piwik no script img

Hilfe für Opfer rechter Gewalt„Nur noch Minimalversorgung“

Nach der jüngsten rechten Gewaltwelle stöhnen Opferberater: Ihre Arbeit sei nicht mehr zu schaffen. Die Bundesregierung verspricht Hilfe.

„Wir kommen nicht mehr hinterher.“ Die rechte Gewalt stellt OpferberaterInnen vor Probleme Foto: dpa

BERLIN taz | Die jüngsten Zahlen sind alarmierend: 22.960 Straftaten verübten Rechtsextreme im vergangenen Jahr – eine Höchstmarke seit Jahren, allein zum Vorjahr ein Anstieg um 34 Prozent. Und die Gewalt hält an. Gerade erst wurden in Frankfurt/Oder vier Flüchtlinge von einer vierköpfigen Gruppe angegriffen und durch eine Straße gejagt – unter der Anfeuerung von Umstehenden.

Die Gewaltwelle bedeutet viel Arbeit für die Polizei. Aber auch für diejenigen, die weniger sichtbar agieren: die BetreuerInnen der Opfer der rechten Attacken. Diese fordern nun mehr Unterstützung ein. „Wir kommen nicht mehr hinterher“, klagt Judith Porath vom Bundesverband der Opferberatungen. „Die Fälle stauen sich bei uns, vielen Betroffenen können wir nur noch eine Minimalversorgung anbieten.“

Nachdem es anfangs fast nur in Ostdeutschland Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt gab, existieren diese inzwischen bundesweit. In diesem Jahr wurden die letzten Lücken in Niedersachsen und Bremen geschlossen.

Die Ausstattung der Teams ist allerdings höchst unterschiedlich. So werden einige für ihre Arbeit, die teilweise auch Präventions- oder Bildungsprojekte umfasst, mit bis zu 400.000 Euro von Bund und Land gefördert. In Bayern dagegen gibt es nur zwei Mitarbeiter auf 450-Euro-Basis, die einige Honorarkräfte koordinieren. In Rheinland-Pfalz arbeitet ein einziger freiberuflicher Berater. Die rechten Straftaten aber schnellten auch in diesen Ländern im vergangenen Jahr hoch: in Bayern laut Polizeizahlen um 19 Prozent auf 2.293 Delikte, in Rheinland-Pfalz um 34 Prozent auf 701 Fälle.

Inzwischen hat die Bundesregierung reagiert. Bereits im Vorjahr stockte sie ihr am Bundesfamilienministerium angesiedeltes Programm „Demokratie leben“ um 10 Millionen auf 50,5 Millionen Euro auf. Dort werden zivilgesellschaftliche und präventive Projekte gegen rechts gefördert, aber auch Anti-Islamismus-Initiativen. Im März nun beschloss die Regierung – angesichts der explodierten rassistischen Gewalt – gar eine Etatverdoppelung: auf 104,5 Millionen Euro.

Die Regierung verspricht Hilfe: 104 Millionen für 2017

Aus dem Ministerium hieß es, eine genaue Verteilung der Gelder sei noch offen, die Opferbetreuer aber würden „eng in die Beratungen eingebunden“. Von der letzten Aufstockung profitierten diese indes wenig. „Die anderen Projekte sind alle wichtig, keine Frage“, sagt Verbandssprecherin Porath. „Nur dürfen dabei die Schwächsten nicht vergessen werden: die Gewaltopfer.“

Dies waren im vergangenen Jahr vor allem Flüchtlinge. Von einer „dramatischen Lage“ spricht Antje Arndt von der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt. 458 Geschädigte habe ihr Team 2015 betreut – eine Verdoppelung der Fallzahlen. Das Personal, sieben Mitarbeiter in Teilzeitstellen, sei aber gleich geblieben. Obwohl gerade die betroffenen Flüchtlinge mehr Zeit bräuchten, etwa für Übersetzungen.

„Die Folge ist, dass wir nicht mehr alle Betroffenen unterstützen können“, klagt Arndt. Nach der rechten Gewaltwelle blieben diese damit als „Verlierer“ zurück.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • "Nicht nur die einheimische Bevölkerung fühlt sich völlig unvorbereitet von dieser plötzlich über sie hereinbrechenden interkulturellen Erfahrung und reagiert darauf völlig unangemessen (das sind mit Sicherheit nicht alles Nazis)."

     

    Oh, wo leben Sie denn? Bisher keine interkulturellen Erfahrungen?

     

    Das hört sich ja sehr stark nach PEGIDA und/oder AfD an.

    • @Hanne:

      Ich finde, hier sind inzwischen so einige unterwegs, die so klingen als betrieben sie hier AFD Propaganda... Viel "vernünftig" klingende Kritik mit einem hässlichen Kern. Frei nach dem Motto: jaaa, die sind ja schon arm und wir sind alle eins, aber...

