut zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Berlin verwarf Berufungen der Angeklagten.

Wieder einmal wurde Ursula Haverbeck der Prozess gemacht (Archivbild) Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin dpa | Die notorische Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck ist in einem Berufungsprozess in Berlin gescheitert. Das Landgericht der Hauptstadt verhängte am Freitag gegen die 93-Jährige eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und verwarf Berufungen der Angeklagten gegen zwei Urteile wegen Volksverhetzung. Haverbeck habe den Holocaust bestritten, begründete die Richterin. Reue oder ein Umdenken seien bei der 93-Jährigen nicht zu erkennen. Das Landgericht verhandelte über zwei Verfahren, die in der ersten Instanz jeweils mit Freiheitsstrafen ohne Bewährung endeten.

Haverbeck hatte Berufung gegen Entscheidungen des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten eingelegt. 2017 erging eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten gegen die Witwe aus Nordrhein-Westfalen, weil sie auf einer Veranstaltung in Berlin-Lichtenrade geäußert haben soll, dass es den Holocaust nicht gegeben habe. Ende 2020 erging ein Jahr Haft, weil sie in einem im Internet verbreiteten Interview den Holocaust geleugnet haben soll.

Das Landgericht bestätigte beide Urteile. Eine Gesamtstrafe von einem Jahr Haft sei tat- und schuldangemessen, sagte die Vorsitzende Richterin. Die Vollstreckung der Strafe habe trotz des hohen Alters der Angeklagten nicht zur Bewährung ausgesetzt werden können, weil sie auch in der Berufungshauptverhandlung keinerlei Einsicht oder Änderung ihrer Haltung gezeigt habe.

Haverbeck war nur wenige Tage vor der zweiten Verurteilung in Berlin aus dem Gefängnis in Bielefeld entlassen worden. Sie hatte dort seit Mai 2018 eine Strafe von insgesamt zweieinhalb Jahren Haft voll verbüßt.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die 93-Jährige, deren Anwalt Freispruch verlangte, kann Revision einlegen. Dann müsste sich das Berliner Kammergericht mit dem Fall befassen.

Seit Jahren müssen sich immer wieder Strafgerichte mit der notorischen Volksverhetzerin befassen. 2004 wurde sie erstmals verurteilt und erhielt eine Geldstrafe. Zuletzt ergingen Strafen ohne Bewährung. Wiederholt behauptete Haverbeck, dass das Konzentrationslager Auschwitz kein Vernichtungslager gewesen sei, Massenmord habe dort nicht stattgefunden. Nach Schätzungen von Historikern ermordeten die Nazis allein im KZ Auschwitz-Birkenau mindestens 1,1 Millionen Menschen.

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10 Kommentare

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  • Oft wird - nicht zu unrecht - die drögheit von gesetzestextem beklagt. In diesem fall ist der § 46 StGB jedoch von erhellender klarheit:

    "§ 46 Grundsätze der Strafzumessung



    (1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.



    (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

    - die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,



    - die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,



    - das Maß der Pflichtwidrigkeit,



    - die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,



    - das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie



    - sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen."

    Die unbelehrbarkeit der nazi-greisin läßt die individualpräventive und die auf resozialisierung zielenden wirkungen der strafe vielleicht ins leere laufen. Die auf den schutz der allgemeinheit zielende generalprävention bleibt voll erhalten.

    • @hinnerk untiedt:

      Aber für mich bleibt die Frage: Warum dürfen noch immer so viele andere Nazis unbehelligt ihr Unwesen treiben (einschl. Bedrohungen prominenter und anderer Bürger)?

  • Das Traurigste ist der Umstand, dass dieser Staat in den Jahren nach dem Krieg die eigentlichen Drahtzieher nicht nur hat laufen sondern sogar noch zu Amt, Würden, Einfluss und Vermögen hat kommen lassen.



    80 Jahre später bringt man eine Greisin (damals eine Jung-Sekretärin) vor Gericht.



    Und die ganzen Ärzte, Anwälte, Entscheider, Schergen … ?



