Heidi Reichinnek über Linken-Abstimmung: „Ergebnis einer demokratischen Wahl“
Die neu gewählte Gruppenvorsitzende der Linken im Bundestag über die enge Kampfabstimmung und ob sie mit Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten möchte.
taz: Frau Reichinnek, führen Sie die Gruppe der Linken in den Untergang?
Heidi Reichinnek: Ich führe die Gruppe der Linken wieder zurück zum Fraktionsstatus. Mein Ziel ist, dass wir bei der nächsten Wahl 2025 wieder in den Bundestag einziehen.
Ist das denn realistisch?
Wir hatten als Linke schon größere Krisen als momentan. Wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten – an dieses wichtige Motto halten wir uns. Bei der aktuellen politischen Stimmung haben wir als Linke viele Chancen. Wir müssen sie jetzt nur geeint nutzen.
Heidi Reichinnek
35, beschäftigt sich mit Kinder-, Jugend-, Familien- und Frauenpolitik und gehörte, als es die Linksfraktion noch gab, deren Vorstand an.
Wie wollen Sie diese Rumpfgruppe einen?
Rumpfgruppe klingt so negativ. Wir 28 Menschen haben uns ganz klar zur Linken bekannt und vertreten die Linke und ihre mehr als zwei Millionen Wähler:innen im Bundestag. Auch die drei direkt gewählten Kandidat:innen sind bei uns an Bord. Wir als Gruppe sind geeint.
An Ihrem äußerst knappen Wahlsieg ist zu sehen, dass die Gruppe so zersplittert ist wie eh und je.
Es gibt natürlich Themen, die wir diskutieren müssen. Aber ich finde es auch wichtig, dass es nicht nur Vorgaben von oben gibt, die alle abnicken. Wir müssen und werden miteinander die besten Lösungen finden. Und das knappe Ergebnis zeigt vor allem, dass alle Kandidat:innen mit jeweils hohen Kompetenzen angetreten sind.
Warum haben Sie nicht mit Clara Bünger kandidiert? Wäre das nicht das deutlich kooperativere Signal gewesen?
Es gab letztlich vier Kandidaturen, aus denen zwei Vorsitzende einzeln gewählt wurden. Wie es ausgegangen ist, ist ein ehrliches Ergebnis einer demokratischen Wahl.
Ausgerechnet Sie und Sören Pellmann haben den Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan 2022 vergeblich den Parteivorsitz streitig gemacht. Das spricht nicht für das beste Verhältnis, oder?
Wir haben ihnen nicht den Parteivorsitz streitig gemacht, sondern sind mit einem Angebot angetreten …
… in direkter Konkurrenz zu den beiden …
… das ja auch große Unterstützung bekommen hat. Und genau jetzt zeigen wir, dass Parteispitze und Gruppe an einem Strang ziehen. Deshalb haben wir am Montag auch die erste Pressekonferenz gemeinsam gemacht. Wir haben kein Problem damit, uns nach einer demokratischen Kandidatur die Hand zu reichen. Warum sollten dann andere ein Problem damit haben?
Wie soll die künftige Zusammenarbeit aussehen?
Sören Pellmann und ich haben verschiedene Vorschläge gemacht. Jetzt müssen wir sehen, wie wir diese umsetzen. Da geht es zum Beispiel um die Frage, dass wieder regelmäßig Gruppenvorsitzende an Sitzungen des Parteivorstands teilnehmen. Diese können dann berichten, was in der Gruppe gerade passiert, sie können Fragen beantworten und wieder Impulse mit in die Gruppe tragen. Wir brauchen natürlich auch einen Austausch für eine gemeinsame Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir wollen geeint bestimmte Themen setzen wie Umverteilung, gute Arbeit, Klima und Frieden, die wir dann auch an die Landesverbände spielen. Da können wir zusammen einen großen Schritt nach vorn gehen.
Werden Sie zukünftig mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht zusammenarbeiten?
Das kommt auf die Inhalte und die jeweilige Situation an. BSW ist genau wie alle anderen Parteien ein politischer Konkurrent für uns. Da wird es Überschneidungen geben und auch Differenzen. Je nachdem sehen wir dann, ob eine punktuelle Zusammenarbeit möglich ist oder auch nicht. Wie bei Grünen, SPD oder anderen.
Sören Pellmann und Sie sind weit weniger prominent als Wagenknecht. Wie wollen Sie in Medien und Öffentlichkeit durchdringen?
Ja, Sahra Wagenknecht ist sehr prominent, das trägt BSW ja auch gerade. Aber wir haben unglaublich kompetente Genoss:innen wie zum Beispiel die Parteivorsitzende Janine Wissler, die rhetorisch ganz klar mithalten können. Und auch ich selbst halte mich da für völlig konkurrenzfähig. Mein Erfolg etwa in den sozialen Medien zeigt mir, dass wir uns auf gar keinen Fall verstecken müssen. Und das Wichtigste: Wir haben die besseren Inhalte. Darauf kommt es an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag