Der Berliner Wochenendkommentar II: Abstimmen über Luftschlösser
Die Mitgliederversammlung von Hertha hat beschlossen, dass es einen Stadionneubau auch weiterhin außerhalb Berlins geben könnte. Aber muss überhaupt gebaut werden?
Jetzt hat die Mitgliederversammlung am Montagabend also entschieden, dass Hertha ein Stadion weiterhin auch außerhalb von Berlin bauen darf. Obwohl letztlich natürlich gar nichts entschieden wurde, weil Hertha bislang keinen einzigen praktikablen Vorschlag vorgelegt hat, wo denn ein Stadion stehen sollte. Auf dem Olympiagelände sprechen Denkmalschutz und Platzprobleme dagegen. Ein Umbau des Olympiastadions wäre unsinnig, teuer und gegen den Wunsch der Leichtathleten. Und woanders ist kein Platz. Auch von einem Investor gibt es bislang keine Spur. Die Mitglieder führen gerade eine hochemotionale Diskussion auf sehr dünner sachlicher Basis. Sie stimmen über Luftschlösser ab.
Dass die Versammlung entschieden hat, Hertha soll nicht in Berlin bleiben müssen, ist sinnig. Der Verein könnte durchaus gezwungen sein, ins Umland auszuweichen, und würde sich mit einem Verbot jeden Spielraum nehmen. Nicht umsonst suchten die Verantwortlichen im Vorfeld der Abstimmung hektisch nach Schlupflöchern – jetzt können sie aufatmen. Die vermeintliche Mehrheit der Anti-Ludwigsfelde-Fraktion war gar keine, jedenfalls keine Dreiviertelmehrheit.
Das Hin und Her zeigt die Schwächen von Basisdemokratie
Das Hin und Her zeigt dem Fußball schmerzlich die Schwächen von Basisdemokratie auf. Volkes Stimmung ändert sich schnell. Und die Debatte um Ludwigsfelde wurde von emotionalen Argumenten à la „Hertha ist ein Berliner Verein“ dominiert – mit Rationalität und Taktik hatte sie wenig zu tun. Ludwigsfelde in der Hinterhand ist wichtig, denn Hertha hat nicht gerade viele Alternativen. In den Verhandlungen mit dem Senat schwächen die Mitglieder mit dem Hickhack ihren Verein.
Dabei gab es ironischerweise ja nichts Substanzielles zu entscheiden. Konkrete Überlegungen will der Verein erst Ende des Jahres verkünden. Geht es allerdings weiter gegen den Abstieg statt um die Europa League, könnte das die großen Pläne für den Olympiapark unversehens in einen Mini-Kompromiss mit verbesserten Mietkonditionen im Olympiastadion verwandeln. Und sagt der Senat zum Olympiagelände Nein, kann Hertha froh sein, nicht in der Satzung stehen zu haben, dass man nur in Berlin bauen darf.
Leser*innenkommentare
stadtlandmensch
Wofür braucht Hertha ein zweites Stadion? Größenwahnsinnig?
Das Olympiastadion steht ja meistens leer. Wenn es dort alle 1 bis 2 Wochen mal eine Großveranstaltung mit so vielen Besuchern gibt, dass man so ein großes Stadion tatsächlich braucht, sind das häufiger Fremdveranstaltungen wie Konzerte usw. als Fußball.