Heiße Themen im Netz: Zeitung knickt vor Trollen ein

Weil sie hetzerischer Kommentare im Netz nicht mehr Herr werden, posten die „Lübecker Nachrichten“ ihre Artikel über Flüchtlinge nicht mehr auf Facebook.

Vertreten gern die gleiche Position wie manch Troll im Internet: Demonstranten beim Protest gegen ein Flüchtlingsheim. Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Lübecker Nachrichten (LN) knicken im Netz vor Hetze und ausufernden Kommentarspalten ein. Ende vergangener Woche erklärten die Lübecker Nachrichten auf ihrer Facebook-Seite, man werde künftig keine „Berichte in Sachen Flüchtlinge in Lübeck“ mehr posten.

Grund sei nicht, dass die Onlineressorts das Thema irrelevant finden, betont Timon Ruge, Ressortleiter der Onlineredaktion der LN im sozialen Netzwerk. „Die Masse der justitiablen Anfeindungen und die Folgen wie Beleidigungsklagen sind einfach nicht mehr zu handhaben“, erklärt Ruge weiter. Diese polemischen Exzesse widersprächen der Netiquette und der ansonsten freundlichen und sachlichen Gesprächskultur auf diesem Kanal. Bei der Entscheidung das polarisierende Themenfeld nicht zu mehr auf Facebook zu verbreiten, handele es sich um eine vorläufige, betont das Blatt.

Die LN wollen das Vorgehen nicht als ein Einknicken vor Rechtsaußen-Kommentatoren verstanden wissen. Eher schon gehe es darum, ausufernde Diskussionen und Anfeindungen zu unterbinden.

„Unser Vorgehen bezieht sich auf die Debatte um eine Erstaufnahme-Einrichtung für Flüchtlinge und die Auswüchse, die sich in Kommentaren auf Facebook daraus entwickelt haben“, sagt Lars Fetköter, der stellvertretende Chefredakteur der Lübecker Nachrichten der taz. Sowohl Gegner als auch Befürworter der Einrichtung hätten sich gegenseitig beleidigt und ehrverletzend angefeindet.

Als Trolle werden Leute bezeichnet, die im Internet als Nutzer auftauchen, denen es bloß darum geht, Debatten bewusst zu stören:

Ihr Ziel ist es, weniger abweichende Meinungen zu vertreten. Auf diese Weise wollen sie die Verständigung stören und legen es auf das Nichtgelingen von Kommunikation an.

Die Regel "Do Not Feed The Troll" besagt, besser gar nicht erst auf Trolle einzugehen, weil sich diese von der Aufmerksamkeit anderer Nutzer ernähren.

Troll-Kommentaren sollte man laut dem Mediensoziologen Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut am besten dadurch begegnen, sie für andere Nutzer unsichtbar zu machen.

Wenn Beleidigungen überhand nehmen, verfehle die offene Debatte auf Facebook, der sich das Blatt sonst auch weiterhin gerne stellen will, ihren Zweck, so Fetköter weiter. „Wir berichten in der Zeitung und auf LN Online weiter offen und ausführlich über Flüchtlinge, den Umgang mit ihnen und ihre Unterbringung“. Nach wie vor stehe allen Lesern die Kommentarfunktion auf der Internetseite LN Online frei.

Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg spricht von einem bemerkenswerten und drastischen Schritt. „Anscheinend haben die LN Konsequenzen gezogen, weil sie nicht mehr gewährleisten konnten, dass die Diskussionen nicht aus dem Ruder laufen“, sagt der Mediensoziologe. Insofern handele es sich um eine angemessene Reaktion. „In einer idealen Welt hätten die LN genügend Ressourcen für die Moderation und auch eine Leser-Community, die destruktive Kommunikation sanktioniert“, sagt er.

Wichtig, Diskussionen zu begleiten

Im Internet treten immer wieder Störenfriede auf, die Diskussionen schwierig machen oder sie sogar gezielt sabotieren. Gemeint sind damit sogenannte Trolle: Internet-Nutzern, denen es darum geht Kommunikation zu stören.

Redaktionen bewältigen ausufernde Kommentarspalten unterschiedlich: „Bei den NDR-Präsenzen im Internet gibt es keine Tabu-Themen oder inhaltlichen Beschränkungen“, sagt Iris Bents vom NDR. Und auch der Spiegel lässt sich „in der inhaltlichen Themenauswahl auf unseren Social-Media-Kanälen nicht dahingehend beeinflussen, dass wir Themen ausklammern“, sagt der Social-Media-Leiter Torsten Beeck. „Es ist uns aber wichtig, Diskussionen zu begleiten und moderieren, also müssen entsprechend Redakteure dafür Freiräume haben.“

Letztlich sei die Sichtweise aber viel zu sehr auf die steuerbaren Kanäle beschränkt: „Nutzer teilen und kommentieren unsere Inhalte, ohne dass wir darüber Kontrolle hätten“, sagt Beeck. Auch hier würden Meinungen mit der Marke verknüpft, die man sich nicht zu eigen machen wolle. „Mit diesem Kontrollverlust müssen wir leben.“

Auch die taz verzichtet nicht auf Facebook-Post aus Angst vor User-Kommentaren. Doch es bleibt nicht alles stehen: „Bei der Diskussion um Pegida etwa kommen viele Trolle oder Nazis auf unsere Seite, die rechte Kommentare posten. Diese löschen oder verstecken wir, so dass sie für andere User nicht mehr sichtbar sind“, sagt taz-Community Managerin Anna Böcker.

Das gilt zum Beispiel für Hass-Kommentare, die gegen die Regeln verstoßen. Anschließend würde der taz oft Zensur vorgeworfen, sagt Böcker. „Leute denken häufig, sie haben Pressefreiheit und können auf unserer Seite posten, was sie wollen. Wir sind jedoch verantwortlich für unsere Seite und wir haben eine Netiquette.“

Den Zensur-Vorwurf kennt auch Schmidt. Er sei aber Unsinn. „Denn den Leuten steht es ja frei, ihre Meinung zu äußern, auch wenn sie das nicht auf der Seite der Lübecker Nachrichten tun dürfen.“ Jede Zeitung hätte ihr gutes Recht, selbst zu entscheiden, welche Beiträge sie veröffentlicht und welche nicht.

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