Historiker im polnischen Staatsdienst: Tomasz Greniuch grüßte gern arisch
Der Direktor des staatlichen polnischen Instituts des Nationalen Gedenkens (IPN) in Breslau muss zurücktreten. Das Institut driftet nach rechts.
Zwar hatten Greniuch in Breslau und der IPN-Chef Szarek in Warschau noch versucht, die rund 20 Jahre währenden Kontakte des Historikers zum neofaschistischen National-Radikalen Lager (ONR) als „Jugendsünde“ zu verharmlosen, mit der er 2013 abgeschlossen habe, doch dann tauchten in den Medien neue Interviewfragmente auf. „Ich habe mich nie von diesem Milieu gelöst“, bekannte der polnische Neofaschist noch Ende 2019 im Radio Opole. „Vielmehr habe ich versucht, diese Leute zu zivilisieren, wie auch immer das klingen mag.“
Er habe das Ideal des Vorkriegs-ONR angestrebt, in dem sich die „junge Vorkriegselite“ organisiert habe. Diese Menschen seien durch ihr Verhalten im Zweiten Weltkrieg und der unmittelbaren Nachkriegszeit zu „Helden der heutigen Jugend“ geworden.
Greniuch verherrlicht hier polnische Antisemiten und Faschisten, die 1945 das Kriegsende und die neue kommunistische Ordnung nicht anerkennen wollten und weiter kämpften. Seit dem Wahlsieg der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) werden sie gemeinsam mit idealistischen Widerstandskämpfern als Helden und „verfemte Soldaten“ verehrt.
Belgischer SS-Mann ist großes Vorbild
Noch 2013 hatte Greniuch in seinem Buch „Weg eines Nationalisten“ den „römischen Gruß“ als „Gruß des arischen Europas“ bezeichnet und dies provokativ in das Bild der stolzen Polen eingebettet: „Wir schämen uns nicht für unsere Ansichten, unsere Traditionen.“ Als großes Vorbild bezeichnete er 2013 den belgischen SS-Mann Leon Degrelle. Obwohl dies alles bekannt war, wurde Greniuchs Karriere im staatlichen IPN nach Kräften gefördert. 2018 erhielt der Historiker sogar das Verdienstkreuz in Bronze aus der Hand Präsident Andrzej Dudas.
Das Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) mit mehreren tausend Mitarbeitern wurde als Behörde zur Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen in der Volksrepublik Polen von 1945 bis 1989 gegründet, soll aber auch Verbrechen aus der deutschen und sowjetischen Besatzungszeit 1939 bis 1945 aufklären. Die im IPN angestellten Staatsanwälte haben die Aufgabe, noch lebende Täter aufzuspüren und vor Gericht zu bringen.
Darüber hinaus gibt das IPN zahlreiche Publikationen heraus und erarbeitet Bildungskonzepte für Schulen. Das Problem: das Institut driftet seit Jahren immer weiter nach rechts ab. Die Ernennung eines bekannten Neofaschisten zu einem der IPN-Direktoren überrascht daher kaum, versetzt aber dem ramponierten Ruf Polens einen weiteren schweren Schlag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“