Historiker über Waffenexporte: „Kriege werden verschärft“
Der Rüstungskonzern Rheinmetall produziert Waffen in Unterlüß in der Südheide. Der Historiker Reinhard Rohde wirft dem Unternehmen Waffenexporte vor.
taz: Herr Rohde, was stört Sie an den Panzern auf dem Rheinmetall-Gelände in Unterlüß?
Reinhard Rohde: Uns stört, dass dort Kriegswaffen hergestellt werden. Und dass sie in Länder exportiert werden, die sich, wie zum Beispiel Saudi-Arabien, im Krieg mit Jemen befinden, oder in die Türkei, die im letzten Jahr einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Afrin in Nordsyrien geführt hat. Konflikte und Kriege werden durch Waffenexporte nicht verhindert, sondern verschärft.
Wie kommt es, dass so wenige dagegen protestieren?
Eigentlich ist es so, dass Proteste gegen deutsche Rüstungskonzerne zunehmen und immer mehr öffentliche Beachtung finden. Initiativen aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands sind schon dabei. Kassel, Düsseldorf, Stuttgart, Berlin, aber es fokussiert sich eben. Hier hat Rheinmetall einen seiner größeren Produktionsstandorte.
Was genau ist Ihre Rolle – Sie klären nur auf oder protestieren auch mit?
Ich bin Teil des Bündnisses „Rheinmetall entwaffnen“, das sich vor einem Jahr schon zusammengefunden hatte, um in Unterlüß das Friedenscamp und die Demonstration zu machen, und nachdem das vergleichsweise erfolgreich war, hat das Bündnis beschlossen, es dieses Jahr zu wiederholen.
Rheinmetall hat ein 50 Quadratkilometer großes Gelände im niedersächischen Unterlüß. Hier werden Panzer getestet und produziert.
KriegsgegnerInnen mobilisieren unter dem Motto „Rheinmetall entwaffnen“ bundesweit zu einem Protestcamp: Vom 1. bis 9. September sind dabei in Unterlüß Aktionen geplant.
Heute um 18.30 Uhr informiert Reinhard Rohde im Walsroder Kulturzentrum „Mittendrin“ über das Camp und Rheinmetall.
Inwiefern war es letztes Jahr erfolgreich? Gab es eine Reaktion von Rheinmetall?
Der Erfolg misst sich in sozialen Bewegungen ja daran, dass Initiativen und Gruppierungen mit unterschiedlichen Interessen und unterschiedlichem Hintergrund sich bündnisfähig zeigen, um einen Protest herzustellen. Das ist uns eigentlich gut gelungen. Rheinmetall selbst fährt aktuell eine Strategie des Nicht-zur-Kenntnis-Nehmens. Sie beschweigen unsere Aktion.
Wenn es letztes Jahr keine Reaktion von Rheinmetall gab, denken Sie nicht, dass es dieses Jahr wieder so sein wird?
Ja, aber wir wollen ja sowieso nicht, dass sich der Rheinmetall-Chef ins Camp begibt und anfängt, mit uns zu diskutieren. Das ist nicht Ziel der Sache. Ziel ist, mit den Leuten, die dabei sind, und den Aktionen, die man macht, Diskussion anzustoßen. Dass Rheinmetall weiterhin Waffen produzieren will, das werden wir nicht ändern können. Das ist keine Frage von unseren Überredungskünsten, sondern die Künste müssten darin bestehen, in der Gesellschaft die Kräfte, die gegen Krieg sind, so zu stärken, dass etwa die nächste Bundesregierung Rüstungsexportrichtlinien dahingehend verschärft, dass bestimmte Geschäfte, die Rheinmetall macht, nicht mehr möglich sind. Rheinmetall soll auf lange Sicht gesehen entwaffnet werden.
Was genau läuft denn auf diesem Gelände ab?
Der Standort Unterlüß besteht dort, mit Unterbrechungen der kurzen Nachkriegszeiten, seit über 100 Jahren. Die Schießanlage dort ist das größte private Test- und Versuchsgelände in Deutschland. Zum anderen ist es eine Produktionsstätte, wo zum Beispiel Kettenfahrzeuge wie der „Marder“ oder das Kanonenrohr des Leopard-Panzers hergestellt werden.
Wie bekommt man das Geschehen auf dem Gelände als Anwohner mit?
In der Region verursacht es Lärm. Aber es ist ja so, dass Rheinmetall der größte Arbeitgeber vor Ort ist, der auch dafür sorgt, dass Gewerbesteuer fließt. Im Unterschied zum Rest der deutschen Bevölkerung wird man hier keine Zweidrittel-Quote haben von Menschen, die dagegen sind, Rüstung zu exportieren.
63, ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er beschäftigt sich mit der Geschichte und den Geschäften des Rüstungskonzerns Rheinmetall.
Was ist mit all den Leuten, die ihren Job verlieren würden, wenn es schärfere Richtlinien gäbe?
Unser Interesse ist ja nicht, dass Leute arbeitslos werden, sondern die Politik zu ändern. Rheinmetall hat ja auch eine große Automobilsparte und könnte sich auf eine Umstellung der Produktion vergleichsweise problemlos einlassen.
Also, dass die Arbeitnehmer einfach umgeschult werden?
Ja, das ist in Unterlüß ja schon zwei Mal passiert, dass sie nach den Kriegen keine Rüstung mehr produzieren durften. Was haben sie gemacht? Sie haben Schreibmaschinen oder Fotoapparate hergestellt. Ich will nicht sagen, dass das jetzt neue Renner werden könnten. Aber das sind natürlich Hightech-Arbeitsplätze in Unterlüß. Das sind gut ausgebildete Leute, die von heute auf morgen im Bereich regenerative Energien oder Elektromobilität arbeiten könnten. Das ist nicht deren Problem.
Wer kommt da zusammen, um zu protestieren?
Es ist ein im Kern norddeutsches Bündnis mit Ausläufern nach Berlin, Kassel, Frankfurt, Düsseldorf, Stuttgart. Es ist also keine lokale Veranstaltung, sondern überregional.
Wie läuft das Camp ab?
Der Startschuss ist Sonntag. Dann wird aufgebaut: Zelte, Toiletten, Küche. Danach gibt es für die nächsten sieben bis acht Tage unterschiedliche Workshops, Vorträge und Kulturveranstaltungen. Freitag soll es eine Blockade geben, Samstag findet dann die Demonstration statt. Wir hoffen, dass die Menschen zusammenkommen, die Infoangebote wahrnehmen und es zu Aktionen kommt.
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