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Hilfe für Menschen mit BehinderungEin schwerer Rückschlag

Das Modell der Persönlichen Assistenz für Menschen mit Behinderung ist in Gefahr. Beschäftigte sind schlechter gestellt als Angestellte von Assistenzdiensten.

Menschen mit Behinderungen stoßen auch sonst ständig auf Hindernisse Foto: dpa

Berlin taz | In der Hauptstadt droht ein massiver Rückschlag für Menschen mit Behinderungen und ein Angriff auf die Rechte auf gewerkschaftliche Selbstorganisierung. Das erklärte der Stellvertretende Verdi Landesvorsitzende von Berlin-Brandenburg, Benjamin Roscher, am Montag bei einer Pressekonferenz. Denn das bisher in Berlin bestehende Ar­beit­ge­ber*in­nen­mo­dell in der Persönlichen Assistenz wird von der Senatsverwaltung nicht mehr anerkannt.

Menschen, die auf persönliche Assistenz angewiesen sind, haben derzeit zwei Möglichkeiten: Sie können einen Assistenzdienst beauftragen oder selbstständig Personen anstellen. Mehrere As­sis­tenz­neh­me­r*in­nen berichteten, dass ihnen dieses Modell ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Dazu gehört Birgit Stenger, die seit Ende der 1990er Jahre Assistenznehmerin ist: „Sämtliche Aufgaben werden von den Betroffenen selber erledigt. Sie wählen die persönlichen As­sis­ten­t*in­nen aus und rechnen die Kosten auch selber ab.“

Dieses Modell ist in Gefahr, wenn der Senat den Tarifvertrag nicht mehr anerkannt, den Verdi mit der Arbeitsgemeinschaft der Ar­bei­ter­ge­be­r*in­nen mit Persönlicher Assistenz (AAPA) abgeschlossen hat. Der AAPA war von den As­sis­tenz­neh­me­r*in­nen gegründet worden, um einen konkurrenzfähigen Tarifvertrag zu ermöglichen.

340 Euro weniger

Obwohl auch im Koalitionsvertrag des CDU/SPD-Senats festgeschrieben wurde, dass der Tarifvertrag bei der persönlichen Assistenz im Arbeitgebermodell anerkannt wird, sehe die Praxis anders aus, monierte Verdis Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit und Soziales, Jana Seppelt.

Seppelt zitierte aus einem Schreiben des Staatssekretärs für Soziales Aziz Bozkurt: „Die von Ihnen begehrte Refinanzierungszusage Ihres Tarifvertrags kann und werde ich nicht vornehmen.“ Bei einem Gespräch mit Bozkurt im Dezember sei dann endgültig klar geworden, dass sich der Senat weigere, die Löhne entsprechend der letzten Tarifeinigung zwischen Verdi und AAPA analog des Tarifabschlusses des öffentlichen Dienstes der Länder zu erhöhen.

Dadurch bekommen Assistenzkräfte im Arbeitgeberinnenmodell 340 Euro weniger als Beschäftigte bei Assistenzdiensten. Es werde immer schwieriger, As­sis­ten*­in­nen für das Ar­beit­ge­ber*in­nen­mo­dell zu finden, hieß es am Montag. Überstunden und Urlaubssperren für das aktuelle Personal seien die Folge. Widerstand ist schwer, weil die As­sis­ten­t*in­nen nicht streiken können, weil die behinderten Menschen die Leidtragenden wären.

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