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Hochschulbildung für Erzieher„Die letzte akademikerfreie Zone“

Studierte ErzieherInnen machen Kitas besser, sagt Jugendinstituts-Chef Thomas Rauschenbach. Neueste Forschungsergebnisse gelangen so schneller in die Praxis.

Einfühlsamer wird man nicht, aber studierte Erzieherinnen haben „mehr Kontextwissen“. Bild: dapd
Bernd Kramer
Interview von Bernd Kramer

taz: Herr Rauschenbach, warum brauchen Erzieher einen Hochschulabschluss?

Thomas Rauschenbach: Warum brauchen Grundschullehrkräfte eine Hochschulausbildung? Die hatten vor 100 Jahren auch noch keine. Die Kita ist die letzte akademikerfreie Zone im Bildungswesen. Dabei sind sich alle Experten einig, dass die ersten Lebensjahre entscheidend für die Bildungschancen der Kinder sind. Die beste Ausbildung des Personals wäre demnach für die Jüngsten gerade gut genug.

Die beste Ausbildung ist zwangsläufig ein Studium?

Wenn man die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung in den Alltag der Kitas einfließen lassen will, dann sollten auch die Erzieher an der Quelle ausgebildet werden, also an den Hochschulen. Dass wir heute wesentlich mehr Abiturienten haben als in früheren Jahrzehnten, hat sicher auch damit zu tun, dass inzwischen die Lehrkräfte an den Grundschulen wissenschaftlich ausgebildet werden. Das wird oft übersehen.

Was können studierte Erzieher besser?

Besser ist das falsche Wort. Aber Fachkräfte mit akademischer Ausbildung haben ein ganz anderes Kontextwissen, etwa über den Spracherwerb oder darüber, wie man ein Kind motiviert und ermutigt oder welchen Einfluss Armut hat. Viele handeln auch ohne Studium bei diesen Fragen intuitiv völlig angemessen. Deshalb macht es keinen Sinn, den Umkehrschluss zu ziehen, dass alle Erzieher ohne Studium unfähig wären. Aber es ist für die Qualität der Kitas weiterführend, wenn die Fachkräfte wissen, was Migration mit sich bringt, welche Anforderungen in Sachen Kinderschutz von Bedeutung sind. Hochschulausgebildete können hier neueste Forschungserkenntnisse einbringen.

Bild: Bernhard Huber
Im Interview: THOMAS RAUSCHENBACH

60, ist Professor für Erziehungswissenschaftlen und leitet das Deutsche Jugendinstitut in München.

Ist es nicht ein falsches Signal angesichts der vielen fehlenden Fachkräfte in den Kitas, die Hürden höher zu ziehen und das Studium zu propagieren?

Erstens will niemand, dass man nur noch mit Hochschulabschluss in die Kita kommt. Das wird auch nicht passieren, dazu ist der Bedarf viel zu groß. Zweitens wird genau umgekehrt ein Schuh draus: Viele junge Menschen wurden bisher von diesem Arbeitsfeld abgeschreckt, weil ihnen die Möglichkeit eines Studiums gefehlt.

Das Studium führt nicht wirklich zu besserem Einkommen.

Zumindest nicht automatisch. Deswegen nutzen viele die neuen Studiengänge bisher auch dazu, um aus dem Arbeitsfeld Kita rauszukommen und sich für besser bezahlte Jobs bei den Kommunen oder in den Wohlfahrtsverbänden zu bewerben. Wenn der Kita-Ausbau abgeschlossen ist, muss deshalb dringend die Frage einer besseren Bezahlung der Fachkräfte ganz oben auf die Agenda gesetzt werden. Sonst wandern die Hochschulausgebildeten in der Tat in andere Felder ab.

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6 Kommentare

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  • K
    koukou

    Mir ist der dissonante Unterton nicht ganz klar, mit dem auf Bildung angesprungen wird. Da Bildung heutzutage zusehends mehr Gewicht und Bedeutung bekommt, sollte eine solche Entwicklung begrüßenswert sein. Dies ist keine Frage von Ausgrenzung, sondern von Aufwertung.

    Welcher Beruf wünscht(und verdient es) sich nicht anerkannt zu werden?

