Hoeneß' „Zeit“-Interview: Gebeichtet – und gut ist
Katholisch untermauerte Privatmoral: Uli Hoeneß gibt der „Zeit“ ein Interview – und spricht sich dabei von seinen Sünden frei.
Er ist ein Konservativer, das hat er oft und gerne von sich gesagt, Katholisch ist er auch, darüber ist viel geschrieben worden. Wie katholisch er lebt, weiß man nicht. Ob er regelmäßig den Gottesdienst besucht, das Sakrament der Kommunion empfängt, beichtet – man weiß es nicht.
Über Gott und sein Verhältnis zu ihm hat sich Uli Hoeneß auch nicht im Gespräch mit der Zeit geäußert. Und doch scheint in dem Text ein Weltbild durch, wie es sich viele Katholiken zurechtzimmern. Sündigen, beichten und alles ist wieder gut. Am Ende ist alles Sündige nur menschlich und schon entschuldigt, wenn man es nur zugibt.
Als kleines Kind lernt man das Beichten. Erst wenn man das beherrscht, darf man zur Kommunion. Man muss seine Verfehlungen gestehen und gerne wird erzählt, wie sich die kleinen Buben und Mädchen kleine Sünden ausdenken, damit sie nicht mit leeren Händen in den Beichtstuhl kommen. Und so mancher Pfarrer wird seine Zweifel haben, ob wirklich so viel Kleingeld aus elterlichen Portemonnaies geklaut wird. Egal.
Drei Vaterunser und fünf Ave Maria gibt er den Kindern zum Beten auf und dann ist alles wieder gut. Der Pfarrer spricht die kleinen Sünderlein von der Schuld frei. Aber hilft ihnen das wirklich? Klar, sie dürfen jetzt vom Leib Christi kosten. Aber die Diskussion mit den Eltern, die kann der Pfarrer den Kindern nicht nehmen. Und so stampft manch sündiges Kind mit dem Fuß auf den Boden, weil es sich ungerecht behandelt fühlt: Hausarrest! Dabei hatte es doch gebeichtet.
Das Heft des Handelns
Auch Uli Hoeneß verhält sich wie ein kleines, im katholischen Kinderglauben aufgewachsenes Kind. Er hat sich für die Beichte entschieden, hat gesagt, dass es ihm leid tut, betet eine Litanei von Scham und Selbstzweifel („Ich schlafe schlecht und schwitze“) herunter und ist sich sicher, dass dann alles wieder gut ist. Aber während die kleinen Kindersünderlein in einen dunklen Kasten steigen müssen, in dem der Mann, dem sie sich anvertrauen müssen, nicht zu sehen ist, lädt Uli Hoeneß seine Beichtväter (Hans Werner Kilz, ein alter Münchner Bayernspezi übrigens, und Stephan Lebert) sowie seine Beichtmutter (Cathrin Gilbert) in das Lieblingsséparée seines Lieblingsrestaurants in München ein und macht so schon einmal klar, wer hier das Heft des Handelns in der Hand hält.
Er wird sogar selbst zum Beichtvater. Er ist es, der die Schwere seiner Sünde bemisst. Allzu schwer ist die natürlich nicht, schließlich war er als krankhafter Zocker an der Börse nicht ganz Herr seiner Sinne. Das Zockerkonto war in der Schweiz, und die Gewinne, die dort einliefen, hätte er versteuern können, aber, so sagt er: „Ich habe nie unversteuertes Geld in die Schweiz geschafft.“
Und wenn sich herausstellen sollte, dass die Selbstanzeige nicht ganz korrekt formuliert war, ja, dann kann er doch nichts dafür: „Sollte es Fehler gegeben haben, dann kann ich doch nichts dafür.“
„Ich bin kein schlechter Mensch“
Am Ende verlässt Hoeneß das Beichtséparée sogar noch und steigt, so wie er es über Jahre gewohnt war, hinauf auf die Kanzel und predigt: „Ich habe mich ausdrücklich gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln ausgesprochen. Das finde ich skandalös, wenn auf dem Rücken hungernder Menschen beispielsweise der Reispreis hochgetrieben wird.“
Und wie viel Steuern Uli Hoeneß in seinem Leben gezahlt hat, das posaunt der Präsident des FC Bayern auch noch hinaus: „50 Millionen Euro mindestens.“ Amen. Kein Vaterunser, kein Ave Maria und schon gar nicht muss er auf Knien um die Wallfahrtskirche kriechen. Uli Hoeneß spricht sich selbst von seinen Sünden frei: „Ich bin kein schlechter Mensch.“
Die organisierte Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland mit ihren Regeln und Gesetzen hat in der Welt des Uli Hoeneß keinen Platz. Sie ist etwas, was dem Guten und Wahren, wie er es sich zurechtgelegt hat, von außen übergestülpt worden ist. Seine Absolution soll gelten, auch wenn er dereinst doch verurteilt wird. Uli Hoeneß ist gewiss nicht der Einzige, in Bayern schon gar nicht, der sich seine private, am besten noch katholisch untermauerte Moral zurechtzimmert.
Die kleinen Katholikenkinder lernen früh, wie so etwas gehen kann. Wenn der Vater ihnen eine kräftige Watschn verabreicht, weil sie der Mutter Kleingeld aus dem Geldbeutel gestohlen haben, weiß der Vater sicher, dass das vom Gesetz her verboten ist, und hat dennoch keinen Zweifel, dass richtig ist, was er da tut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?