Grundstück-Deals in Hamburg-Altona: Stadt im Griff der Spekulanten
Auf einem Brauereigelände in Altona soll ein neues Quartier entstehen – zu dicht und zu teuer, finden Anwohner. Zudem sei der Investor unseriös.
Der Name spielt darauf an, dass es um das ehemalige Gelände der Holsten-Brauerei geht, ein Riesengrundstück in Sahnelage unweit des Altonaer Bahnhofs. Der Hamburger Senat hatte der Carlsberg-Brauerei, der Holsten seit einigen Jahren gehört, freie Hand beim Verkauf gegeben im Gegenzug dafür, dass der Konzern weiterhin auf Hamburger Gebiet Bier braut.
Für gut 150 Millionen Euro ging das Grundstück 2016 über den Tisch. Inzwischen ist es dreimal weiterverkauft worden, zuletzt für 320 Millionen Euro. Grunderwerbsteuer konnte der Stadtstaat dabei nicht einziehen, denn das Eigentum wanderte durch Firmenbeteiligungen, sogenannte share deals, von einer Hand in die andere. Nach Angaben der Zeit hat der aktuelle Eigentümer, die Adler Group, das Grundstück in seinem jüngsten Quartalsbericht noch einmal um 44 Millionen Euro höher veranschlagt.
Adler hat gute Gründe, den Wert des Hamburger Grundstücks hoch zu veranschlagen, denn die Aktie des Unternehmens ist im Oktober abgestürzt. Die Firma war von dem Spekulanten Fraser Perring angegriffen worden. Der aggressive Investor warf Adler vor, die eigenen Immobilien und Projekte mit einem zu hohen Wert zu veranschlagen. Außerdem seien die Fusions- und Übernahmeaktivitäten der Gruppe undurchsichtig. Adler hat die Vorwürfe zurückgewiesen. An das Holstenareal kam die Gruppe, indem sie sich den Grundstückseigentümer Consus einverleibte. Consus tritt weiterhin als Vertragspartner der Stadt auf.
Heike Sudmann, Linke
Heike Sudmann, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, findet, diese Nachrichten seien Grund genug, die Zusammenarbeit mit Adler/Consus in Frage zu stellen. „Was muss noch passieren, damit der Senat dieser Spekulation rund um das Holstenareal endlich den Riegel vorschiebt?“, fragt Sudmann mit Blick auf das schlechte Investment-Rating der Gruppe.
Schon allein die Aussicht auf einen rechtskräftigen Bebauungsplan steigere den Grundstückswert. Dabei gelte: „Je teurer das Grundstück, desto höher die Mieten.“ Mit der Verabschiedung des Bebauungsplans und der Unterschrift unter dem städtebaulichen Vertrag würde der Senat also die weitere Spekulation befördern, warnt die Linken-Abgeordnete.
Die Folgen der Spekulation treiben auch die Anwohnerinitiative um. Die hohen Mieten passten nicht zu den Bedürfnissen der wohnungssuchenden Hamburger. Außerdem strahlten sie in die Nachbarviertel aus und drohten diese verstärkt zu gentrifizieren.
Das neue Quartier werde zu hoch und zu dicht mit zu wenig Grün geplant. Und der städtebauliche Vertrag, mit dem die Stadt einen Anteil an Sozialwohnungen, mietpreisgebundenen Wohnungen, Baugemeinschaften und öffentlicher Infrastruktur wie einem Kindergarten festschreiben will, sei zu kompliziert, um handhabbar zu sein. „Das ist irrsinnig umfangreich“, räumt der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher ein. Er sieht aber keinen anderen Weg, um die Wünsche der Bezirksversammlung zu verwirklichen.
Die Bürgerini ist ohnehin mit dem Verhandlungsergebnis unzufrieden und fordert die Bezirksversammlung auf, die Unterschrift zu verweigern und den nötigen Bebauungsplan nicht zu beschließen. Der Stadtplaner Andreas Pfadt bezeichnete das als möglich. Die Vorfestlegung über den Vertrag beeinträchtige die vorgeschriebene Abwägung öffentlicher und privater Belange im Bebauungsplanverfahren. Nach den langen Verhandlungen mit Consus vom ausformulierten Vertrag zurückzutreten, hielte er für „unhanseatisch“, sagte dagegen Hielscher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee