Hohe Preise für Nahrungsmittel: Schlechte Stimmung beim Konsum
Die Inflation drückt noch auf die Kauflaune der Menschen in Deutschland, ein Großteil verzichtet ihretwegen. Doch das könnte sich bald ändern.

„Vor allem die hohen Preise für Nahrungsmittel schwächen die Kaufkraft der privaten Haushalte in Deutschland und sorgen dafür, dass der private Konsum in diesem Jahr keine Stütze der Konjunktur sein wird“, warnt Konsumexperte Rolf Bürkl vom Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM).
Das NIM veröffentlicht monatlich zusammen mit dem Marktforschungsinstitut GfK das GfK-Konsumklima, das die Kauflaune der Menschen im Land messen soll und auf Umfragen beruht. Und laut dem jüngsten, am Dienstag veröffentlichen Konsumklima hat sich die Stimmung unter den Verbraucher*innen weiter verschlechtert. „Mit dem dritten Rückgang in Folge müssen die Hoffnungen auf eine Erholung der Konsumstimmung noch in diesem Jahr endgültig begraben werden“, prognostiziert deshalb Bürkl.
Wie wichtig die Kaufkraft der Bevölkerung für die Konjunktur ist, zeigt sich auch in der gegenwärtigen Energiepreiskrise. Dass die Wirtschaft zum Jahreswechsel 2022/23 in eine Rezession geriet, lag nämlich maßgeblich an der Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte. So sind deren Ausgaben in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 1,2 Prozent zurückgegangen, weil die Menschen aufgrund der hohen Inflation insbesondere bei Nahrungsmitteln, Bekleidung und Einrichtungsgegenständen sparten.
Großteil verzichtet wegen Inflation
Wie sehr die aktuellen Krisen das Leben der Menschen beeinflussen, zeigt auch das am Dienstag veröffentlichte Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. 26 Prozent der Menschen in Deutschland bewerten ihre finanzielle Situation demnach als „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Vor einem Jahr waren es noch 22 Prozent. Die Folge: 71 Prozent der im Rahmen des Vermögensbarometers Befragten gaben dieses Jahr an, durch den Preisanstieg in ihrem Alltag verstärkt auf Dinge verzichten zu müssen. Das sind 6 Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr.
Allerdings scheint sich das Blatt zu wenden. „Die Inflation nimmt deutlich ab, gleichzeitig profitieren die Beschäftigten von hohen Lohnabschlüssen“, sagt Peter Hohlfeld vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
So ging die Inflation zuletzt von 6,1 Prozent im August auf 4,5 Prozent im September zurück. Gleichzeitig erzielte etwa die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen im April Lohnsteigerungen von durchschnittlich 11,5 Prozent. Mit rund 2,5 Millionen Beschäftigten war dies die größte Tarifrunde in diesem Jahr. „Unterm Strich wird das die Kaufkraft verbessern. Die privaten Haushalte werden dadurch im kommenden Jahr wieder mehr konsumieren“, erklärt Konjunkturexperte Hohlfeld.
Hohlfeld und seine Kolleg*innen gehen davon aus, dass die privaten Konsumausgaben nach einem Rückgang in diesem Jahr von 0,5 Prozent im nächsten Jahr um 1,6 Prozent steigen werden. Das wird laut dem IMK auch dazu beitragen, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im nächsten Jahr wieder wächst.
Wirtschaft wächst 2024 wieder
Auch wenn die schlechte Lage in der Bauindustrie und lahmende Exportwirtschaft dämpfend auf die Konjunktur wirken, wird das Bruttoinlandsprodukt laut der aktuellen Prognose des IMK im Jahr 2024 um 0,7 Prozent zulegen, nachdem es dieses Jahr noch um 0,5 zurückgeht. Das IMK bewegt sich damit im Rahmen anderer gängiger Konjunkturprognosen.
Was sich übrigens auch positiv auf den gesamtgesellschaftlichen Konsum auswirkt, ist die Zuwanderung. „Mehr Menschen konsumieren auch mehr“, so Hohlfeld. „Die Zuwanderung hat damit auch einen positiven Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn