piwik no script img

Hoffnung für Diesel-BesitzerBGH sieht VW-Mogelei als Mangel

Der Bundesgerichtshof hat Volkswagen ausgetrickst und sich zum Diesel-Skandal geäußert. Und das, obwohl VW ein Urteil verhindert hat.

Es stinkt – vielleicht bald noch etwas mehr bei VW Foto: ap

Karlsruhe taz | VW-Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Abgassteuerung weisen einen Sachmangel auf. Dies stellte nun erstmals der Bundesgerichtshof in einem Hinweisbeschluss fest. Die bereits anhängigen Klagen gegen VW-Händler haben damit gute Erfolgsschancen.

Im konkreten Fall hatte der Käufer im Juli 2015 einen VW Tiguan 2.0 TDI erstanden. Dieser war mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet. Die von VW verwendete Software zur Abgassteuerung sorgte dafür, dass die Abgasreduzierung nur auf Prüfständen korrekt funktionierte, nicht aber im normalen Fahrbetrieb.

Die Verwendung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung sei ein Sachmangel, stellte jetzt der BGH fest. Denn Fahrzeuge, bei denen das von VW angebotene Software-Update nicht durchgeführt wurde, droht die Betriebsuntersagung durch das Kraftfahrbundesamt.

Damit ist festgestellt, dass Käufer von VW-Diesel-Fahrzeugen mit einem manipulierten EA 189-Motor einen Gewährleistungsanspruch gegenüber dem Händler haben, der ihnen das Fahrzeug verkauft hat. Der BGH-Hinweis hilft den Käufern unabhängig davon, welche Form der Gewährleistung sie gewählt haben, sei es Minderung des Kaufpreises, Schadensersatz oder Rücktritt vom Vertrag. Ob eine Klage konkret Erfolg hat, hängt dann aber noch von Details des Einzelfalls ab.

Erste BGH-Stellungnahme zum Diesel

Der BGH hat hier erstmals zu einem VW-Diesel-Fall Stellung genommen. Bisher kamen kaum Fälle zu dem Gericht, weil VW so oft wie möglich mit den Klägern einen Vergleich schloss. Deshalb gab es bisher auch kaum OLG-Entscheidungen. Auf der Ebene der Landgerichte war es allerdings ganz überwiegend anerkannt, dass die Abschaltvorrichtung einen Sachmangel darstellt.

Auch der Tiguan-Fall konnte vom BGH nicht entschieden werden, weil VW kurz vor dem Verhandlungstermin einen Vergleich mit dem Kläger schloss. Der BGH hat damit aber wohl schon gerechnet und deshalb am 8. Januar den Prozessparteien einen Hinweisbeschluss mit seiner vorläufigen Rechtsauffassung geschickt. Dieser Beschluss soll nächste Woche veröffentlicht werden. So hat der BGH die VW-Strategie unterlaufen und sich auch ohne Urteil geäußert.

Im konkreten Fall hatte der Tiguan-Käufer die Lieferung eines mangelfreien neuen Tiguans gefordert. Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg hatte dies abgelehnt, weil die erste Generation des Tiguans nicht mehr hergestellt wird und deshalb nicht mehr geliefert werden kann.

Eine Nachlieferung sei also „unmöglich“. Der BGH sieht dies aber anders. Dem Käufer wäre auch mit einem Tiguan der zweiten Generation gedient, auch wenn dieser mehr PS hat, schneller fährt und breiter ist. „Damit hat der BGH die bisherige Rechtsprechung der OLGs auf den Kopf gestellt“, sagt Anwalt Christian Grotz von der auf VW-Klagen spezialisierten Kanzlei Dr. Stoll.

Doch auch bei einer möglichen Nachlieferung muss noch geprüft werden, ob die Kosten verhältnismäßig sind, so der BGH. In VW-Fällen haben die Händler bisher auf das billige Softwareupdate verwiesen, das einen mangelfreien Betrieb des Wagens ermögliche. Die Anwälte der VW-Käufer halten dies jedoch für unzumutbar, unter anderem weil VW nicht zu trauen sei. Hierzu gibt es noch keine abschließende Rechtsprechung.

Neue Klagen gegen VW-Händler nicht mehr möglich

Da Gewährleistungsansprüche zwei Jahre nach Kauf verjähren, sind neue Klagen gegen VW-Händler nicht mehr möglich. Der BGH-Hinweis-Beschluss nutzt nur VW-Käufern, die ihren Händler bereits verklagt haben und deren Verfahren noch anhängig ist.

Der BGH-Hinweisbeschluss bezieht sich auch nur auf Klagen, die sich auf vertragliche Gewährleistungsansprüche gegen Auto-Händler stützen, Klagen gegen VW als Hersteller sind anders konstruiert. Hier geht es in der Regel um so genannte „deliktische“ Ansprüche. VW werden dabei „unerlaubte“ oder gar „sittenwidrige“ Handlungen vorgeworfen. Auch die Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverband richtet sich direkt gegen VW.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Wow, in kürzester Zeit ist aus einem der größten Betrugsskandale der Menschheitsgeschichte, ein Sachmangel aus dem Gewährleistungsrecht geworden, der nach 2 Jahren verjährt. Klasse. Glaubt echt jemand ernsthaft, es gäbe keine Verstrickungen zw. Politik, Wirtschaft und dem, was so etwas wie eine Justiz darstellen soll?

