Hohenzollernbrücke in Köln: Wo die Liebe hängt
Die Hohenzollernbrücke ist nicht nur die langsamste Einfahrt nach Köln. Sie ist auch Hort zweifelhafter Denkmäler und tausender Liebesschlösser.
Was so eine Brücke wohl fühlt? Das Lied „Ich bin en Kölsche Bröck“ der Kölner Band „Bläck Fööss“ gibt einen Hinweis: Da ist von Rückenschmerzen die Rede und davon, dass ihr die Schiffe den Bauch kitzeln, damit sie „jet zo laache“ hat, was zum Lachen.
Dabei finden es Zugreisende gar nicht lustig, dass sie ausgerechnet auf der Hohenzollernbrücke, so dicht vor Bahnhof und Dom, stets bis zu fünf Minuten auf die Einfahrt warten. Und selbst erfahrene Reisende befällt immer wieder die Furcht, dass die Brücke in genau diesem Moment einstürzen könnte. Andererseits ist es eine wunderbare Auszeit, um zum Beispiel die romanische St. Kunibert-Kirche am Rheinufer zu betrachten, angeblich von frommen Schiffern gestiftet.
Den Dom, auf den die Hohenzollernbrücke direkt zuläuft, sieht man bei der Einfahrt natürlich nicht, weil viel zu nah. Überhaupt überraschend, dass der Dom noch steht, bei all den Erschütterungen des nahen Bahnhofs – aber beim nächsten U-Bahn-Projekt klappt das ganz bestimmt; beim Stadtarchiv, das im März 2009 wegen unsachgemäß durchgeführter Grubenarbeiten zusammenstürzte, hat’s ja auch funktioniert.
Die Besonderheit
Die deutschlandweit meistbefahrene Eisenbahnbrücke mit den deutschlandweit meisten Liebesschlössern. Außerdem eine der wenigen Brücken, auf denen man zu Fuß direkt neben den Zügen herlaufen kann.
Die Zielgruppe
Alle, die mit dem Zug, mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind und das erhabene Gefühl genießen wollen, den Rhein zu überqueren. Monarchisten können die Reiterstandbilder der Hohenzollern am Ein- und Ausgang der Brücke bewundern, Verliebte ein Schloss am Gitter anbringen und den Schlüssel ins Wasser werfen.
Hindernisse auf dem Weg
Naja, ein bisschen laut (Züge) und schwankend (auch Züge) ist es schon da oben, und etwas rummelig. Das ist aber auch schon alles. Schlaglöcher oder Baugruben gibt es keine.
Apropos Einsturz: Wussten Sie, dass die Hohenzollernbrücke im Zweiten Weltkrieg die einzig unbeschädigte Rheinquerung war? Und dass die Wehrmacht selbst die Brücke in den letzten Kriegstagen sprengte, um den US-amerikanischen Truppen den Weg in die Innenstadt zu erschweren? War aber so, und das Schwarzweiß-Foto der in den Rhein hängenden Brückenbögen ist zur Ikone düsterer Kriegserinnerungen, auch einer zweifelhaften Opferhaltung einer Bevölkerung geworden, die auch in Köln den NS-Staat mehrheitlich gebilligt hatte.
Wieder aufgebaut wurde die einstige Straßen- und Eisenbahnbrücke zunächst nur als Eisenbahnbrücke. Geschäftstüchtig wie man war, verkaufte man den noch intakten Straßenbrückenbogen nach Duisburg – für die Kahl-Lehr-Brücke über die Ruhr. Die sieht jetzt aus wie die Mini-Ausgabe der Hohenzollernbrücke.
Die Hohenzollern hoch zu Pferd
Die ist übrigens deshalb so unpraktisch auf den Dom ausgerichtet, weil ihre Vorgängerin, die Dombrücke, es auch war, auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. – die Brücke sollte auf den fast fertigen Dom „zeigen“. 1911 weihte er die größere, stabilere Hohenzollernbrücke ein, benannt nach der Dynastie, der er entstammte. Und um seine Legitimation auch aus einer dynastischen Tradition abzuleiten, ließ er neben seinem eigenen drei Reiterstandbilder früherer Hohenzollernkönige und -kaiser an die Brückenköpfe stellen.
Und ob es nun geplant war oder nicht – die Statue von Wilhelm II. unterscheidet sich. Sein Pferd hat als einziges einen verstümmelten, kupierten Schwanz – eine hierzulande inzwischen verbotene Praxis, bei der man einige Wirbel entfernt, damit das Pferd lebhafter und repräsentativer wirkt.
Besprüht mit blutroter Farbe
Das Reiterstandbild passt zu einem Kaiser, der auch sonst nicht zimperlich war, etwa wenn es um die damaligen deutschen Kolonien ging: Der Völkermord an den Herero und Nama in Südwestafrika und die Niederschlagung des „Boxeraufstands“ in China fallen in seine Regierungszeit. AktivistInnen haben deshalb 2020 sein Standbild mit blutroter Farbe besprüht und damit eine Debatte über den Umgang mit dem problematischen Denkmal angestoßen.
Geändert hat sich nichts – wie so oft in Köln: 2018 hat zum Beispiel die Deutsche Bahn angeregt, die 750.000 Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke zu entfernen. Nicht wegen des Gewichts, sondern weil sie Rostschäden verursachen, unter denen 2014 ein Gitter zusammengebrochen war. Dann aber befanden Politiker, Volk und Tourismusbranche, die Schlösser gehörten zum Stadtbild und seien Haupt-Touristenmagnet (war das nicht früher mal der Dom?)
Also, die Schlösser blieben. By the way: Wie entwickeln sich eigentlich die 750.000 zugehörigen, als Liebesschwur in den Rhein geworfenen Schlüssel? Kann man schwer prüfen, wenn man drüber geht und ganz nah an den rumpelnden Zügen nach Köln-Deutz rüberwandert. Da vibriert die ganze Brücke: aufregend, spannend, große weite Welt! Dann wenden und gemächlich zurück, den Dom jetzt voll im Blick. Wenn man Glück hat, tuckert dazu ein Binnenschiff unter der Brücke vorbei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz