piwik no script img

Herthas Kniefall gegen RassismusDie Fans reagieren skeptisch

Der Protest des Fußball-Bundesligisten wurde weltweit gelobt. Viele Anhänger aber halten den Kniefall für eine reine PR-Aktion.

Herthas Kniefall vor dem Spiel am Samstag gegen Schalke Foto: dpa

Selten, vermutlich nie, hat die Welt so sehr auf Hertha BSC geschaut wie in den vergangenen Tagen. Am Samstag hatte sich die Mannschaft samt Trainer und Manager vor dem Bundesliga-Spiel gegen Schalke kollektiv hingekniet, um sich mit den Protesten in den USA zu solidarisieren und – so die Stadion-Durchsage –, ein Zeichen für „Vielfalt, Toleranz und Verantwortung“ zu setzen. Seitdem wird diskutiert.

Nicht so sehr, was naheliegend wäre, über Rassismus und politische Verantwortung im Sport, sondern vor allem über eine Frage: War das ein bloßer Medien-Stunt? Viele Zeitungen hatten ebendas gemutmaßt – nicht ganz ohne Anhalt. Mit seinem flott-aggressiven Dauer-Marketing hat der Verein dafür eine Vorlage geliefert. Aber die Anti-Rassismus-Aktion hat offenkundig die Unterstützung des Teams, die Spieler traten laut dafür ein. Dennoch bleibt Skepsis.

„Im Internet ist es sehr negativ angekommen“, sagt der Wirt einer Hertha-Fankneipe zum Kniefall. „Es wurde als reine Nachmache der US-Proteste aufgefasst. Viele finden die Aktion nicht so berauschend.“

Im Forum „Hertha Inside“ vermuten fast alle einen PR-Hintergrund. „Hertha hat bewusst eine Grenze überschritten“, schreibt ein User. „Die haben zwar die PR bekommen, die sie wollten, aber dafür müssen die auch die Prügel aushalten, die völlig zu Recht auf sie einprasselt.“ Ein anderer kritisiert: „Ein politisches Instrument der Afroamerikaner wird hier für die eigene Aufmerksamkeit missbraucht.“ Viele finden es aufgesetzt, nicht authentisch. Oder sind politisch dagegen.

Das Misstrauen der eigenen Anhänger richtet sich vor allem gegen Marketing-Chef Paul Keuter, dem die neue offensive Ausrichtung von Hertha zugeschrieben wird. Ein Teil der Fans fühlt sich entfremdet angesichts der provokanten Selbstvermarktung des Vereins und der Anbiederung an die Gründerszene. Keuter aber sagte der Bild: „Wer glaubt, dass wir das aus Marketing-Gründen gemacht haben, dem ist definitiv nicht zu helfen.“

Kein Kommentar von Hertha BSC

Hertha kämpft mit dem Bumerang der eigenen Kampagne. Aus der Presseabteilung war Dienstagvormittag niemand für einen Kommentar zu erreichen. Die Spieler aber hatten schon am Wochenende zu ihrer Aktion gestanden. „Die komplette Mannschaft unterstützt den Kampf gegen Rassismus“, sagte Stürmer Salomon Kalou nach dem Spiel. „Das Hinknien ist für uns ein Weg, dieses Verhalten zu bekämpfen.“ Die Botschaft droht, in all der PR-Diskussion unterzugehen.

Das Misstrauen der eigenen Anhänger richtet sich vor allem gegen Marketing-Chef Paul Keuter

Trotzdem gibt es auch positive Unterstützung aus der Fanszene. „Egal, ob Keuter die Aktion angeregt hat oder nicht, jeder Spieler und Hertha-Verantwortliche auf der Bank hat freiwillig daran teilgenommen und die Aktion voll mitgetragen“, schreibt ein Hertha-User. Das stehe Berlin gut zu Gesicht. Die Mannschaft betonte beim Training am Montag, dass sie die PR-Gag-Aussagen an sich abprallen lasse.