    Und wer sich mit dem Studium auseinandergesetzt hat, wird schnell erkennen, dass keinesfalls theoretische Dogmen gezüchtet werden, die später auf die Kleinsten losgelassen werden, sondern das sich eine wesentlich komplexere und verzahntere Basis ergibt, eben aus Theorie und Praxis, die so an einer Erzieherschule garnicht möglich ist zu vermitteln.

    Es ist ein wunderbares Geschenk an die Kinder!

  • K
    koukou

    Mir ist der dissonante Unterton nicht ganz klar, mit dem auf Bildung angesprungen wird. Da Bildung heutzutage zusehends mehr Gewicht und Bedeutung bekommt, sollte eine solche Entwicklung begrüßenswert sein. Dies ist keine Frage von Ausgrenzung, sondern von Aufwertung.

    Welcher Beruf wünscht(und verdient es) sich nicht anerkannt zu werden?

    Und wer sich mit dem Studium auseinandergesetzt hat, wird schnell erkennen, dass keinesfalls theoretische Dogmen gezüchtet werden, die später auf die Kleinsten losgelassen werden, sondern das sich eine wesentlich komplexere und verzahntere Basis ergibt, eben aus Theorie und Praxis, die so an einer Erzieherschule garnicht möglich ist zu vermitteln.

    Es ist ein wunderbares Geschenk an die Kinder!

  • F
    fragezeichen

    Jawohl herr professor auch die kleinsten müssen so früh als möglich auf die kapitalistische verwertung vorbereitet werden.

  • L
    lelo

    Wie Herr Rauschenbach betont hat, geht es eben nicht darum zu sagen, dass studierte Fachkräfte "besser" oder "nicht besser" arbeiten können. Ein Studium bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass SchülerInnen ohne Abitur keinen Zugang zur Universität haben-hierfür müsste nur ein Blick in die Hochschulgesetze der Länder geworfen werden. Weiterhin gehe ich davon aus, dass die Zugangsbedingungen intensiv mit diskutiert werden. Ob es in der Kita vorangig um Sozialisation und nicht um "Wissensvermittlung" gehen sollte, scheint mit fragwürdig zu sein. Vor allem wenn man sich die gegenwärtige Fachdiskussion ind Deutschland (und das sollte "man"!) anschaut, gibt es zwei unterschiedliche Positionen frühkindliche Bildung zu begreifen. Die Praxis-Theorie Streitfrage scheint mir auch oft nicht gerechtfertigt zu sein. Ich gebe zu, dass studierte Personen weniger praktische Erfahrungen im Sinne des pädagogischen Feldes gemacht haben. Dafür verfügen sie jedoch über ein breites Reflexionswissen, das in einer Ausbildung nicht gelehrt werden kann. Weiterhin muss beachtet werden, dass die Qualifikation der ErzieherInnnen Ausbildung, sowie eines Studiums stark variieren- und so die "fachliche Kompetenz" eines,r ErzieherIn nicht verallgemeinert werden kann. Ein Studium bringt eine Aufwertung der Ausbildung von ErzieherInnen, sowie eine Anerkennung von außen und innen mit sich (Hierzu sollte auch mal ein Blick auf Untersuchungen geworfen werden, die sich mit dem fachlichen Selbstbewusstsein von ErzieherInnen beschäftigen).

  • JM
    J. Murat

    Haben der Herr Professor nicht begriffen, dass es in Kindergärten und Kitas noch nicht vorrangig um "Wissensvermittlung" sondern um Sozialisation geht? Schlimm genug, dass 24-jährige mit extrem eingeschränktem Horizont ( Schule-Uni-Schule) nach nur 18 Monaten halbherziger Praxis auf die Schüler losgelassen werden, jetzt sollen auch noch reine Theoretiker Kinder erziehen. Oder wünscht der Herr Professor dass seine Geisteswissenschaftler dann ihre didaktischen Gehirnstürme ad hoc umsetzen können und als Vorgesetzte die ach so ignoranten Nichtakademiker "anleiten"?

    Ach so, ich vergaß, nur Akademiker haben eine intellektuelle Existenzberechtigung. Da kann ich als verblödeter Volksschüler natürlich nicht mithalten.

  • WB
    Wolfgang Banse

    An zu zweifelnm ist es,ob Ezieherinnenn und Erzieher it einem akademiscehn abgeschlossenen Studium wirklich die besserenErzieherinenn und Erzieher sind,Nach wie vor sollte die Erzieherlaufbahn auch ohne Abitur und Studium möglich sein.