    Georg Elser u.a. mussten Jahrzehnte (nach Ermordung) auf die ihnen zustehende Rehabilitation/Würdigung warten und die Versäumnisse um die Schurken versucht man, mit so einem Prozess zu „glätten“?

  • Wie kann man nur so dumm und bösartig sein und sein Leben dermaßen sinnlos verschwenden. Nundenn, ab in den Knast, auch wenn wohl rein gar nix bringt für niemand.

    • @Tom Farmer:

      Doch - es bringt der rechtsgemeinschaft die bestätigung der von der nazi-greisin verletzten rechtsnorm. Es stärkt das vertrauen der gesellschaft in die rechtsordnung und es schreckt potentielle täter ab indem es auf die unangenehmen folgen hinweist.

    • @Tom Farmer:

      Ursula H. und ihr verstorbener Mann halten/ hielten sich sicher für ,,klug'' und sehen sich als Kämpfer für eine ,,gute Sache''. Wenn Ursula jetzt wieder in den Knast muss, kann sie wenigstens nicht mit der Partei ,,Die Rechte" tingeln und die ,,Rechte'' kann auch nicht mit ihr kuscheln sondern nur bei Besuchszeiten evtl. Händchen halten. taz.de/!5083297/

      So gesehen bringt das Urteil doch was!

      Und es ist auch erhellend, sich mal kurz mit ihrer Biographie zu beschäftigen: de.wikipedia.org/wiki/Ursula_Haverbeck

      oder mit der Biographie ihres Mannes:



      de.wikipedia.org/w...er_Georg_Haverbeck

      Nicht uninteressant ist auch, dass W.G. Haverbeck zur Sekte der ,,Christengemeinschaft'' gehörte, der von Steiner gegründeten religiösen Körperschaft der Anthroposophen.

      • @gleicher als verschieden:

        Danke für die Links! Die Querverbindungen von Rechtsextremen und Nazis zu linken Ökos liefen (auch?) in den 60ern bis 80ern über so krude Vereine wie der WSL (de.m.wikipedia.org...ebens#Deutschland) und keiner störte sich an den Biografien der dort Tätigen und ihren Zielen - Bücher von Helmut Mommsen standen in linksalternativen und christlich-friedensbewegten Haushalten, die oft genug anthroposophisch-esoterisch angehaucht waren. Mein weltoffenes Elternhaus gehörte dazu, dass der Arzt ein Nazi war, habe ich meinen Eltern sehr viem später erzählt, als ich das Buch entdeckte und recherchierte; dass meine Eltern wegen seiner auch damals schon unwissenschaftlichen und widerlegten Thesen uns lieber jede Mistkrankheit erleben ließen statt impfen zu lassen, war eine der Folgen. - Gar nicht so viel anders als heute, 40 Jahre später...



        Es ist zum Gruseln, was sich da alles gemeinschaftlich tummelte und es verwundert nicht, wenn auch heute im Zuge der Pandemie wieder solche Komplizenschaft auftaucht. Die Kontinuität der Nazis in allen gesellschaftlichen Bereichen spricht jeder Entnazifizierung nach 45 hohn...



        Auch insofern: Ja, sie gehört ins Gefängnis, Punkt. Ja, es ist wichtig.

        • @hierbamala:

          Danke ebenfalls, für den Link! Zum Glück wurden 2008 wenigstens die ,,Bauernhilfe'' und das ,,Collegium Humanum'' verboten. Anfang der 2000er Jahre sah ich noch viele Plakate für die ,,Kongresse" des ,,Collegium Humanums".



          Vom ,,Weltbund zum Schutz des Lebens" hatte ich noch nicht gehört. Grusel.

  • Womöglich sucht die Leugnerin im Knast nur ein Alters-Pflegeheim mit kostenloser Kost, Logis und Rundumbetreuung.

  • Mein Glückwunsch geht an die Hamburger Justiz, die es seit nunmehr SIEBEN Jahren nicht schafft, eine einfache Berufungsverhandlung gegen Haverbeck fortzuführen und jetzt beruhigt weiterschlafen kann.