Hetze ist verboten – auch von der Kanzel: Keine Gnade für Pastor Hass
Wegen Volksverhetzung hat das Bremer Amtsgericht den Geistlichen Olaf Latzel verurteilt. Der ist online ein Star der Evangelikalen.

Das Gericht halte es für erwiesen, dass Olaf Latzel in einem Eheseminar im vergangenen Herbst zum Hass gegen Homosexuelle aufgerufen habe, hieß es zur Urteilsbegründung. Der Geistliche der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) habe sie in ihrer Menschenwürde angegriffen. Die Audiodatei des Vortrags hatte er online verbreiten lassen.
Der Prozess hatte große öffentliche Aufmerksamkeit erregt. Das Gericht hatte die Verhandlung daher in den Kammermusiksaal der örtlichen Philharmonie, der Glocke, verlegt, um die Hygieneregeln einhalten zu können.
Die Konflikte zwischen Ultrafrommen und Queer-Aktivist*innen schwelen in Bremen, seit vor zwölf Jahren der Pastor die Kirche an der Weser übernommen hatte. Vor dem Konzerthaus gab es gestern früh Kundgebungen: Neben Martini-Christ*innen, die Plakate mit Bibelsprüchen in die eisige Morgenluft hielten, skandierten Angehörige der Basisgruppe Antifa: „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat!“ Andere spannten Regenbogenschirme auf, und „Anti-Feministische Fundis Abtreiben!“, forderte ein Pappplakat, an dessen Rändern rote Höllenflammen züngelten.
„Lizenz zum Handeln“
Drinnen erläuterte Richterin Best, warum Latzels Reden weder durch Meinungs- noch Glaubensfreiheit gedeckt sind. So gehe es über die legale, bloße Missbilligung von Homosexualität weit hinaus, wenn er sie als teuflische, gesellschaftliche Degeneration schmähe. Aussagen wie „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day“ seien zudem geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Weil man sich gegen Verbrechen zur Wehr setzen würde, könne dies „als eine Lizenz zum Handeln verstanden werden“.
Auch dass er den 30 Ehepaaren, die live an seiner Unterweisung teilnahmen, und seinen 16.000 Follower*innen einzureden versucht hatte, eine teuflische Homolobby wäre von der Schule bis ins Rathaus in allen möglichen Bereichen wirksam, ziele eben nicht bloß aufs Leben in der Christengemeinde. Es besage, „sie sollen keinen Platz haben in unserer Gesellschaft“.
Latzel und seine Verteidigung hatten gegen die Vorwürfe eingewandt, der Prediger habe keine Menschen, sondern nur Homosexualität attackieren wollen. „Wir sagen Ja zum Sünder, aber Nein zur Sünde“, lautet die entsprechende Formel. Richterin Best erledigte sie nicht minder prägnant: Anders als eine Straftat sei die sexuelle Orientierung ja ein unveräußerlicher Teil der Persönlichkeit. „Homosexualität ohne Menschen ist nicht vorstellbar“, stellte Best kurz und bündig klar.
Fast erleichtert klangen die Kommentare aus der Bremer Politik: Vor fünf Jahren war schon einmal der Vorwurf der Volksverhetzung gegen Latzel erhoben worden. Damals hatte er seinen Aggressionen gegen Katholizismus, Buddhismus und Islam freien Lauf gelassen und seinen Schmäh-Sermon online gestellt – in einer Zeit, in der sich Anschläge auf Moscheen häuften. Die Bürgerschaft hatte gegen die Predigt eine Resolution verabschiedet, die Staatsanwaltschaft aber das Verfahren ohne Ermittlungen eingestellt. Latzels Verteidiger Sascha Böttner hatte das als rühmliches Beispiel angeführt.
„Gift für unsere Gesellschaft“
Indes waren die hetzerischen Inhalte diesmal viel fassbarer. „Glaubensfreiheit ist kein Freifahrtschein für Volksverhetzung“, lobte nun Kai Wargalla, Sprecherin für Queer der Grünenfraktion, den Entscheid. Dass Latzel schon seit Jahren gegen queere Menschen, Frauen und Andersgläubige hetze, sei „pures Gift für unsere Gesellschaft“. Von einem „wichtigen Signal für die Würde queerer Menschen“ sprach Maja Tegeler von der Linksfraktion. Sie forderte die BEK auf, dienstrechtlich tätig zu werden.
Auch der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) begrüßte das Urteil rundheraus. Nachdem sich die Landeskirche schon zuvor von den Aussagen des Pastors distanziert hatte, müsse sie ihn nun „von der Kanzel holen“, so der Bremer IBKA-Sprecher Herbert Thomsen. Der Leitende Theologe der BEK, Schriftführer Bernd Kuschnerus, nannte die Verurteilung „verstörend“, bezeichnete Latzels Äußerungen erneut als „nicht hinnehmbar“ und kündigte an, die Kirchenleitung werde über die Konsequenzen beraten.
Dem frisch verurteilten Pastor gab Richterin Best für die Zukunft einen guten Rat. Er habe unbestreitbar „ein großes Redetalent“, die Vorführung der fast anderthalbstündigen Ansprache habe das bewiesen. „Es bleibt zu wünschen, dass sie diese Gabe zur Schaffung einer friedlichen Gesellschaft und für einen respektvollen Umgang miteinander einsetzen“, so die Richterin.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart