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Heiko Maas über rechte Gewalt„Vor den Taten kommen die Worte“

Wir müssen die verbale Radikalisierung stoppen, sagt Justizminister Heiko Maas. Das Abschneiden der AfD bezeichnet er als Bewährungsprobe für die Demokratie.

Heiko Maas am Donnerstag am Rande des Gipfels Foto: dpa
Konrad Litschko
Interview von Konrad Litschko

taz: Herr Maas, im letzten Jahr gab es über 1.000 Straftaten gegen Asylunterkünfte. Sie haben jetzt mit den Landesjustizministern Gegenmaßnahmen vereinbart. Hatten Sie rechte Gewalt zuvor unterschätzt?

Heiko Maas: Das Ausmaß der Gewalt ist erschütternd. Ich befürchte aber, dass viel von dem Hass, der jetzt offen zu Tage tritt, nicht neu ist. Die Hemmschwellen sinken leider immer weiter. Das ist eine dramatische Entwicklung. Das darf und wird unser Rechtsstaat niemals dulden.

Was wird jetzt besser?

Wir werden einige konkrete Maßnahmen ergreifen, um Straftaten schneller und effektiver aufzuklären. Dazu werden wir den Informationsaustausch zwischen Ländern und Generalbundesanwalt verbessern, um bestimmte Tatmuster schneller zu erkennen. Politisch motivierte Gewalt wird in Zukunft besser statistisch erfasst, damit wir genauer wissen, wie viele Täter tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden. Und: Wir werden schon bei der Entstehung eines gewalttätigen Klimas ansetzen, indem wir Hasskriminalität im Internet stärker bekämpfen.

Letzteres gelingt bisher kaum: Rechte Gewaltfantasien kursieren weiter. Wo wollen Sie ansetzen?

Es ist gut, dass Unternehmen wie Facebook mittlerweile anerkennen, dass auch für sie das deutsche Strafrecht gilt, und dass sie rechtswidrige Inhalte schneller löschen wollen. Hasskriminalität gehört nicht ins Netz, sondern vor einen Richter. Und da landet sie auch zunehmend. Nur ein Beispiel aus den letzten Monaten: 2 Jahre und 3 Monate Haft ohne Bewährung vom Amtsgericht Kitzingen wegen Volksverhetzung und Aufforderung zu Gewalt gegen Flüchtlinge, Ausländer und Juden. Über solche Strafen sollte jeder mal nachdenken, der seinen fremdenfeindlichen Müll bei Facebook und anderswo absondert.

Laut Behörden wurden viele Anschläge von Tätern begangen, die bis dahin nicht auffällig waren. Was hilft gegen radikalisierte „Wutbürger“?

Wie ich eben sagte: Wir müssen schon die verbale Radikalisierung stoppen. Denn: Vor den Taten kommen meist die Worte. Strafbare Postings müssen konsequent verfolgt werden, gegen die Verbreitung von Hass müssen wir alle unsere Stimme erheben. Außerdem müssen wir den Ermittlungsdruck erhöhen. Wer immer einen Anschlag erwägt, muss wissen, dass der Staat alles tun wird, um ihn zu finden und zu bestrafen.

Im Interview: Heiko Maas

48, ist seit Dezember 2013 Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz. Vorher war er SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag des Saarlandes und ab 2012 saarländischer Wirtschaftsminister. Seit 1989 ist Maas Mitglied der SPD.

In den Ländern triumphiert die AfD. Sie nannten deren Leute mal „rhetorische Brandstifter“. Muss auf sie genauso reagiert werden?

Das Abschneiden der AfD ist eine Bewährungsprobe für unsere Demokratie. Wir müssen klare Haltung zeigen gegen Protestierer und Vereinfacher. Die dumpfen Parolen müssen wir mit sachlichen Argumenten entlarven. Wir sind gemeinsam gefordert, wenn die AfD die Flüchtlingsdebatte zur Radikalisierung des politischen Klimas missbraucht. Da darf die schweigende Mitte nicht länger schweigen. Wir alle müssen uns entschieden zu Wort melden, um den Hetzern nicht das Feld zu überlassen.

Sie trafen nur die Justizminister. Bräuchte es nicht einen Schulterschluss aller Ressorts?

Ja. Gegen rechte Gewalt müssen wir alle staatlichen Kräfte bündeln. Wir brauchen eine enge und effektive Zusammenarbeit aller Behörden. Täter dürfen nicht ungestraft davonkommen. Und wir müssen auch präventiv alles tun, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Die vorhandenen Programme sollten ausgebaut und die Finanzierung dauerhaft gesichert werden.

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13 Kommentare

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  • Ich rechne mit einigen Jahren AfD-Präsenz und einer verstärkten rechtskonservativen Etablierung.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Als amtierender Justizminister hätte Maas ja allerhand Möglichkeiten, das umzusetzen, was er ständig fordert bzw. ankündigt.

    Er ist der erste, der seinen vielen Worten Taten folgen lassen sollte.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Das ist richtig, aber auch, dass de Maizière diesen Absichten ganz und gar nicht folgen wird. Der ist nämlich selber einer der üblen Demagogen - nur macht er das sehr subtil...

      • @1714 (Profil gelöscht):

        Und weil Maas das weiß, kann er ruhig große Töne spucken. Good guy, bad guy, compris?

         

        :)

  • Es ist eine höchst gefährliche Schiene, auf die sich Maas hier begeben hat.

     

    Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die geschaffenen Strukturen auf alle gerade unliebsamen Zeitgenossen übertragen wird. Heute sind es rechte Spinner, morgen Umweltaktivisten und Linksautonome. Übermorgen dehnt es sich auf die Gesamtbevölkerung aus, die sowieso mit einem Bein im Knast steht.

     

    Gewalt gehört massiv bestraft, keine Frage. Aber was hier gerade aufgebaut wird, ist ein Apperat der auch für ganz andere Dinge gut sein wird...

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Nobodys Hero:

      Rechte Spinner?

      Ach was, besorgte Bürger sind's und die kann man schlecht verbieten wollen, auch wenn sie zündeln.

      • @571 (Profil gelöscht):

        Wollten Sie wirklich auf meinen Post antworten?

         

        Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht.

  • Facebook mag ja seinen guten Willen bekunden, gegen Hasskommentare entschlossener vorzugehen. Die Praxis jedoch sieht bis dato anders aus. http://www.mimikama.at/allgemein/facebook-sperrt-aufgrund-satire/

    Wenn ich dagegen rechte Hetzkommentare melde, teilt mir Facebook stets mit, dass diese nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen.

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Es würde schon ausreichen, wenn die christlichen Parteien sich die kath. Soziallehre und Artikel 1 unseres Grundgesetzes zu Herzen nähmen. Nicht immer den scheiß Politikersprech Herr Justizminister. Wie steht es schon in der Bibel: Nicht an euren Reden, an euren Taten werdet ihr gemessen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Heiko Maas mag man das ja gerne glauben, doch "dumpfe Parolen" hört man auch von der mitregierenden CSU. Will er gegen die auch vorgehen? Nötig wär's! Wird die Justiz zusammen mit dem fragwürdigen Innenminister Maiziere massive Massnahmen ergreifen um Gewaltdemos und Brandstiftungen zu verhindern? Da bleiben handfeste Zweifel.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @1714 (Profil gelöscht):

      Ihr Namensgeber rotiert bei solchen Aussagen sicher im Grabe um die eigene Achse!

       

      Die Äußerungen der CSU sind populistisch und werden von vielen Abgelehnt, mich einbegriffen. Dennoch machen mir Menschen wie sie, die gegen Meinungen vorgehen wollen viel mehr Angst als pöbelnde Hinterwäldler.

       

      Der Trend dazu Ungenehmes einfach verbieten zu wollen ist eine viel größere Gefahr für die Demokratie als das Resultat einer demokratischen Wahl.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @33523 (Profil gelöscht):

        Wenn ich Ihre Antwort auf Voltaire richtig verstanden habe, fallen Ihrer Ansicht nach Gewaltdemos und Brandstiftungen unter "Meinungen", bzw. "Unangenehmes", die zu verbieten die Demokratie gefährdet?

        Au weia.

        • 1G
          1714 (Profil gelöscht)
          @571 (Profil gelöscht):

          Ich kann Janus verstehen. In der Tat habe ich mich möglicherweise nicht deutlich genug ausgedrückt. Klar kann man seine Meinung sagen, doch Meinung ist das eine, das andere ist Hetze. Und die hat Voltaire ganz sicher nicht verteidigt.