      • @Neinjetztnicht:

        Hauptsache, die Feindbilder stimmen oder wie? Typisch deutsch. Ideologisches Schwarz-weiß-Denken bis zum Abwinken. Differenzierte Grautöne, geschweige denn ein buntes Farbspektrum - nicht vorhanden.

         

        Aber ich lasse mir diesen ideologischen Terror von rechts UND links nicht gefallen. Frechheit, sich als Pegida beschimpfen lassen zu müssen, wenn man sich dem linken Beton-Dogmatismus nicht unterwirft (was ich übrigens auch weiterhin nicht tun werde).

         

        Einfach mal die festgewachsene ideologische Brille absetzen und frische Luft reinlassen.

         

        Mit den besten Empfehlungen

  • Das Ergebnis der Merkel´schen Flüchtlingspolitik. Wie zu erwarten war gibt es Opfer auf beiden Seiten, wenn Masseneinwanderung so völlig unprofessionell, unkoordiniert und inkompetent abläuft wie wir dies seit letztem September beobachten können.

     

    Nicht nur die einheimische Bevölkerung fühlt sich völlig unvorbereitet von dieser plötzlich über sie hereinbrechenden interkulturellen Erfahrung und reagiert darauf völlig unangemessen (das sind mit Sicherheit nicht alles Nazis). Auch die Neuankömmlinge sind auf diese interkulturelle Erfahrung nicht vorbereitet worden, einige mißinterpretieren die hiesigen freizügigen Geschlechterrollen falsch und werden übergriffig (Kölner Silvesternacht u.ä.).

     

    Chaos pur!!! Genau das kommt eben davon, wenn man keinen Plan hat, keine kontrollierte Einwanderung und die Realität leugnet, indem immer noch gesagt wird, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Natürlich sind wir eins! Und diese Realitäts-Leugnung führt zu diesem ganzen Dilletantismus.

     

    Für eine konstruktive und kontrollierte Einwanderung brauchen wir tragfähige professionelle und interkulturelle Konzepte, die die einheimische Bevölkerung mitnehmen statt sie im Regen stehen zu lassen. Und ebenso auch eine Vorbereitung der Neuankömmlinge auf eine ihnen unbekannte Kultur.

     

    Jeder Praktikant, der für deutsche Organisationen ins Ausland geht, muß ein interkulturelles Training absolvieren, sonst darf er gar nicht ausreisen. Aber unsere Bundesregerung veranstaltet hier mit der gesamten Bevölkerung und etlichen hunderttausend Flüchtlingen ein groß angelegtes und völlig planloses Open-Air-Experimental-Labor. Daß es da nicht zu noch mehr Mord und Totschlag kommt, ist schon fast ein Wunder.

    • @scaspener:

      Immer dieses Rumreiten auf Ereignissen wie der Silvesternacht... man bekommt es in euren Kopf: das war scheiße, ja. Aber diesen Abend allgemein zu nutzen und solche Argumente zu bringen : "...einige mißinterpretieren die hiesigen freizügigen Geschlechterrollen falsch und werden übergriffig..." ist schlicht mies. "...CHAOS PUR!!!..." Ich sag: Panik entsteht da wo Panik gemacht wird...

      • @Neinjetztnicht:

        Dein Argument (wenn es denn eins ist) "Immer dieses Rumreiten auf Ereignissen wie der Silvesternacht" erinnert mich doch sehr an diejenigen, die das Kapitel Holocaust endlich abschließen und darüber nicht mehr diskutieren wollen.

         

        Du willst alles, was nicht in dein Weltbild paßt, nur einfach unter den Teppich kehren. Womöglich sollen die betroffenen Frauen am besten die Klappe halten, weil das sonst Wasser auf die Mühlen der Rechten ist. Na und, dann ist es das eben. Die Bewegungsfreiheit von Frauen ist tausendmal wichtiger als irgendein dogmatisches Weltbild. Die 60er Jahre liegen auch schon etwas länger zurück, als man Frauen noch zumutete, ihre eigenen Interessen für eine vermeintlich "gute Sache" hintanzustellen.

         

        Im übrigen war Köln kein Einzelfall, siehe aktuell hier in der Taz unter Karneval der Kulturen http://taz.de/Uebergriffe-beim-Karneval-der-Kulturen/!5305996/

         

        Überdies sehe ich die Überforderung nicht nur bei den Neuankömmlingen, sondern auch bei den Einheimischen. Und daher hatte ich in meinem Kommentar für eine klare professionelle und interkulturelle Vermittlung iin beide Richtungen plädiert. So what?

         

        Denn mir ist das, was hier abläuft zu chaotisch. Ich will ein klares Bekenntnis zur Einwanderungsgesellschaft mit klaren Kriterien wer kommen und bleiben darf und kompetenten Begleitangeboten in beide Richtungen Die Deutschen müssen sich auch ändern, das muß man ihnen aber erklären, sonst tun sie´s nämlich nicht.

         

        Panik entsteht da, wo man Leuten etwas vorsetzt und nur sagt: Friß oder stirb.