Hertha BSC auf Shoppingtour: Auf dem Weg in ganz große Zeiten

Hertha BSC will Spieler von internationalem Format und vernachlässigt eigene Talente. Die Strategie könnte zur Hypothek werden. Ein Wochenkommentar.

Winterpause bei Hertha: Jürgend Klinsmann grinst vor der Hertha-Bank

Dream big: Klinsmann soll den Investorentraum auf den Platz bringen Foto: dpa

Der erste Winterzugang ist eher mickrig geraten für die Sehnsüchte des Duos Klinsmann/Windhorst. Seit Mittwoch steht fest, dass Mittelfeldmann Santiago Ascacíbar zu Hertha BSC wechselt, zuletzt war er Zweitligaspieler beim VfB Stuttgart. Kein Transfer, der Deutschland und Europa aufhorchen lässt; viele Berliner Anhänger dürften den Namen erst mal gegoogelt haben.

Es werden aber sicherlich weitere Verpflichtungen folgen auf dem Weg in die ganz, ganz großen Zeiten. Derzeit lässt sich Hertha mit beinahe jedem mittelgroßen Fußballernamen in Verbindung bringen, der zu haben wäre, von Mario Götze über Julian Draxler bis hin zum aktuell doch wieder schwebenden Transfer von Granit Xhaka. Für Lyons Mittelfeldspieler Lucas Tousart bieten die Berliner angeblich 25 Millionen Euro, auch Barcelonas Jean-Clair Todibo hätte man gern.

Jetzt zeichnet sich ab, wie heftig der Klub sich strukturell durch den Einstieg von Investor Lars Windhorst und seines verlängerten Arms Jürgen Klinsmann verändert. Es ist ein radikaler Bruch mit der Strategie der vergangenen Jahre, in denen Hertha sich erfolgreich als lokaler Talente-Entwickler positionierte, und auch ein Bruch mit Klinsmanns fröhlichem „Jugend forscht“-Image aus seinen Nationaltrainer-Zeiten.

Der neue Hertha-Trainer formuliert die Ziele gewohnt großspurig: Es würden vorrangig nur noch Spieler „von internationalem Kaliber“ geholt. „Wir schauen jetzt, was bei den Champions-League-Klubs so abläuft. Welcher Spieler ist dort vielleicht nicht so gut aufgehoben?“ Der Verkauf von Nachwuchstalent Sidney Friede lässt vermuten, dass junge Spieler es schwerer haben werden, sich hier zu etablieren. Hertha hat eine große Chance und scheint dem Trend der deutschen Spitze zu folgen: Klubs wie Leipzig, Dortmund oder Bayern bringen allesamt so gut wie keine Spieler aus der eigenen Jugend in ihren Profikader. Fertige Spieler rentieren sich schneller.

Dream big

Allerdings zielt der Berliner Erstligist beim Großeinkauf verdächtig viel mit der Schrotflinte: Ob Draxler oder Götze, egal, Hauptsache, es glitzert. Das dauernde Gerede von Champions-League-Spielern verkennt, dass der Klub woanders klüger und systematischer einkaufen könnte, und klingt auch schon etwas albern. Dream big.

Ob Julian Draxler oder Mario Götze, egal, Hauptsache, es glitzert

Das Hauruckunternehmen hat zugleich, so ist das Wesen des Fußballs, mehr Erfolgsaussichten, als ihm mancher zuschreibt: Es ist eine vom US-Sport inspirierte Rundum­erneuerung. Je höher die Personalinvestition, desto größer der sportliche Erfolg, das ist ein hinreichend belegter Zusammenhang im Fußball. Wer genug Geld reinsteckt hat, hat, wenn er sich nicht besonders blöd anstellt, fast zwangsläufig Erfolg.

Hertha BSC balanciert derzeit auf einem schmalen Grat: Falls Windhorst weiterhin großzügig zahlt, warten sportlich und PR-technisch gute Zeiten, wenn auch gewiss nicht der laut verkündete Titelkampf in drei bis fünf Jahren. Falls der Investor die Lust verliert, sitzt man auf teuren Personalkosten und finanziellen Löchern.

Und werden sich die Draxlers und Götzes dieser Welt überzeugen lassen von Herthas American Dream? Vorerst bleibt es Shopping im Konjunktiv.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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