piwik no script img

Henry Fondas FilmrollenReise durch das amerikanische Kino

Alexander Horwaths Film „Henry Fonda for President“ setzt ein Denkmal für einen Schauspieler. Es geht um Bilder zivilisierter Männlichkeit (Forum).

Beeindruckend trostlos sind die Orte in „Henry Fonda for President“ Foto: Mischief Films/Media Film Factory/Michael Palm

Im Wahljahr 1976 lieferte der Hollywoodstar Henry Fonda in der Sitcom „Maude’s Mood“ einen perfekt geschriebenen Cameo-Auftritt. Als Schauspieler auf Jobsuche platzt er irrtümlich in die Party, in der die aufgedrehte Maude ihre Kampagne „Henry Fonda for President“ starten will. Sie preist seine spiritual honesty und seine Immunität gegen Korruption und meint damit – ein Wink mit dem Zaunpfahl – das gegenteilige Image des republikanischen Vorwahlkandidaten Ronald Reagan (der am Ende erst 1981die Wahl gewann).

Fonda lehnt die Ehrung ab, denn eine Katze könne zwar im Backofen Kätzchen zur Welt bringen, aber Kekse könne man nicht daraus backen. Aura und handfeste Realitäten sind eben zweierlei, auch wenn Kino, Fernsehen und Celebrity-Ruhm die Grenzen im Zeitalter der „Gesellschaft des Spektakels“ (Guy Debord) immer effizienter verwischt haben.

Das nonchalante Nein deutet der Film­essay „Henry Fonda for President“ von Alexander Horwath in einem komplexen, keine Minute langweilenden Bilder- und Gedankenstrom als eins der zahlreichen Beispiele für Henry Fondas charakteristisches Understatement, mit dem er nicht zuletzt in fünf Filmen als amerikanischer Präsident zur Projektionsfläche für die Sehnsucht nach Integrität und Glaubwürdigkeit wurde.

Nächste Vorführungen

21. 2., 16.30 Uhr, Cubix 7

23. 1., 10 Uhr, Arsenal 1

Ausgehend von einem Lebensfazit, das Fonda kurz vor seinem Tod im Jahr 1982 im Gespräch mit dem Filmbuchautor Lawrence Grobel zog, geht der dreistündige Film anhand gut ausgewählter Clips der Entwicklung von Henry Fondas Rollentypen nach, untersucht die Widersprüchlichkeit vieler Filmfiguren, vor allem jedoch die in die Filme eingeflossenen Geschichtsbilder.

Gewaltgeschichte der USA

Am Beispiel von „Young Mr. Lincoln“ von John Ford (1939) beobachtet er zum Beispiel, wie sich die Leinwandpersona des tugendhaften und doch entschieden handlungsfähigen künftigen Präsidenten herausbildet. Später, vor allem in Fondas Western, findet der Filmhistoriker und ehemalige Leiter des Österreichischen Filmmuseums in Wien die Gegenbilder in seinem plötzlich aufflammenden Jähzorn. Horwath deutet sie nicht psychologisch, sondern dem roten Faden seiner Reise durch das amerikanische Kino folgend als Spiegel einer inneren Zerrissenheit, in der die Gewaltgeschichte der Kolonisierung, Versklavung und ungezügelten Profitmaximierung eruptiv nach außen dringt.

John Fords „Drums along the Mohawk“ ist eines der anschaulichen Beispiele für die albtraumhafte Wiederkehr des Verdrängten, wenn das junge Siedlerpaar Fonda und Claudette Colbert die Rache der Indigenen fürchten muss, ohne Bewusstsein dafür, dass sie an der „Expansion und Extraktion natürlicher Ressourcen“ im Land der Irokesen teilhaben.

Die beeindruckend trostlosen Dokumentaraufnahmen des Films (Kamera: Michael Palm) schildern touristisch genutzte Schauplätze der amerikanischen Geschichte, die in den Plots ikonischer Filme eine Rolle spielten, heute aber dem Verfall oder einer durchkapitalisierten Nutzung preisgegeben sind. So führt der Film zur Old Trails Arch Bridge in der Mohavewüste, über die Fonda in John Fords „Früchte des Zorns“ während der Weltwirtschaftskrise fährt, um eine Existenz als Wanderarbeiter in Kalifornien zu finden, dort im Lager der Migranten die Ausbeutung durch die Plantagenbesitzer kennenlernt und seinen berühmten Monolog über das Recht zum Widerstand hält.

Fondas Herkunft führen die Exkurse des Films bis zu den ersten niederländischen Kolonisten des 17. Jahrhunderts zurück. Starke Vorfahrinnen unter ihnen, aber auch die Zerstörung der überlieferten matrilinearen Kultur der Indigenen gehören zu dem kulturellen Erbe, das Alexander Horwaths Reise durch Fondas USA an die Oberfläche bringt. Der Filmstar stand – mit Ausnahme seiner Rolle als eiskalter Killer in „Spiel mir das Lied vom Tod“ – für den Kampf für zivilisierte Männlichkeit, von der Widersprüchlichkeit dieser Projektionsfläche handelt „Henry Fonda for President“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!