Hells Angel Frank Hanebuth: Der Rocker der Bosse
Um den früheren Hannoverschen Hells-Angels-Chef Frank Hanebuth ranken sich viele Legenden. Doch die „Maschsee-Mafia“ ist in die Jahre gekommen.
An Hanebuths Stuhl lehnt eine Krücke und man sieht dem Rockerboss an, dass er einigermaßen fassungslos ist. Er habe sich gerade erst einer Hüft-OP unterzogen, vermeldete die Hannoversche Allgemeine Zeitung.
Ein Dreivierteljahr zuvor hatte die Lokalpresse Hanebuth noch abgebildet, wie er sich von seinem Architekten Baupläne zeigen ließ: Bordelle zu Studentenwohnungen lautete das Stichwort. Mit teuren Mini-Appartements will der Kiez-Boss das in der Coronakrise auf den Hund gekommene Amüsierviertel wiederbeleben.
Zwei Dinge lassen sich aus diesen Bildern ablesen: Hanebuth ist immer noch wer. Aber möglicherweise nicht mehr ganz der Alte. Wobei sein Image ja schon die ein oder andere Achterbahnfahrt hinter sich hat.
Der Rocker-Boss und der Promi-Anwalt
Die Legende rund um den Hells-Angels-Boss hat ihren Ursprung in den 2000er-Jahren. Nachdem es in den 90er-Jahren eine Reihe von blutigen Auseinandersetzungen in dem Hannoverschen Rotlichtbezirk am Steintor gegeben hatte, besetzten Ende der 90er die Hells Angels unter Frank Hanebuth das Terrain.
In der Stadtgesellschaft und der Lokalpresse sammelte er damals viele Punkte: Er habe das Gebiet befriedet, hieß es. Außerdem trieb er die Ansiedlung von Clubs voran, die aus dem schmuddeligen Rotlichtbezirk eine angesagte Partymeile machten.
Dafür feierte man ihn. Zwei Umstände dürften dabei hilfreich gewesen sein: Zum einen die romantisierende Vorstellung von Rockern als Easy-Rider-Outcasts, zum anderen der durchaus salonfähige Rassismus, der da sagte, besser Hells Angels als Albaner/Türken/Kurden/Russen oder wer sich sonst gerade um die Vorherrschaft in diesem Marktsegment prügelte.
Was in diesem speziell hannoverschen Fall aber auch sehr half: Ein Anwalt mit Hang zu allem, was irgendwie prominent und einflussreich ist. Götz von Fromberg war nicht nur über einige Jahre hinweg Kanzleipartner von Gerhard Schröder, sondern auch Hanebuths Rechtsvertreter in allen Lebenslagen.
Von Fromberg lud gern zu Herrenabenden in seine Villa ein, dort entstanden Fotos mit Prominenten wie Thomas Gottschalk, Udo Lindenberg, Scorpions-Sänger Klaus Meine, aber auch Wirtschaftsführern wie dem AWD-Gründer Carsten Maschmeyer, TUI-Chef Michael Frenzel, VW-Personalvorstand Peter Hartz sowie mit SPD-Spitzenpolitikern wie Sigmar Gabriel und Gerhard Glogowski.
Rocker-Frieden und ein unvorsichtiger Polizeipräsident
Es waren diese Verbindungen, die wesentlich zum Mythos Frank Hanebuth beitrugen, genauso wie die offensichtliche Duldung seiner Aktivitäten durch die Stadt. Hanebuth dominierte mit einem schwer durchschaubaren Geflecht aus Tochterfirmen nicht nur das Steintor mit den Diskotheken und Bars zwischen Stripclubs, Pornokinos, Bordellen und Spielhöllen, seine Türsteher und Sicherheitsleute sollen in jenen Jahren auch bei so ziemlich jedem Großevent in der Stadt am Start gewesen sein.
Irgendwann wuchs sich die Konkurrenz zwischen den Rockerclubs Bandidos und Hells Angels in Norddeutschland jedoch zu einem regelrechten Krieg aus. Das war der Punkt, an dem auch in der Medienöffentlichkeit (vor allem der außerhalb Hannovers) „Rockerkriminalität“ zunehmend kritisch diskutiert wurde und es langsam vielen Leuten dämmerte, dass man hier den Bock zum Gärtner gemacht hatte.
Wobei offenbar nicht jeder begriff, dass der Wind sich gedreht hatte. So sorgte zum Beispiel noch der Fall des damaligen Polizeipräsidenten Christian Grahl für Aufsehen. Der hielt es 2011 noch für eine kluge Idee, sich nach einem Polizeisport-Event mit dem Dienstwagen zum Bier in Hanebuths Sansibar fahren zu lassen.
Das war selbst dem damaligen CDU-Innenminister Uwe Schünemann zu viel, er entließ Grahl. Der fiel aber weich: Nach Zwischenverwendungen im Landesamt für Statistik und als Abteilungsleiter im Landwirtschaftsministerium fungierte er von 2014 bis 2021 für die CDU als Bürgermeister der Stadt Garbsen.
Mallorca und der Weg zurück
Hanebuth löste das Hells Angels-Chapter in Hannover auf, um einem Verbot zuvorzukommen. Nach einer spektakulären Durchsuchung seiner Villa in der Wedemark, bei der sich die GSG-9 vom Hubschrauber abseilte, verlagerte er seinen Lebensmittelpunkt zunehmend nach Mallorca, wo ihn die spanische Polizei vor zehn Jahren festnahm.
In Deutschland ist es nie gelungen, Hanebuth schwere Verbrechen nachzuweisen. Er ist lediglich ein paar Mal wegen Körperverletzung verurteilt worden – meist auf Bewährung oder zu einer Geldstrafe.
Zwischen der Untersuchungshaft und dem langen Warten auf den nun begonnenen Prozess in Spanien kehrte er 2017 nach Hannover zurück, heiratete seine langjährige Freundin und eröffnete eine neue Biker-Kneipe am Steintor. Prominente wurden dort bisher nicht gesichtet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter