Hilfen für den Einzelhandel: Nur Digitalisierung reicht nicht
Die Idee von Wirtschaftsminister Altmaier, den Einzelhandel zu stützen, ist im Prinzip richtig. Lebenswerte Innenstädte brauchen aber mehr als Konsum.
L ockdown, Läden zu, aber dem Kind sind die Winterschuhe zu klein. Klar, die Lösung muss nicht AmazonEbayZalando heißen. Aber dem kleinen Schuhhändler um die Ecke, der keinen Online-Shop hat, ist es egal, ob ihm der Umsatz verloren geht, weil die Kund:innen online bei einem US-Konzern kaufen oder bei einer großen deutschen Schuhkette. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nähert sich dem Problem nun und hat angekündigt zu klären, ob sich hier nicht in Sachen Digitalisierung helfen ließe. Für den kleinen Schuhhändler als pars pro toto gewissermaßen.
Das ist grundsätzlich eine richtige Idee. Denn es ist keineswegs so, dass von den Einzelhändlern, die ausschließlich stationär verkaufen, allesamt freiwillig auf einen Online-Shop verzichten. Viele scheuen vor allem die dafür nötigen Investitionen. Ein digitales Warenwirtschaftssystem beispielsweise, an das auch die Kasse im Laden angebunden sein muss, braucht eine Logistik für Verpackung und Versand und am besten jemanden, der auch am Sonntag noch auf E-Mails von potenziellen Kund:innen reagiert.
Finanzielle Unterstützung kann also Ladeninhaber:innen, die das ändern wollen, helfen. Wenn Altmaier nun aber betont, wie wichtig es sei, die Attraktivität von Innenstädten zu verbessern, darf er eines nicht vergessen: Innenstädte bestehen nicht nur aus Orten des Konsums – und sollten es auch nicht. Es gibt Menschen, die nicht konsumieren können oder wollen. Und für sie und alle anderen muss es trotzdem öffentliche Orte geben. Innenstädte sollten daher auch als Orte der Begegnung begriffen werden, als Orte, wo man sich gemeinsam aufhält. Dafür braucht es einen klug gestalteten öffentlichen Raum, Infrastruktur wie Wasserspender oder öffentliche Toiletten, Orte zum Verweilen, die von ganz unterschiedlichen Gruppen als sicher verstanden werden. Ja, das hilft in einer Pandemie wenig. Aber das ist kein Argument dagegen, sondern eines, beides im Blick zu haben: Digitalisierung und öffentlichen Raum.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?