Hessische Biolandwirte in Not: Faire Milch am Ende
Die Biolandwirte der Upländer Bauernmolkerei trennen sich von einem Werk. Jetzt bekommen sie weniger für ihre Milch als die meisten Ökobauern.
BERLIN taz | Sie ist ein Vorzeigeprojekt der alternativen Landwirtschaft: Die Milcherzeugergemeinschaft Hessen gehört rund 170 Biolandwirten und macht seit Jahren mit ihrer Upländer Bauernmolkerei in Willingen-Usseln Gewinn; 2011 übernahmen sie sogar die Molkerei im ebenfalls nahe Kassel gelegenen Neukirchen.
Doch nun hat dieses Werk nach eigenen Angaben ein Insolvenzverfahren beantragt. „Der Grund war drohende Zahlungsunfähigkeit“, sagt Geschäftsführerin Karin Artzt-Steinbrink. Neukirchen hat 2011 und 2012 insgesamt rund 3,6 Millionen Euro Verlust gemacht. In diesen Tagen soll über einen Verkauf des Werks entschieden werden.
Umweltschützer und Bauernaktivisten haben die Upländer Bauernmolkerei als Gegenmodell zu den Molkereikonzernen beschrieben, in denen der einzelne Landwirt in der Praxis kaum Einfluss hat. Die Upländer werben auch mit dem Slogan „Erzeuger-fair Milch“, jahrelang zahlten sie ihren Landwirten überdurchschnittlich hohe Preise für die Rohmilch. Das trug dazu bei, dass die Bauerinitiative ihren Umsatz auf 30 Millionen Euro pro Jahr steigern konnte. Sie beliefert unter anderem die Biosupermarktkette Alnatura.
Doch angesichts der Probleme der Molkerei Neukirchen sagt der Vorstandsvorsitzende der Milcherzeugergemeinschaft, Josef Jacobi: „Wir mussten Bürgschaften bedienen und deshalb haben wir den Milchpreis für die Bauern für Februar um 18 Cent gesenkt.“ Das ist ein Minus von 45 Prozent auf 22 Cent pro Kilogramm.
„Wenn wir wieder flüssig sind“
Der Rest werde nachgezahlt, „wenn wir wieder flüssig sind“, verspricht Jacobi. Für Lieferungen im März bekämen die Bauern nur 36 Cent, für April 38 Cent und für Mai voraussichtlich 40 Cent. Auch das ist weniger als der deutschlandweite Durchschnitt der nach Zahlen des Ökoverbands Bioland im März bei etwa 42 Cent lag.
Die Bauern müssen also bluten. Dürfen die Upländer dennnoch „Erzeuger-fair Milch“ auf ihre Packungen schreiben? Hans Foldenauer, Sprecher der Bunds Deutscher Milchviehhalter, antwortet: „Sie hatten jetzt keine Alternative mehr als das Milchgeld zu senken. Es war wohl wirtschaftlich notwendig.“ Die Bauern hätten in einer Mitgliederversammlung ja auch selbst beschlossen, die marode Molkerei zu übernehmen.
Mit der Übernahme wollten die Upländer ihre Produktion steigern und das Sortiment auf länger haltbare Waren wie Käse erweitern. Irgendwann sollte Neukirchen nur noch das lukrativerer Bio produzieren, doch in der Übergangszeit sollte das Werk weiter konventionellen Käse liefern. Aber die niedrigen Preise der Discounter in diesem Marktsegment deckten Jacobi zufolge nicht die relativ hohen Produktionskosten des Werks in Neukirchen.
Mitglieder der Molkerei werfen nun der Firmenleitung vor, sie hätte die Probleme früher erkennen und mitteilen können. „Das war keine Misswirtschaft“, entgegnet Jacobi. Er sieht die Schuld vor allem beim Beratungsunternehmen Team Müller Consulting, das den Upländern bei der Übernahme geholfen hat: „Die haben uns zu spät darauf hingewiesen, dass die konventionelle Käse-Produktion für den Discounter bei diesen Preisen unwirtschaftlich ist.“
Nur zehn Prozent lukrativerer Biokäse
Im übrigen habe die Molkerei bei Mitgliederversammlungen „die Fakten auf den Tisch gelegt.“ Der Chef des Beratungsunternehmens, Frank Müller, gibt den Schwarzen Peter zurück: „Wir haben sehr konsequent und sehr nachhaltig Maßnahmen eingefordert, die umzusetzen sind, damit das Werk erfolgreich geführt werden kann. Diesen Empfehlungen ist man nicht gefolgt.“
Dabei sei es um „Betriebsorganisation und Vertrieb“ gegangen. Fakt ist, dass Neukirchen auch zwei Jahre nach der Übernahme laut Jacobi nur zu zehn Prozent die lukrativeren Biokäse produzierte. Das meiste waren weiter die konventionellen Verlustbringer. Ob die Geschäftsführung zu lahm Bio-Kunden akquiriert hat oder eine schnellere Umstellung marktbedingt nicht möglich war, lässt sich von außen kaum beurteilen.
Die Bauern haben auf jeden Fall die Reißleine gezogen und beschlossen, sich von dem Werk zu trennen. Verkaufsgespräche laufen, die 44 Mitarbeiter produzieren trotz des Insolvenzantrags von Ende März erstmal weiter. Als Konsequenz aus dem Fiasko wollen die Upländer nun einen Prokuristen einstellen, damit die Geschäfte „betriebswirtschaftlich besser durchgearbeitet werden“, wie Jacobi sagt.
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