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Hartwig Berger über die Jugendarbeitslosigkeit in EuropaMacht sie zu Energieberatern!

Warum finanziert die EU nicht all ihren Kommunen die Ausbildung junger Arbeitsloser?

Sigmar Gabriel und Martin Schulz wollen der Europa-Skepsis mit einer europaweiten Investitions­offensive begegnen. Das ist angesichts der von ihnen lange unterstützten neoliberalen Dogmen erfreulich. Doch wenn das nicht nach dem Gießkannenprinzip gehen soll, fragt sich zuallererst, wohin, zu welchem Zweck und zu wessen Gunsten investiert werden soll. Wenn die Europäische Einigung mehr Zuspruch unter jungen Menschen finden soll, wäre es sinnvoll, endlich wirksam gegen die unerträglich hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern anzugehen. Gabriel und Schulz erwähnen das, wie übrigens auch Merkel und Schäuble an diesem Wochenende, nur sehr beiläufig.

Kaum wirksame Projekte

Vor mehr als drei Jahren hat die EU eine garantierte Arbeit oder Ausbildung für alle Unionsbürger*innen unter 25 Jahren beschlossen. Wie heute zu sehen ist, blieb das weitgehend Makulatur. Auch wurden sechs Milliarden Euro für Jugendbeschäftigung vorgesehen – allerdings kaum in wirksame Projekte umgesetzt. Und im 2014/15 beschlossenen Europäischen Investitionsprogramm von immerhin 315 Milliarden Euro waren entsprechende Schwerpunkte für die Jugend nicht einmal vorgesehen. Kein Wunder, dass mit diesem Politikversagen Europaverdrossenheit eher genährt statt abgebaut wird.

Was kann getan werden – und zwar wirkungsvoll, finanzierbar und umgehend? Gesine Schwan hat jüngst (in der taz vom 28. 6. 2016) vorgeschlagen, dass die Europäische Kommission stärker mit Kommunen in gemeinsamen Projekten zusammenarbeitet, die aus europäischen Mitteln finanziert werden. Sie erwähnte die Integrationsarbeit mit Geflüchteten und für Geflüchtete als Beispiel. Erweitern ließe sich das mit praktischen Aktivitäten zum Klimaschutz, den die EU sich aus zwingenden Gründen auf die Fahnen geschrieben hat.

Für eine direkte Kooperation mit Kommunen hat die EU-Kommission bereits Vorarbeit geleistet mit dem „Konvent der Bürgermeister für Klimaschutz und Energie“, dem inzwischen über 6.000 Gemeinden – von kleinen Dörfern bis zu Städten wie Rom, Madrid, Berlin – angehören. Sie haben sich unter anderem verpflichtet, bis zum Jahr 2040 ihre Treibhausgase um mindestens (!) 40 Prozent zu verringern. Dieses kommunale Netzwerk kann die EU nutzen, um vor Ort lebende junge Frauen und Männer in bezahlte Klimaschutzaktivitäten einzubinden. Sie kann damit ein Startsignal für eine Energiewende-Bewegung von unten geben, die in den Kommunen von Einheimischen getragen wird.

Dazu ein Vorschlag: Allen Kommunen der EU wird eine Grundausbildung junger Arbeitsloser zu Ener­gie­berater*innen angeboten. Dabei geht es um Einsparungen und Effizienz, aber auch um die Nutzung erneuerbarer Energien und die Bildung von Genossenschaften, die diese Aufgaben gemeinschaftlich angehen. Im zweiten Schritt, und ebenso durch die EU finanziert, führen die so geschulten jungen Leute eine Kampagne in ihren Ortschaften durch, indem sie den dort lebenden Menschen, ansässigen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen helfen, ihren Umgang mit Energie besser und klimagerechter zu organisieren.

Neue Wurzeln schaffen

Diese sinnvolle Dienstleistung verhilft den hier Einbezogenen zu einer beruflichen Zukunft, in der sie sich zugleich für die Zukunftsaufgabe des Klimaschutzes engagieren. Einmal gebildet, können die Energieteams ihre Aktivitäten länderübergreifend austauschen und damit zu einer genuin europäischen Energiewende-Bewegung beitragen. Die Aufgabe des Klimaschutzes gewinnt so gesellschaftliche Wurzeln in der Generation, um die es doch vor allen Dingen geht.

An mangelndem Geld kann das nicht scheitern. Warum nicht Teile des umfangreichen Investitionsprogramms abzweigen, wie auch die noch ungenutzten Milliarden des Programms zur Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit einsetzen? Spätestens ab 2020 kann die EU zudem auf Gelder aus den EU-Strukturfonds zurückgreifen, die ansonsten an die Geberländer zurückgezahlt würden. Und sie kann weitere europäische Beispiele für eine bürgernahe interkommunale Zusammenarbeit kreieren. Es gibt dafür mehr als genug Zukunftsprojekte im Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsbereich. Junge Europäer*innen in ihre eigene Zukunftsgestaltung einzubinden, hat einen Gebrauchswert, der sich im Tauschwert an Finanzmitteln gar nicht aufwiegen lässt.

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