Die internationale Presse immerhin berichtet deutlich positiver als in Deutschland; dem weltweiten Image von Hertha dürfte es einen Boost gegeben haben. Es gibt bekanntlich keine schlechte Werbung. Die eigenen Fans aber bleiben nüchtern. „Dass Hertha für Offenheit steht, ist längst bekannt, da hätte man sich nicht hinknien müssen“, sagt der Kneipenwirt. Was er davon hält? „Mir ist es relativ egal. Wenn wir guten Fußball spielen, würde mir das schon reichen.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • "Viele finden es aufgesetzt, nicht authentisch. Oder sind politisch dagegen."

     

    Wenn viele Hertha-Fans politisch gegen eine Anti-Rassismus-Aktion und ein Zeichen für „Vielfalt, Toleranz und Verantwortung“ sind, dann bedeutet dies, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Fans intolerante Rassisten sind.

     

    Und dann ist eine solche Aktion doch begrüßenswert, um den Rassismus in den Köpfen (z.B. Werner S) zu bekämpfen!

  • Selbst wenn Hertas Absichten nicht so hehr sind, dann bleibt doch immerhin als nach außen getragenes Ziel die Solidarität mit den Opfern in den USA! Und das ist doch etwas! Ganz bedeutend würde es, wenn mehr oder weniger alle Vereine sich daran beteiligen würden. Ein Protest oder 'Verbot' von Seiten ewig gestriger Funktionäre würde dann nur deren wahre Gesinnung aufzeigen. Die Spieler könnten dann solidarisch dagegenhalten!

  • Alle Spieler haben freiwillig teilgenommen? Haben die keine eigene Meinung zu haben?







    Daß Hertha anschließend verloren hat, ist nur folgerichtig wenn man vor dem Spiel zuviel denkt.

     

     

    Kommentar gekürzt. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl. Die Moderation

  • Der Marketingleiter wird also beschuldigt...

     

    Dann müssen alle Kritiker wissenschaftlich unterscheiden PR Aktionen von Aktionen und Gesellschaftsbeiträgen, die von Corporate Identity ausgehen.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Corporate_Identity

     

    Es ist eher Neid und keine konstruktive Kritik!

     

    Und überhaupt was will die Bild von Hertha?

     

    Mal ist ein Fußballverein im Rampenlicht und nicht die Bild. Was für ein Pech für Bild.

     

    Ich bin sehr stolz darauf, dass wir in Deutschland neben der Nationalmannschaft noch eine Heldenmannschaft haben - die Hertha BSC, die sich für die Gerechtigkeit in der Welt und in Deutschland einsetzt und nicht hinter Geld läuft!

    • @Stefan Mustermann:

      -UNVEU -

  • An alle Kritiker der Hertha!

     

    Einnahmen (Geld) im Vorjahr/ in der abgelaufenen Spielzeit 2016/2017 beliefen bei Hertha BSC sind bescheiden ausgefallen.

    http://fussball-geld.de/einnahmetabelle-der-bundesliga-alle-wettbewerbe/

     

    Nur Platz 14 von 18 von allen Bundesligavereinen! Dabei hat die Mannschaft erfolgreich in der Meisterschaft gespielt und war in Europa aktiv. Falls es immer noch Fans gibt, die das nicht verstehen... Es ist nicht der Sinn und Zweck dieses Vereins, den höchstmöglichen Gewinn zu erwirtschaften!

     

    PR Aktionen, die Geld viel bringen, machen Bayern, Real Madrid, Barcelona, Manchester Citi, PSG...

     

    Hat diese "Aktion" der Mannschaft Geld gebracht?

     

    Nein!

  • Keuter aber sagte der Bild: „Wer glaubt, dass wir das aus Marketing-Gründen gemacht haben, dem ist definitiv nicht zu helfen.“

     

    Diesen Worten kann man nur zustimmen!

     

    Das ist nicht neu, dass Hertha sich gesellschaftlich für gute Zwecke engagiert!

     

    Hertha BSC gegen Judenhass | Bundesliga | Berlin #hahohe

    https://www.youtube.com/watch?v=F55ljD3smyg