HipHop-Duo Zugezogen Maskulin: Widersprüche aushalten
Machen selbst HipHop, finden dessen Vorstellungswelten von heute allerdings scheiße: Zugezogen Maskulin und ihr zweites Album „Alles brennt“.
Wer HipHop so haben will wie früher, kassiert vom Rapper Grim104 schon im Auftaktsong eine Absage. „Früher gab es Hitler / Früher war es schlecht“. Zusammen mit seinem Mitstreiter Testo veröffentlicht Grim104 seit 2010 unter dem Namen Zugezogen Maskulin, sein Debütalbum verschenkte das Duo noch im Netz. Mit dem Zweitling „Alles brennt“ ist es nun beim Hamburger Indielabel Buback gelandet. Getroffen haben sich Testo und Grim104 während eines Praktikums beim HipHop-Magazin Rap.de. Ihr damaliger Chefredakteur Marcus Staiger schreibt heute den Waschzettel für „Alles brennt“.
Dass Zugezogen Maskulin selbst HipHop machen, verleugnen sie nicht. Dass sie die Vorstellungswelten des HipHop von heute scheiße finden, allerdings auch nicht. Machomäßig sind die beiden nicht unterwegs, was vielen Hörern als Kritik an HipHop schon reicht. Die Antihaltung von Zugezogen Maskulin ist auf allen zwölf Tracks Programm: „Ich bin dagegen / ich bleibe Oi!“ heißt es in „Oi“.
Auch die Stylecodes der britischen Skinhead-Kultur kommen zum Tragen. Ihre Texte schreiben die beiden Mittzwanziger mit linksradikaler und antifaschistischer Attitüde. Und sie garnieren diese mit einer gewaltigen Portion Sarkasmus und Ironie. Anders ist eine Beschreibung der gegenwärtigen Verhältnisse für Zugezogen Maskulin nicht auszuhalten. Das beliebte Adorno-Zitat „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ darf da natürlich nicht fehlen. Was mag das richtige und was das falsche Leben sein? Zugezogen Maskulin scheint darauf nicht so recht eine Antwort gefunden zu haben.
Kapitalismus ist jedenfalls ein bösartiger Tumor und Lenin schon irgendwie ein Weiser, aber das mit dem Kommunismus hat ja auch nicht so geklappt. Also begnügen sich die von der norddeutschen Provinz nach Berlin Zugezogenen wohl oder übel mit der Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse, und das gelingt grandios – mit einer umfassenden Analyse inklusive Lösungsstrategien tut sich schließlich selbst die Wissenschaft schwer, wie sollte das dann ein HipHop-Album schaffen?
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Mit lyrischer Raffinesse werden alltägliche Widersprüche aus eigener Anschauung widergespiegelt, die über Lebenswirklichkeiten in Berlin hinausreichen: Einerseits haben Zugezogen Maskulin Verständnis für die ignoranten Hipster, andererseits Verachtung für die arroganten Hipster („Agenturensohn“). Einerseits gehen ihnen die zuziehenden Spanier auf den Nerv, andererseits nerven sie die ewig nörgelnden und schweinischen Deutschen („Monte Cruz“). Einerseits zu viel Wohlstand, andererseits ist aber auch nichts da, was man abgeben könnte („Oranienplatz“).
Zugezogen Maskulin: „Alles brennt“ (Buback/Indigo/Finetunes).
Das Innenleben kommt keineswegs zu kurz. Auch dabei scheint so schnell keine Synthese anzustehen. Ganz im Gegenteil. Wer in seinem Text, so wie Grim104, auf „Beamer, Benz und Bentley“ direkt „Lenin, Marx und Engels“ folgen lässt („Guccibauch“), inszeniert seine innere Zerrissenheit.
Wie subversiv das Austragen und Aushalten von Widersprüchen mit sich selbst und anderen letztlich wirken wird, ist die eine Frage. Dass man sie zumindest benennen kann, beweisen Zugezogen Maskulin eindrucksvoll auf „Alles brennt“ mit Wut und auch mit Feingefühl. Ein Soundmix aus modernen, trapgeprägten HipHop-Beats, treibenden Drum-’n’-Bass-Nummern und der nötigen Portion Elektro sorgt für einen druckvollen, energiegeladen ausproduzierten Klangteppich.
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