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Hilfe bei Missbrauch in Film und TV„Es darf sich jeder und jede melden“

Die deutsche Fernsehbranche bekommt endlich eine Beratungsstelle für Opfer sexueller Gewalt. Ein Gespräch mit einer der Initiatorinnen.

Die Schauspielerin Anna Brüggemann mit ihrem Bruder und Protestbutton auf der Berlinale 2018 Foto: dpa
Peter Weissenburger
Interview von Peter Weissenburger

taz: Frau Rohm, bei der Berlinale wurde die Beratungsstelle für Opfer sexueller Belästigung für März angekündigt, nun dauert es bis nach der Sommerpause. Warum die Verzögerung?

Barbara Rohm: Das liegt daran, dass sich mittlerweile so viele beteiligen – darin liegt ja auch die große Chance der Stelle. Es hat noch nie so ein breit aufgestelltes Bündnis in unserer Branche gegeben. Wir mussten zunächst gemeinsam die rechtliche Grundlage ausloten und klären: Wie ist die Stelle definiert, wie soll sie arbeiten? Gemessen daran waren wir recht zügig.

Wie viele Mitarbeiter*innen werden für die Stelle arbeiten?

Es werden zunächst zwei Personen dort arbeiten, eine mit juristischer, eine mit psychologischer Ausbildung.

Das Wichtigste ist Unabhängigkeit von Politik und einzelnen Firmen, wie soll das langfristig gewährleistet werden?

Unabhängigkeit ist dadurch garantiert, dass die finanzielle Verantwortung auf viele Schultern verteilt ist. Wir haben die Anschubfinanzierung der BKM, daneben beteiligen sich unter anderem der Bühnenverein und ARD und ZDF (siehe Kasten). Es gibt noch Ideen, weitere Finanzpartner ins Boot zu holen, aber das Geld reicht zunächst aus, damit wir starten können. Wir gehen davon aus dass die breite finanzielle Unterstützung bestehen bleibt, weil wir annehmen, dass es einen großen Beratungsbedarf gibt und die Partner zugesichert haben: Wenn der Bedarf da ist, werden sie sich auch weiter am Projekt beteiligen.

Was bekommen Opfer sexueller Belästigung konkret bei Ihnen?

Eine juristische und, sofern gewünscht, psychologische Beratung, damit sie das Geschehene erst einmal einordnen können. Das soll Handlungsspielräume aufzeigen. Alles weitere richtet sich nach den Bedürfnissen der Betroffenen. Anonymität ist dabei garantiert und wird nur aufgelöst, wenn die Betroffenen einverstanden sind. Wenn die Betroffenen sich entscheiden, die Vorfälle bei den Unternehmen zu melden, werden sie auch dabei begleitet.

Im Interview: Barbara Rohm

Regisseurin und Vorsitzende von „Themis – Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt“ der Fernsehbranche.

Was die Stelle nicht leisten kann, ist anwaltliche Vertretung oder Therapie. Sie kann das im ersten Schritt anbieten und dann weitervermitteln. Sofern gewünscht, nimmt die Stelle mit den Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern Kontakt auf, damit der Vorfall weiter verfolgt wird.

Die Bedürfnisse der Betroffenen sind sehr unterschiedlich und hängen von der Schwere des Vorfalls ab. Die einen wünschen juristische Verfolgung. Andere wollen, dass der Vorfall im Unternehmen thematisiert wird, dass sich am Arbeitsklima etwas ändert. Wieder andere wünschen sich eine Aussprache mit der Person oder ganz einfach eine Entschuldigung.

Es gibt eine Hemmschwelle, sich jemandem anzuvertrauen, auch weil viele ihren Fall vielleicht als „nicht schlimm genug“ empfinden. Ab wann darf man sich bei Ihnen melden?

Es darf sich jeder und jede melden. Wenn Sie ein ungutes Gefühl haben oder wenn Sie nicht wissen, wie Sie etwas einordnen sollen. Oft weiß man nicht genau, womit man es eigentlich zu tun hat – auch dafür ist diese Stelle zuständig.

Sie kündigen auch an, sich für einen Kulturwandel einzusetzen. Wie soll das konkret aussehen?

Prävention soll ebenso zen­tral sein wie Aufarbeitung. Wie können Betroffene geschützt werden, die einen Vorfall melden? Deren große Angst ist, dass es negative Konsequenzen für die eigene Karriere geben könnte. Auch wir können keine hundertprozentige Garantie geben, dass es sich nicht auf die Karriere auswirkt, wenn man einen Vorfall meldet. Aber wir können die Betroffenen begleiten und beraten, damit sie zu einer für sie richtigen Entscheidung finden.

#MeToo in Film- und Fernsehen

Im Januar veröffentlicht das Zeitmagazin die Vorwürfe mehrerer deutscher Schauspielerinnen gegen den Fernsehregisseur Dieter Wedel. Es geht um mutmaßliche Einschüchterung, körperliche Gewalt, Vergewaltigung und Mobbing am Set einer TV-Produktion aus dem Jahr 1981. Indizien zu den Vorfällen lagen offenbar jahrzehntelang unbesehen in den Archiven des Saarländischen Rundfunks. Wedel bestreitet die Anschuldigungen.

Im Februar ist #MeToo eines der bestimmenden Themen beim Filmfestival Berlinale. Die Branche kündigt für März eine unabhängige Beratungsstelle an. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) verspricht eine Anschubförderung für drei Jahre aus dem Topf der Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM).

Vergangene Woche hat sich der Verein „Themis“ gegründet, unter dessen Trägerschaft die Beratungsstelle der Branche eingerichtet werden soll. Neben der BKM beteiligen sich die ARD, das ZDF, der Deutsche Bühnenverein, der Privatsender-Verband Vaunet (früher vprt) sowie die Deutsche Produzentenallianz mit Beiträgen zwischen 10.000 und 40.000 Euro im Jahr. Die Beratungs­stelle wird ihren Sitz in Berlin haben. Themis heißt die griechische Göttin für Gerechtigkeit und Ordnung. (pwe)

Aufgabe der Stelle soll sein, Bewusstsein zu schaffen dafür, was Unternehmen selbst tun können, um die Risiken für diejenigen zu mindern, die einen Vorfall melden wollen. Wir wollen deshalb auch intern mit den Partnern ins Gespräch zu kommen und auf der Bewusstseins­ebene etwas verändern.

Sie selbst kommen von Pro Quote Film. Sie haben häufig angemerkt, dass ein Teil des Problems auch der Männer­über­hang an den entscheidenden Stellen der Branche ist. Wird es also auch um Frauenförderung gehen?

Frauenförderung ist nicht das zentrale Thema, denn die Frauen sind ja da, und sie sind gut ausgebildet. Sie werden aber momentan nicht genügend beschäftigt oder für Führungspositionen besetzt. Bei dem Thema Macht und Machtmissbrauch, um das es hier geht, müssen wir natürlich darüber reden, dass es mehr Frauen in Führungspositionen braucht. Ich würde mir persönlich sehr wünschen, dass wir mit unseren Partnern und Partnerinnen auch das thematisieren. Aber es wird bei der Arbeit der Beratungsstelle nicht im Vordergrund stehen.

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