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Haus eines Hamburger Richters attackiertUngemütliches Vorgehen

Alexander Diehl
Kommentar von Alexander Diehl

Wegen G20: Unbekannte bewerfen das Wohnhaus eines Hamburger Hardline-Richters mit Farbe und Buttersäure. Vielleicht waren es Linke – Kluge eher nicht.

Nicht jede Art, Aufarbeitung zu fordern, ist klug: Polizeieinsatz im Schanzenviertel, Juli 2017 Foto: Bodo Marks/dpa

M it Farbe und Buttersäure haben Unbekannte das Haus des Hamburger Amtsrichters Johann Krieten attackiert. Wie der Hamburger Senat am Donnerstag mitteilte, war es in der Nacht zuvor zu dem Vorfall gekommen. Demnach hielten sich mehrere Personen in dem Haus im niedersächsischen Buxtehude auf, zu Schaden kam aber keine davon. Ebenfalls seit Donnerstag findet sich auf Indymedia ein kurzer, als Bekenntnis zu interpretierender Text.

Darin steht unter anderem, „5 Jahre nach dem G20 in Hamburg“ – gemeint sein dürfte das dortige Gipfeltreffen im Sommer 2017 – habe man den Juristen „besucht und seine Veranda mit Buttersäure und Farbe ungemütlich gemacht“. Denn, so das Schreiben weiter: „Die auf den G20 folgende Repression ist noch immer präsent, während bisher kein einziger Bulle für seine Gewalttaten zur Rechenschaft gezogen wurde.“

Die nächtliche Attacke auf das Gebäude war nicht die erste Aktion gegen den durchaus umstrittenen Amtsrichter: Der war im Gipfel-Zusammenhang aufgefallen durch drastische, erkennbar auf Abschreckung zielende Urteile – die auch schon mal über das hinausgingen, was die Anklage gefordert hatte.

Im Dezember 2019 war deshalb – ebenfalls auf Indymedia – dazu aufgerufen worden, Krieten zu „besuchen“, auf dass der „Knallhart-Richter“ das anstehende Weihnachtsfest nicht alleine verbringen müsse („Zwischenkundgebung in Rufweite des einsamen Richters! Seid textsicher im Repertoire der üblichen Weihnachtslieder!“).

Vorlage für die AfD

Die herauzulesende Drohung erreichte manches richtige Ohr. So verurteilte Hamburgs damaliger Justizsenator Till Steffen (Grüne) den Ausflug. Dass der Hamburger AfD-Mann Dirk Nockemann darin eine Gelegenheit erkannte, ein wenig Aufmerksamkeit zu erheischen für den Recht-und-Ordnung-Markenkern seiner Partei: Die Ver­fas­se­r*in­nen des damaligen Aufrufs wird es nicht weiter gestört haben; wahrscheinlich, dass sie in dem Rechtsaußen-Abgeordneten und dem gnadenlosen Richter Brüder im Geiste sahen.

Bloß: Am vorweihnachtlichen Singen nahmen dann nicht mal 30 mutmaßliche Autonome teil. Bünd­nis­par­te­r*in­nen aus anderen Milieus hatte ihnen die Aktion also kaum eingebracht. Das aber war nicht alternativlos, die Empörung im G20-Zusammenhang nämlich war 2017ff. durchaus weiter verbreitet in der Stadt – wegen des polizeilichen Vorgehens, aber auch so manches überzogen wirkenden Urteils.

Im Farb- und Säure-Fall nun hat der niedersächsische Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen. Die amtierende Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina (ebenfalls Grüne), der Präsident des Amtsgerichts sowie der Hamburgische Richterverein haben die nächtliche Aktion verurteilt. Das dürfte wiederum abperlen an den – vielleicht niemals zu ermittelnden – Täter*innen: Wen schert's, was die Systemmarionetten denken?

Alles Empören mal beseite gelassen: Was kann denn erreicht werden durchs Ungemütlichmachen einer Buxtehuder Wohnhausfassade? Wollen die, die sich da ausgetobt haben, wirklich, dass Richter anders urteilen, zur Vermeidung nächtlicher Drangsal? Glauben sie, dass das erreicht werden kann? Oder ist so ein Anschlag am Ende vor allem ein Eigentor, ein 1A-Aufhänger für Hetze und Diffamierung – auf ihre Kosten? Das wäre ausgesprochen dumm für die angeblich bezweckte politische Sache.

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Alexander Diehl
Redakteur taz nord
Wollte irgendwann Geisteswissenschaftler werden, ließ mich aber vom Journalismus ablenken. Volontär bei der taz hamburg, später auch mal stv. Redaktionsleiter der taz nord. Seit Anfang 2017 Redakteur gerne -- aber nicht nur -- für Kulturelles i.w.S.
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