Handgearbeitete Fahrräder: Alles fließt
Nachhaltig, stylish, modern und entsprechend teuer: Raphael Much baut Fahrräder mit Holzrahmen. Ein Werkstattbesuch im Schwarzwald.
In einer unscheinbaren Werkstatt im Schwarzwaldstädtchen Schramberg stehen zwei sauber eingeparkte Holzfahrräder, ein drittes hängt wie eine Trophäe an der Wand. Mitten im Raum steht lässig der junge Herr Schreiner. T-Shirt, Jeans, der unvermeidliche Bart, wache Augen. Im Hintergrund murmelt die Schiltach, die sich von der Rüstungsfabrik Junghans am anderen Ende durch die Stadt schlängelt: Alles fließt, alles Natur.
Holzfahrräder – das klingt nach Jesuslatschen und klobiger Zweirad-Ideologie, nach gewollt korrektem Werkstoff. Klobig? Muchs Holzrahmen sind stylish, modern und dank des nachwachsenden Rohstoffs Holz nachhaltig. Bei der Herstellung zimmert der Schreiner Schablonen, nach deren Formen er die Holzrahmen zurechtbiegt. Ihm kommt seine Erfahrung als Bootsbauer entgegen. Er hat nach seiner Lehre in Neuseeland, dann in Portugal gearbeitet. Zurück im Schwarzwald durfte er die Schrecken des Schreinerberufs auskosten: Plastikfenster einbauen, Spanplatten sägen. Nach Feierabend hat er seine Bikes geleimt, gebogen, gefräst, lackiert.
Das Doppelspiel ist aus. Much hat sich vom Plastikfenster verabschiedet, um sich ganz aufs Fahrrad zu konzentrieren. „Lumber Jack“ heißt seine Firma. Brachiale kanadische Holzfäller werden so genannt, Much gefällt die Ironie hinter dem Namen.
3.600 Euro fürs Stadtfahrrad
Wenn er allerdings an das Risiko der Selbstständigkeit denkt und an die Auftragslage, kratzt er sich schnell mal den Kinnbart. Immerhin: Zwei Räder sind bestellt. Noch sind seine Cruiser und Mountainbikes ein Geheimtipp, aber Aussehen, Fahrkomfort und Ökobilanz sind so überzeugend, dass es eigentlich für die existenzielle Absicherung reichen müsste. Der Preis macht die Holzbikes zum Luxusprodukt: 3.600 Euro fürs Stadtfahrrad, 3.900 Euro fürs Mountainbike.
Bei der Ausstattung mit Bremsen, Schaltung, Bereifung bestimmt der Kunde, was er haben will. Er darf auch bei den Hölzern mitreden. Liebliche Kirsche, ausdrucksstarker Nussbaum oder exotisches Mahagoni? „Das Fahrrad muss zum Charakter passen“, sagt Much, und das klingt, als würde er dem Kunden tief ins Auge schauen. Seine Hölzer bezieht er aus zertifizierter Quelle, wichtigster Lieferant ist die Esche, die Much als robuste Außenschicht einsetzt: „Esche hat lange Fasern, eine extrem dichte Zellstruktur, sie ist gut biegbar und trotzdem sehr hart!“ Ein Wunderbaum.
Sein erstes Rad hat der 29-Jährige in Portugal gebaut. Ein 15 Euro teures verrostetes Uraltmodell aus Stahl wurde sein Prototyp, den er nachgezimmert hat – mit Abfallholz vom Bootsbau. Das Ur-Radl mit extrem langgezogenen Rahmen und großem Radabstand vermittelt das Fahrgefühl einer Limousine. Sanft und gemütlich. Die aktuellen Räder sind kompakter, dynamischer. Sie sind geländetauglich, das Holz dämpft Stöße gut ab. „Wie bei einem Hammerstiel“, sagt Much, „wenn der nicht aus Holz wäre, würde jeder Schlag wehtun.“
Klebstoffe aus der Luftfahrt und UV-Schutzlack sorgen für witterungsbeständige Stabilität. Das Urteil für den Rahmen: lebenslänglich. Und wenn der Lack abblättert? „Nach acht bis zehn Jahren abschleifen, neu lackieren, fertig!“, empfiehlt der Meister. Das Gewicht der Räder reduziert er übrigens durch Aushöhlen des Rahmens. Mehrere Hersteller wie Waldmeister-Bikes oder Ango-Bikes konkurrieren mit ähnlichen Rädern. Aber noch immer bilden sich Menschentrauben, wenn irgendwo eines von Muchs Bikes steht.
Es ist spät geworden in der Schreinerei. Im Hintergrund murmelt immer noch die Schiltach, der graue Himmel tropft und Raphael Much sagt noch einen Satz: „Ich will einfach nur wunderschöne Räder bauen!“
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