    • @Ki An:

      Im deutschen Strafrecht gibt es keine Strafbarkeit für juristische Personen, wie Gesellschaften usw.. Es gibt nur die Organhaftung. Paragraf 14 StGB. Das heißt, dem Vorstand oder Geschäftsführer muss der Betrug nachgewiesen werden. Was wusste der Vorstand und soweiter.

      Der BGH kann sich nur zu Sachverhalten äußern, welche der Kläger vorgebracht hat. Der Kläger hat seinen Anspruch auf den Sachmangel gestützt, weil dieser vor Gericht leichter durchsetzbar ist. Hierbei spielt ein menschliches Handeln keine Rolle.

      Wenn der Kläger einen deliktischen Anspruch geltend gemacht hätte, dann muss der BGH auch strafrechtliche Heranziehen. Aber wie gesagt, die ist erheblich schwieriger durchzusetzen.

      Davon unabhängig ist ein strafrechtliches Verfahren gegen den Vorstand usw. Hierbei bin ich aber auch wirklich gespannt, ob dies gelingen wird.

      Um Missverständnissen vorzubeugen, auch ich glaube nicht, dass bei einem so groß angelegten Betrug der Vorstand davon nichts wusste und stattdessen auf die „Kleinen“ verwiesen wird.

      • @Sternenpflug :

        Dann muss das Gesetz halt geändert werden. Managerhaftung ist das Schlagwort. Auch mit dem Privatvermögen.

  • Meine Hochachtung den Richtern aus Karlsruhe.Sie haben das getrickse von VW ins leere laufen lassen.Mit allen Mitteln die betrogenen Kunden unter Druck setzen um Klagen zu verhindern.Wenn das nicht klappt und ein Urteil zu erwarten ist das VW nicht gefällt einen Vergleich mit dem Kläger schließen damit das Urteil nicht als Präzidenzfall gewertet werden kann.

  • VW wurde ausgetrickst? Es wurde wohl eher im Sinne VW's entschieden und geholfen den Schaden zu begrenzen. Was bitter aufstößt ist aber, dass die Medien es schönreden! Richtig wäre gewesen, es als das zu benennen was es tatsächlich ist: Betrug nach §263 StGB mit all den Vorteilen, die das den Betroffenen gebracht hätte.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Immerhin ein Anfang für die betrogenen Kunden.



    Schade finde ich nur, dass auch hier in der TAZ die Verharmlosungsstrategie verfängt. Mogelei klingt doch viel niedlicher als Betrug, Täuschung der Kunden und sogar netter als Sachmangel.

  • "Die Verwendung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung sei ein Sachmangel, stellte jetzt der BGH fest."

    Als juristischer Laie sehe ich das so, dass eine kriminelle Handlung, nämlich Betrug, als Sachmangel dargestellt wird.

    • @Rolf B.:

      Es geht hier um zivilrechtliche Forderungen gegenüber dem Händler.



      Wollen Sie dem VW Händler jetzt unterstellen er sei von VW über die Softwaremanipulation in Kenntnis gesetzt worden?

  • Ausgetricks? Wohl eher geholfen und im Sinne der Autoindustrie gehandelt und von den Medien schön geredet! Richtig wäre gewesen, es als das zu benennen was es tatsächlich ist: Betrug nach §263 StGB. Dann müsste nun auch nicht jeder einzelne Betroffene gegen VW klagen.

    • @Offizialdelikt:

      Ganz falsch, denn juristisch, so versuchte man es mir zu erklären, ist ja die Beklagte Volkswagen AG die Betrogene. Von Kriminellen Elementen, die sich dereinst in zweiter Reihe in den Konstruktionsabteilungen verdingten. Aufsichtsrat und Vorstand konnten da wenig machen, trotz geradezu heldenhafter Wahrnehmung ihrer Pflichten. Somit ist das auch kein Betrugsskandal, sondern strafbares Handeln eben jener Subjekte. Diese mussten und müssen sich noch dafür straf- und zivilrechtlich verantworten.



      Sehen Sie, Alles gut! Sie als Kunde sind ja nicht betrogen worden, weder Erlass noch Durchsetzung der zugehörigen Richtlinie, obliegt Ihnen. Einzig die von Ihnen erworbene Sache weist einen Mangel auf und nur um das geht es noch. Hätte auch ein Getriebeschaden, oder ein lästiges Knarzen im Amaturenbrett sein können.



      Klar, dass einem da auf den ersten Blick das Mittagessen wieder hochkommt, aber das gute Gefühl, eines funktionierenden Rechtstaates, drückt es dann wieder sanft hinunter.